Sigrid Beer: „Sie haben die gemeinsamen Beschlüsse in der Bildungskonferenz außer Acht gelassen, nämlich den Ganztag systematisch zu entwickeln“

Antrag der FDP zu Stärkungspakt für Gymnasien

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hachen, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie auf die Vereinbarungen zum Schulkonsens hingewiesen haben, dass wir diese umsetzen und darauf, dass keine Schulform benachteiligt wird.
Jedoch haben Sie die Zahlen offensichtlich etwas anders verstanden, als sie sich für mich darstellen. Es werden nämlich nicht 500 Lehrerstellen im Land abgebaut; das ist einfach nicht richtig. Jede Lehrerstelle kann neu besetzt werden; das gilt es festzuhalten. Es gibt Einstellungskorridore für die Lehramtsanwärterinnen zum 1. Februar und zum 1. August, auch an den Gymnasien.
Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen: Wir belassen zurzeit tausend Stellen an den Gymnasien im System, um den Übergang zu gestalten; ansonsten könnte nicht nacheingestellt werden, wenn Lehrerinnen und Lehrer in den wohlverdienten Ruhestand gehen.
Das bedeutet: Diese Stellen werden neben der in § 93 Abs. 3 Schulgesetz geregelten Schüler-Lehrer-Relationen für das Gymnasium – gegenüber allen anderen Schulformen – zusätzlich zur Verfügung gestellt. Das bitte ich zu berücksichtigen.
Natürlich ist das erst einmal eine Herausforderung für den Gesamtbereich, vor allem was die flexiblen Vertretungsmittel angeht, aber es gibt ja die Vertretungsreserve im Grundschulpool. Zunächst kann jede Stelle neu besetzt werden, und dann werden wir prüfen, wie wir im weiteren Verlauf des Jahres dastehen. Im Augenblick sind noch genügend Mittel vorhanden; deshalb möchte ich Sie bitten, an dieser Stelle nicht falsche Botschaften ins Land zu senden.
Wir haben außerdem mit der Umsetzung des Schulkonsenses begonnen, indem wir die Klassenrichtwerte in 2013 schon im Bereich der Grundschule abgesenkt haben. Die anderen Schritte werden verlässlich folgen.
Jetzt möchte ich gerne zum Antrag der FDP-Fraktion Stellung nehmen. Frau Gebauer, Sie haben es in der Anhörung selbst mitbekommen, dass dieser Antrag nicht gerade als sehr zielführend eingeschätzt worden ist. Ich weiß, dass wir gleich wieder unterschiedliche Wahrnehmungen präsentiert bekommen.
Jedoch möchte ich die kommunalen Spitzenverbände zitieren, die gesagt haben: Zu spät, liebe FDP. Zu spät – das hätten Sie sich bei der Einführung von G8 überlegen sollen. Damals hätte es vielleicht Sinn gemacht, jetzt ist es aber absolut daneben.
Vor allen Dingen haben Sie die gemeinsamen Beschlüsse in der Bildungskonferenz außer Acht gelassen, nämlich den Ganztag systematisch zu entwickeln. Das ist doch die Herausforderung. Sie haben doch auch den Beitrag der Kollegin Wenning aus Essen wahrgenommen, die gesagt hat: Wir möchten nicht wieder ein Aufdröseln in der Ganztagsschullandschaft erleben; das kann nicht funktionieren, weil das G8 ein pädagogisch konsistentes Konzept braucht.
Auch das Votum des Kollegen aus der Bezirksregierung fiel ähnlich aus. Die pädagogisch-organisatorischen Herausforderungen brauchen ein Zeitgefäß für den Ganztag, für das G8. Das kann man nicht einfach aufsplitten.
Wenn Sie diese Voten nicht wahrgenommen haben, dann möchte ich anheimstellen, das Protokoll bitte noch einmal sehr genau durchzulesen. Darin findet sich ihre Position deutlich in der Minderheit vertreten.
Außerdem hat Herr Hamacher vom Städte- und Gemeindebund auch von der Gefahr der „Filetierung“ der Gesamtdebatte gesprochen. Auch das sollten Sie sich noch einmal vor Augen führen. Es ist in der Tat so: Wir brauchen die Weiterführung der Ganztagsschulentwicklung im G8. Das will ich Ihnen noch einmal ans Herz legen. Es darf auch keine Zweiklassengesellschaft – Halbtag und Ganztag – geben. Das führt zu Schwierigkeiten in der pädagogischen Organisation. Bei den Schülerinnen und Schülern darf zudem nicht der Eindruck erweckt werden, dass die eine Gruppe schon gehen darf, während die andere noch „nachsitzen“ muss.
Wir brauchen ein pädagogisch konsistentes Gesamtkonzept, gerade angesichts dessen, was Sie mit dem G8 bei den Schulen verursacht haben. Wir arbeiten noch heute an der Optimierung. Hierfür haben Sie ganz offensichtlich noch nicht das notwendige Verständnis.
Es ist deutlich geworden, dass der Erlass alle Möglichkeiten offenlässt, verlässlich zu planen, den Schulen aber auch die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Es ist wichtig, dieses Konzept weiter zu verfolgen.
Sie versuchen – die Kollegin hat es bereits gesagt – permanent, den Eindruck zu erzeugen, die Gymnasien im Lande würden benachteiligt. Das ist definitiv nicht der Fall. Alle Anträge auf Ganztag sind genehmigt worden, wie bei allen anderen Schulen und Schulformen auch. Wir ermuntern die Gymnasien geradezu, in den Ganztag hineinzugehen, weil G8 dies als Zeitgefäß für andere Formen des Lernens braucht.
Frau Gebauer, Sie haben gleich Gelegenheit, Ihre Wahrnehmung der Anhörung zu präsentieren. Leider können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Für alle, die sich näher informieren wollen: Lesen Sie einmal das Anhörungsprotokoll sowie die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten; dann werden Sie sehen, dass dieser Antrag eher rückwärtsgewandt ist und nichts zur Schulentwicklung in Nordrhein-Westfalen beiträgt. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


