Mehrdad Mostofizadeh: „Wir wollen ein Steuerabkommen, das zu mehr Steuergerechtigkeit führt“

Antrag von SPD und Grünen auf Aktuelle Stunde zu Steuerhinterziehung und dem Fall Hoeneß

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von der FDP-Fraktion beginnen Debatten über Steuerabkommen immer mit der Bemerkung: Steuerhinterziehung und Steuerverkürzung sind keine Kavaliersdelikte, sondern Verbrechen. – Und sie verurteilen dieses Verbrechen. Ich denke, dieser Maßstab gilt für uns alle. Ihn auszuführen und auf alle anzuwenden, ist nicht nur Aufgabe dieses Parlaments, sondern auch der Bundesregierung und der Landesregierung.
Der Grund, warum ich das vorwegstelle, ist Folgender – ich habe es Ihnen schon mehrfach vorgeworfen, und ich tue es auch in dieser Aktuellen Stunde –: Ich habe den Eindruck, dass Ihre Partei und auch die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag eine Menge dafür tun – ich werde gleich einige beeindruckende Zitate hervorholen –, diesen Grundsatz durch konkrete Taten wieder infrage zu stellen.
(Unruhe)
Der Fall Hoeneß ist Anlass für die heutige Aktuelle Stunde. Es macht Sinn zu gucken: Was wollte der Präsident des FC Bayern München denn machen? Er hatte offenkundig nach eigenen Angaben eine relativ hohe Summe, zumindest für Menschen normalen Maßes, ins Ausland verschafft, namentlich in die Schweiz, hat sich daraufhin jetzt selbst angezeigt und offenkundig höhere Summen nachgezahlt. Das macht deutlich …
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Nur vom Hören-Sagen!)
– Das Hören-Sagen von Herrn Hoeneß. Das finde ich dann schon gut, Herr Kollege. Sie glauben immer noch nicht, dass das, wenn Herr Hoeneß diese Aussage macht, zutreffen könnte? Das ist dann Ihre Interpretation von Rechtsstaatlichkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Hoeneß hat offenkundig mit diesen Millionen gezockt. Müssen wir jetzt mit Herrn Hoeneß Mitleid haben, der möglicherweise krank ist, einer krankhaften Spielsucht nachhängt, eine Zockermentalität hat? Liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben wir nicht zu bewerten. Wir haben aber etwas anderes zu bewerten. Dieser Herr Hoeneß war bis vor wenigen Tagen Stichwortgeber
(Christof Rasche [FDP]: Von Herrn Steinbrück!)
sowohl für die CDU als auch für die CSU in wichtigen anderen Fragen. Der Kollege Hoeneß hat unter anderem die sehr erstaunliche Bemerkung gemacht, dass es eine Doofheit wäre, Steuern in Deutschland zu zahlen. Kann sich der Präsident des FC Bayern über den Maßstab der Frage erheben, wo und wie man Steuern zu zahlen hat, oder ist es nicht Aufgabe der Parlamente, diese Frage zu entscheiden?
Herr Hoeneß war auch Stichwortgeber in der Frage, ob eine Erbschaftsteuer sinnvoll ist und – wenn ja – in welcher Höhe. Er wird in der Zeitung zitiert mit den Worten: Es nutzt dem kleinen Mann nichts, wenn eine Reichensteuer in Deutschland eingeführt wird. – Es wirft doch schon ein großes Schlaglicht auf die Fraktion,
(Christian Lindner [FDP]: Das sagt Herr Kretschmann, der einzige grüne Ministerpräsident, auch!)
die diesen Mann zum Stichwortgeber macht.
(Christian Lindner [FDP]: Was sagen Sie denn zu Herrn Kretschmann in dieser Frage?)
– Herr Lindner, der Obmann im Finanzausschuss des Bundestages, Hans Michelbach, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion – Herr Kollege Zimkeit hat eben darauf hingewiesen, dass die Bayern die geringste Dichte von Steuerfahndern und Betriebsprüfern hat –, wirft der Opposition vor: Statt auf ein ordentliches Abkommen für Steuergerechtigkeit setzt Rot-Grün auf die Zusammenarbeit mit Kriminellen und stiftet diese mit Millionen-Honoraren zum Datendiebstahl an. Eine solche Kumpanei grenzt an organisierte Kriminalität, und das ist Untreue zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger. – Dies sagte Kollege Michelbach gestern. Das macht doch deutlich, wie Sie um sich schlagen, wie Sie den Tatbestand der Steuergerechtigkeit mit Füßen treten, die Ursache zur Wirkung und die Wirkung zur Ursache machen. Das kann doch nicht mehr wahr sein!