Norwich Rüße: „Ökologie und Nachhaltigkeit interessieren das Unternehmen nicht, es geht ausschließlich um den eigenen Vorteil.“

Unterrichtung der Landesregierung zu den Holzliefer-Verträgen mit der Firma Klausner

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Klausner-Verträge sind nicht zum ersten Mal hier im Landtag Thema. Ich bin erst im Jahr 2010 in den Landtag gekommen und habe mir deshalb in der Vorbereitung die Protokolle, die Anträge von Rot-Grün und diverse Stellungnahmen der Verbände durchgelesen.
Als Erstes möchte ich sagen: Ich bin schlichtweg fassungslos. Fassungslos deshalb, weil ich mir so eine Form von Dilettantismus, wie er hier geschehen ist, nicht vorstellen konnte.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Meine Damen und Herren, niemand von uns stellt in Abrede, dass nach Kyrill gehandelt und auch rasch gehandelt werden musste. Niemand stellt in Abrede, dass es einen enormen Handlungsdruck gab. Herr Deppe, Sie haben das ausführlich dargestellt, aber leider zu dem heutigen Thema nichts gesagt. Thema ist nicht Kyrill,
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Thema sind die Klausner-Verträge. Oder sollten wir nicht ehrlicherweise sagen: Es sind die Uhlenberg-Verträge.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Dann sage ich eins: Handlungsdruck ist das eine, Herr Hovenjürgen, aber das entbindet niemanden, der handeln muss, davor, mit Sorgfalt vorzugehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ein Jahrhundertereignis wie Kyrill hat Jahrhundertmengen an Sturmholz aufgeworfen. Sie haben damals ein Riesenproblem gehabt. Das heißt, wenn ich dann über Mengen verhandele, aber auch, dass ich nicht über eine Holzlieferung von 100.000 oder 200.000 € verhandele, sondern in ganz anderen Dimensionen. Wenn Sie dann noch den Landesbetrieb über sieben Jahre verpflichten und damit die Menge noch einmal weit ausdehnen, dann haben Sie einen Kaufgegenstand, bei dem Sie sieben Jahre lang Jahr für Jahr über Zigmillionen reden.
Jedem muss doch klar sein: Wenn ich in ein solches Vertragswerk einsteige, dann wird auch nur kleinste Fehler dazu führen, dass es riesige Schäden und auch enorme Schäden für das Land geben kann. Denn der Landesbetrieb ist eben unser Landesbetrieb und nicht irgendein Landesbetrieb.
Eben wurde auch schon angedeutet: Ja, im Nachhinein ist man immer schlauer, im Nachhinein wissen wir alles besser. – Das trifft auch manchmal zu. Dumm ist es nur, wenn man parallel zu dem Handeln warnende Stimmen hat, die einem sagen: „Macht das nicht so! In dem, was ihr tut, liegt ein Risiko! Passt auf!“, und dann darauf nicht reagiert.
Es gab viele Stimmen, die gesagt haben: Bindet euch nicht mit diesen Mengen an ein einzelnes Unternehmen! – Die Firma Klausner kommt aus Tirol. Das ist verdammt weit weg von Nordrhein-Westfalen. Ich denke, das erklärt auch ein bisschen, warum dieses Unternehmen jetzt so handelt, wie es handelt. Für mich sind da sehr wohl Parallelen zu den Heuschrecken, die am Wohnungsmarkt tätig sind, zu sehen, die ganze Wohnungsquartiere, Stadtquartiere verwüstet hinterlassen, ohne Rücksicht auf Verluste. Und genau das macht die Firma Klausner mit unserem Wald.
(Beifall von den GRÜNEN und Kai Schmalenbach [PIRATEN])
Ökologie und Nachhaltigkeit interessieren dieses Unternehmen nicht. Es geht hier ausschließlich um finanzielle Vorteile. Und dazu sage ich noch einmal: Da hätten Sie damals aufpassen müssen. Sie haben nordrhein-westfälische Wälder blindlings für sieben Jahre an einen solchen Konzern abgegeben.
(Christian Möbius [CDU]: So ein Blödsinn!)
Wenn man schon weiß, dass man es hier nicht mit irgendeinem kleinen Mittelständler zu tun hat, der kleinere Mengen Holz abnimmt, und wenn man weiß, dass es um eine gigantische Holzmenge über sieben Jahre geht, dann begreife ich nicht, wie man dermaßen amateurhaft einen Kaufvertrag zusammenstoppeln kann. Das Spannende ist ja: Sie waren sich ja selbst nicht mehr sicher, welche Qualität dieser Vertrag überhaupt hat. Ist es überhaupt ein Kaufvertrag? Ist es nur ein Rahmenvertrag, der im Nachhinein noch ausgehandelt werden muss? All das war Ihnen selbst nicht wirklich klar.
