Reiner Priggen: „Es gibt nur eine gemeinsame Konsequenz: Dass am Standort Bochum soviel Opel wie möglich erhalten bleibt“

Aktuelle Stunde auf Antrag von SPD und Grünen zur angekündigten Schließung des Opel-Werks Bochum

Reiner Priggen (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Liebe Opel-Kolleginnen und -Kollegen und andere Gäste oben auf der Tribüne! Herr Kollege Laumann, ich frage mich als Erstes: Was hat die Belegschaft von Opel von dem, was Sie hier eben vorgetragen haben?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich weiß, dass Sie Temperament haben. Aber wenn Sie, nachdem der Wirtschaftsminister am Montag dort gewesen ist, Opel als qualmende Ruine bezeichnen, dann passt das nicht zu dem, was Sie auf der anderen Seite hier an Inhalten geäußert haben, dass Sie möchten, dass da etwas entsteht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In den letzten Jahren ist die Geschichte Opels in Deutschland und speziell Opels in Bochum eine sehr leidvolle Geschichte. Es ist eine Geschichte nicht gegebener Chancen, und es ist eine Geschichte nicht gehaltener oder nur ganz, ganz vager Zusagen. Opel hat über Jahrzehnte und bis heute qualitativ sehr gute, sehr zuverlässige und moderne Fahrzeuge gebaut. Das konnte man zum Beispiel heute Morgen auf der Fahrt zum Landtag und das kann man jederzeit bei uns auf den Autobahnen und Straßen sehen. Den Ruf hat Opel, den hat man sich hart erarbeitet.
Aber Opel hat vom Mutterkonzern – das ist eigentlich das Allerschlimmste – nie die Chance bekommen, im internationalen Wettbewerb auf Märkten außerhalb von Europa Möglichkeiten zu suchen, Absatz zu erzielen. Das ist aus meiner Sicht das ganz große Manko, was General Motors Opel in die Wiege gelegt hat.
Wichtige Teile des Weltmarktes sind für Opel abgeschottet worden. Und da, wo Volkswagen, wo andere deutsche Automarken sehr erfolgreich tätig waren und mit Verkauf im Ausland auch Arbeitsplätze in Deutschland gesichert haben, hat General Motors darauf geachtet, dass dort, wo andere Konzernmarken tätig werden konnten, Opel nicht arbeiten durfte.
Was das heute bei international sehr aktiven Märkten heißt, wenn man so beschränkt und beschnitten wird, dann muss man wirklich den Vergleich zwischen diesen beiden traditionellen starken deutschen Marken Volkswagen und Opel wagen. VW hat es geschafft, auch mit konkurrierenden eigenen Produkten international auf den Märkten insgesamt zu gewinnen. Opel wurde diese Chance nicht gegeben, Opel wurde sie verweigert.
Die Frage ist nicht von der Tagesordnung, sondern die Frage wird für alles, was in Deutschland von Opel noch gebaut wird, wieder auf die Tagesordnung kommen. Deswegen muss man es klar benennen. Es muss eine faire Chance geben für die hochwertigen Produkte, die da jetzt und in Zukunft hergestellt werden, damit diese international auf den Märkten ihre Möglichkeiten suchen können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der zweite Punkt, wenn wir ehrlich bilanzieren, den wir ansprechen müssen: Der Konzern hat in Europa erhebliche Überkapazitäten aufgebaut. Ich will die Zahlen gar nicht alle zitieren. Aber „SPIEGEL ONLINE“ hat berichtet: 1,6 Millionen Fahrzeugkapazitäten in der Fertigung und 1,1 Millionen Absatz. Die IG Metall hat uns noch sehr viel drastischere Zahlen mitgegeben. Die Tarifkommission der IG Metall im Januar 2013: „Angesichts historisch niedriger Marktanteile sind die Produktionsstandorte in Europa nur zu 50 % ausgelastet.“ Das ist die Dramatik in der Situation. Und in dieser Situation hat der Aufsichtsrat am 17. April 2013 das Ende der Autoproduktion in Bochum für 2014 beschlossen.