2. Runde:

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Kollegin, ich will gerne noch einmal nachhelfen, um den Zusammenhang herzustellen. Sie haben zum Gymnasium kurz hintereinander zwei Anträge gestellt: einmal den Antrag „Stärkungspakt für Gymnasien“. Aber wir haben auch in der Anhörung über den Ganztag als geeignetes Mittel der individuellen Förderung miteinander geredet. Um diesen Zusammenhang geht es mir.
Ich bin mit den Stellen eingestiegen, um noch mal deutlich zu machen, dass die Ganztagsentwicklung die Stärkung für die Gymnasien ist. Darauf wird im Übrigen in einer Pressemitteilung des Philologenverbandes der Schwerpunkt gelegt. Offensichtlich haben Sie noch nicht rezipiert, was wir in der Anhörung und in der Ausschussberatung hatten. Das ist die Stärkung. Im Augenblick gelingt es, mit dem zusätzlichen Mitteleinsatz für die Gymnasien den Übergang hinzukriegen.
Wir müssen jedoch in der Schulentwicklung – das ist das gemeinsame Anliegen – alle Gymnasien davon überzeugen, dass der Weg in den Ganztag gegangen werden muss. Das ist eine inhaltliche, innere Schulentwicklung, die zu befördern ist. Mit den anderen Maßnahmen bleiben Sie an der Oberfläche. Dazu ist heute schon genug Kritik gekommen, dass das so nicht realistisch ist.
Diesen Beitrag würde ich mir von Ihnen, was die Gesamtentwicklung angeht, vorausgewandt, zukunftsgewandt wünschen. Dazu erinnere ich noch mal an den Plafond, den wir in der Bildungskonferenz gemeinsam besprochen haben, bei der die FDP leider ausgestiegen ist.

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