Mein Eindruck ist – wir haben da ja gerade auch einen fußballerischen Zusammenhang mit Bayern München und Dortmund –, Sie hatten einen Jahrhundertvertrag aus der Champions-League-Kategorie und verhandelt haben Sie ihn auf Kreisklasse-C-Niveau.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Obwohl das, was ich gesehen haben, schon fast eine Beleidigung für die Kreisklasse C ist.
Und weil Sie diesen Vertrag so dilettantisch ausgehandelt haben, gab es auch um die Klausner-Verträge sofort und parallel eine intensive Debatte, wie wir sie in der Form sonst nirgendwo haben. Es gibt eine Debatte der Verbände. Sofort ist Aufregung im ganzen Land. Das liegt daran, dass es solch ein Durcheinander gibt, dass nicht klar ist, über welche Holzmengen wir reden. Es ist nicht von Anfang an klar, für welche Menge eingetreten wird. Sind es die 500.000 Festmeter, die wirklich verbindlich zu liefern sind? Oder sind es doch nur die 200.000 Festmeter und darüber hinaus muss man gucken?
Was aber absolut nicht verständlich ist, ist, dass man, wenn man schon eine Menge festschreibt und dem Landesbetrieb das Haftungsrisiko aufbürdet, nicht wenigstens dafür sorgt, dass es exakt auf das begrenzt wird, was der Landesbetrieb leisten kann, nämlich die knapp 200.000 Festmeter. Und das ist das Problem, vor dem wir jetzt stehen: dass Sie auch an der Stelle ungenau und unsauber gearbeitet haben.
Dann die lange Laufzeit – Frau Watermann-Krass hat es bereits erwähnt –: Es gab sofort Experten, die gesagt haben: Auf keinen Fall so eine Laufzeit. Sofort wurde empfohlen: Maximal vier Jahre! Mehr darf nicht sein, sonst wird der Landesbetrieb in seiner Handlungsfähigkeit extrem eingeschränkt.
Ich sage: Man kann ja darüber streiten, ob man so eine lange Laufzeit nicht vielleicht doch besser macht. Das kann man alles tun. Aber dann gilt auch hier: Es muss im Vertrag exakt festgelegt werden.
Gilt der Vertrag, den Sie abgeschlossen haben, für sieben Jahre, oder gilt er erst einmal nur für zwei Jahre und dann muss man noch mal verhandeln? Ungenauigkeit von vorne bis hinten in diesem Vertrag, nichts Genaues weiß man nicht.
Die damaligen Oppositionsfraktionen haben immer wieder versucht, überhaupt an die Verträge heranzukommen, um in Erfahrung zu bringen, worum es überhaupt geht. Wenn man die Protokolle durchliest, erkennt man: Das ist in der Tat ein Stochern im Nebel.
Absolut unverständlich ist aus meiner Sicht, dass man – wenn man einen solchen Vertrag gemacht hat und parallel von Experten so viele Warnungen, so viele Empfehlungen erhält, sich doch noch mal zu überlegen, ob das der richtige Weg ist – diese ganzen Warnungen in den Wind schießt und nicht zur Notbremse greift, anhält und noch mal klar nachverhandelt. Sie haben damals sofort Kritik und Anregungen bekommen.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Deshalb reicht es nicht, jetzt zu sagen: Im Nachhinein sind wir alle schlauer. – Das ist der entscheidende Vorwurf, den ich Ihnen machen muss. Sie haben parallel die Warnungen bekommen. Wenn Sie die aufgegriffen hätten, dann hätten Sie sofort umsteuern müssen. Das haben Sie nicht getan. Deshalb werfe ich Ihnen auch Fahrlässigkeit vor.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was dem Ganzen aber die absolute Krone aufsetzt, ist das, was 2009 passiert ist. 2009 haben Sie durch eine Fügung des Schicksals – möchte man ja sagen – die einmalige Chance erhalten, die von mir eben erwähnte Notbremse zu ziehen. Ein Fenster war geöffnet, um aus den Verträgen herauszukommen. Sie hätten kündigen können. Aber da zeigt sich der ganze Dilettantismus noch einmal. Sie waren nicht mal dann in der Lage, die Verträge aufzukündigen. An der Stelle hätten Sie eine Menge Schaden vom Land Nordrhein-Westfalen abwenden können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Seitdem ich hier tätig bin, weiß ich: In allen Ministerien arbeiten viele Juristen. Das ist auch gut so. Ich frage mich aber, wo an der Stelle der damalige Staatssekretär – auch Jurist – war. Wenn es um Verträge, um Vertragsauflösung geht, dann ist es doch die Aufgabe eines Juristen, aktiv zu werden. Und ein guter Jurist müsste es doch hinkriegen, einen solchen Vertrag ordentlich aufzulösen.
Und wo war an der Stelle der damalige Minister Uhlenberg, der diese Gelegenheit beim Schopfe hätte ergreifen müssen. Es hätte Chefsache sein müssen, die Verträge 2009 aufzulösen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Fazit ist – wir reden hier jetzt ausschließlich über die Klausner-Verträge, wir reden nicht über Kyrill –: Sie haben mit den Verträgen, so wie Sie sie abgeschlossen haben, dem Landesbetrieb Schaden zugefügt, der Holzwirtschaft Schaden zugefügt, den Wäldern vermutlich zukünftig Schaden zugefügt und dem Land Nordrhein-Westfalen Schaden zugefügt – das durch Ihr wiederholtes wirklich amateurhaftes Verhalten.