Herr Kollege Laumann, Sie haben eben die 76,1 % in der Abstimmung bei Opel angesprochen. Wenn man nachvollzieht, was in den ganzen Jahren war, wie immer wieder Zusagen oder auch Abmachungen getroffen worden sind, die nicht eingehalten wurden, dann kann man die Skepsis derjenigen, die da beschäftigt sind, natürlich verstehen. Man hätte erwartet, dass der Konzern, wenn er entscheidet, nicht jetzt entscheidet „Zwei Jahre früher“, sondern mindestens entschieden hätte, dass das, was er mit der IG Metall ausverhandelt hat, umgesetzt wird. Insofern ist es doch ein Stück weit so, dass das, was an Befürchtungen da war, durch diese Entscheidung sogar bestätigt wurde.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt können wir Folgendes machen – und da war Ihr Beitrag, Herr Laumann, nicht hilfreich –:
(Widerspruch von der CDU)
Wir können die Auseinandersetzung hier so führen, wie sie normalerweise geführt wird. Ich könnten Ihnen jetzt reihenweise Zitate vorlesen, in denen sich Herr Brüderle und Herr Guttenberg damals als harte Wirtschaftspolitiker profiliert haben, gerade am Beispiel Opel, ohne für das Unternehmen irgendetwas zu erreichen. Ich könnte Ihnen aus den Berichterstattungen über den Besuch des Ministerpräsidenten Rüttgers zitieren, als er sich in Detroit hat fotografieren lassen, ohne etwas zu erreichen, oder darüber, dass Guttenberg auf dem Time Square war, ohne einen Erfolg zu erzielen. Aber das nützt alles nichts.
Deswegen gibt es nach vorne doch nur eine gemeinsame Konsequenz: dass wir uns darum kümmern, dass am Standort Bochum natürlich so viel Opel wie irgend möglich erhalten bleibt, und die Chance, das ausbauen auch in Bochum gegeben ist. Das ist das eine.
Als Zweites müssen wir dafür sorgen, dass an dem Standort mit Unterstützung und mit Verpflichtung des Unternehmens neue Sachen entstehen können. Dass wir mit Unterstützung des Wirtschaftsministers, mit Unterstützung der Landesregierung, mit Unterstützung der Stadt Bochum und des Ruhrreviers sehen, dass an den Plätzen, wo auf absehbare Zeit keine Autoproduktion mehr gebraucht wird, tatsächlich neue Arbeit entstehen kann und wieder Arbeitsplätze für diejenigen angeboten werden können, die da noch sind,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
und für andere aus der Umgebung.
Ich sage das als jemand, der in Aachen lebt und seit Jahren den Kampf bei Bombardier mitbekommt, wo ganz, ganz zäh dafür gekämpft wird, dass jeder, der dort arbeitet, bleiben kann oder dass an dem Standort etwas Neues entsteht, damit industrielle Produktion erhalten bleibt. Da sind unsere Auseinandersetzung und unser Einsatz gefordert. Da nützen irgendwelche vordergründigen Geländegewinne, die man meint holen zu können, indem man so agiert, wie Sie das eben in weiten Teilen gemacht haben, niemandem. Die nützen nicht den Beschäftigten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das heißt auf Deutsch: Es gibt zu der Linie, die Wirtschaftsminister, Landesregierung, IG Metall, Fraktion und auch der Betriebsrat fahren, keine Alternative: jetzt in Bochum alles zu erhalten, was an Arbeitsplätzen erhalten werden kann, den Konzern einzubinden und ihm auch deutlich zu machen, dass es nicht sein kann, dass Opel Bochum nicht fair behandelt wird, dass dort nicht die Chance gegeben wird, industrielle Produktion zu erhalten oder wieder neu entstehen zu lassen, und zu erreichen, dass sich der Konzern auch tatsächlich an dem beteiligt, was da notwendig ist.
Das ist das, was wir brauchen. Dafür sollten wir uns alle zusammen einsetzen. Es sollte heute aus dem Landtag das Signal ausgehen, dass das breit getragen wird, anstatt vordergründige Polemik zu machen. – Danke schön.
(Anhaltender lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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