Eine Menge Fragen sind offen und warten auf Beantwortung durch Sie. Vielleicht kriegen wir gleich von Herrn Hovenjürgen ein paar Antworten. Mich würde es freuen, wenn Herr Uhlenberg sich dazu äußern würde.
Am Ende – das sage ich auch klar und deutlich – wartet die Klausner-Affäre rund um die Uhlenberg-Verträge auch auf die Übernahme von politischer Verantwortung. Herr Uhlenberg, ich meine, hier sind Sie gefragt. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


2. Runde:

Norwich Rüße (GRÜNE): Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Herr Hovenjürgen eben einige Dinge gesagt hat, auf die man antworten muss.
Gut finde ich, dass Sie in Ihrem Beitrag ausgeführt haben, mit dem Wissen von heute müsse man sagen, dass vielleicht Fehler gemacht worden seien und das Ganze suboptimal gelaufen sei. Ich finde es schon einmal gut, dass Sie sich dieser Wertung anschließen – wobei ich das Wort „suboptimal“ in diesem Zusammenhang zu schwach finde. Es ist einfach richtig schlecht gelaufen.
Ich halte es aber für problematisch, zu argumentieren, der Minister sei von den Experten im Ministerium beraten worden. – Das stimmt natürlich. Am Ende entscheidet aber einer. In der damaligen Situation waren auch viele andere Stimmen zu hören. Es hätte gute Gründe gegeben – das habe ich eben schon erwähnt –, den Prozess anzuhalten und noch einmal sorgfältig zu prüfen: Ist der Weg, den wir gehen, wirklich der richtige Weg? – Auch wenn zeitlicher Druck besteht, entbindet einen das nicht von der Einhaltung des Prinzips „Sorgfalt vor Schnelligkeit“.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Der Verweis auf das Wissen von heute reicht auch nicht aus. Das ist eine Flucht; denn im Umkehrschluss heißt das: Damals konnten wir es ja nicht besser wissen. – Da sage ich entschieden: Sie konnten es besser wissen.
Herr Busen, Sie haben ausgeführt, man habe diese Kröte mit der längeren Laufzeit schlucken müssen, um insgesamt zu einem Ergebnis zu kommen. – Ich glaube, wenn man einen Vertrag abschließt, hat man im Prinzip das Ziel, eine Win-win-Situation, also Vorteile für alle Seiten, zu erzeugen. Wir hatten damals das Problem, dass große Mengen Holz verarbeitet werden mussten. Dazu – so glaubte man – muss man denen an anderer Stelle entgegenkommen.
Ich meine aber, dass es überhaupt keine Win-win-Situation gab, weil man gar nicht auf alle Beteiligten Rücksicht genommen hat. Man hat die Waldbauern im Auge gehabt. Das ist auch gut. Man hat aber nicht ausreichend geschaut: Was muten wir dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW zu? Man hat nicht ausreichend geschaut: Was passiert eigentlich mit der heimischen Holzindustrie? Man hat auch nicht geschaut: Was muten wir am Ende vielleicht dem Land zu?
Deshalb stehen wir heute hier vor einem Scherbenhaufen; denn man hat nicht ausgewogen die einzelnen Interessen betrachtet und sie gegeneinander abgewogen, sondern einseitig versucht, den Waldbauern etwas Gutes zu tun.
Wenn ich mir anschaue, über welche Schadensersatzsummen wir jetzt diskutieren, sage ich Ihnen am Ende: Es wäre ja fast besser, wenn wir dieses Geld damals direkt an die Waldbauern ausgezahlt hätten. Dann wären wir jetzt weiter als mit dem, was Sie mit Ihren Verträgen angerichtet haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dieser ganze Vorgang rund um die Uhlenberg-Verträge ist dramatisch. Viele im Land verkennen das immer noch. Es handelt sich um einen wirklich dramatischen Vorgang, der am Ende einen enormen Schaden für uns bedeuten kann.
Ich stelle noch einmal fest: Wir diskutieren über Summen, die wir im Landeshaushalt einsparen möchten, weil wir schauen müssen, wie wir am Ende die Schuldenbremse einhalten können. Ein solcher Schadensfall konterkariert viele dieser Bemühungen, die wir unternehmen.
Deshalb finde ich, dass am Ende jemand die politische Verantwortung hierfür übernehmen muss. Das sage ich noch einmal ausdrücklich. Niemand darf sich dahinter verstecken, er sei von seiner Ministerialbürokratie so beraten worden. Am Ende entscheidet der Minister und sagt Ja oder Nein. Dann muss er auch Jahre später immer noch die Verantwortung dafür übernehmen. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)