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt konkret zu dem Abkommen. Der Kollege Zimkeit hat zu Recht gefragt, wem das Abkommen nützt. Das Abkommen hätte dazu geführt, dass erstens die Beträge nicht vernünftig versteuert werden, dass zweitens – das ist mir ganz wichtig – wir nur 500 Auskunftsersuchen in die Zukunft haben dürften. Wenn also ein Finanzamt einen Verdacht hat, es wären Steuern in der Schweiz hinterzogen worden, dann müssten die die Schweizer Banken höflich fragen. Das ist ein Fall pro Finanzamt. Wissen Sie, wie viele Selbstanzeigen es gegeben hat, nachdem die Steuer-CDs auf den Markt gekommen sind? – 26.000! 26.000 zu 500, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der größte Skandal ist, dass nicht wir, nicht die Presse, nicht die Politiker, sondern die Steuerbehörden, die jeden einzelnen normalen Steuerpflichtigen in Deutschland prüfen, nicht mehr wissen sollen, wie der Geldverkehr in der Schweiz ist. Die dürfen nicht wissen, wie hoch die Steuerpflicht des einzelnen Steuerbürgers ist. Das wollten Sie mit der Schweiz aushandeln, obwohl in Europa kein zweites Land außer Österreich diese Maßstäbe noch vertritt, obwohl die Amerikaner es gegenüber der Schweiz durchgesetzt haben, genau diesen automatisierten Informationsaustausch zu erreichen.
(Unruhe von der CDU und der FDP)
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, wollten mit dem Abkommen erreichen – Sie sind ja sehr aufgebracht –, dass Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nicht mehr erkennbar sind,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
dass Steuerbetrug und Steuerhinterziehung für den Fiskus nicht mehr nachvollziehbar sind. Sie wollten nicht die kleinen Leute schützen. Sie wollten dafür sorgen, dass das Geschäftsmodell der Schweiz bleibt, nicht mit hohen Zinssätzen – die zahlt die Schweiz gar nicht –, sondern mit dem Geschäftsmodell der Anonymität und ohne dass man nachvollziehen kann, wie hoch die Steuerpflicht des Einzelnen ist. Das wollten Sie im Bundestag durchsetzen. Davor haben wir die Bundesrepublik Deutschland im Bundesrat bewahrt.
Wir wollen ein Steuerabkommen – das will ich hier betonen –, das auf der Basis des FACTA-Abkommens diese Maßstäbe durchsetzt. Wir wollen, dass gerecht Steuern gezahlt werden. Wir wollen auch nicht, dass zu viel gezahlt wird, sondern wir wollen, dass genau das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich genauso wie die Besucher auf der Tribüne an Einkommensteuern und Kapitalertragsteuern auf Sicht zu entrichten haben, gezahlt wird.
Alle Vorwürfe, die Sie uns entgegenschleudern, wir wollten auf Steuer-CDs setzen, sind falsch.
Die Steuerbehörden sollen natürlich jede Fahndungsmaßnahme, die notwendig ist, ergreifen. Aber viel besser wäre ein vernünftiges Steuerabkommen. Dazu waren FDP und CDU/CSU im Bundestag weder bereit noch in der Lage. Daher muss das eine neue Bundesregierung im nächsten Jahr erledigen. Und ich setze da auf europäische Einigkeit. Österreich als letztes Land,
(Christian Lindner [FDP]: Genau! Mit Peer Steinbrück!)
das da noch verblieben ist, wird dann auch dazu gezwungen werden müssen – das sage ich mit aller Deutlichkeit –, diese Maßstäbe anzuerkennen. Das gilt in ganz Europa, und das muss auch für Deutschland und die Schweiz gelten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


2. Runde:

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss eine Sache klarstellen, bei der CDU und FDP, aber auch die Piraten versuchen, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.
Der Unterschied zu 2004 – darauf komme ich gleich zurück – ist: Mit diesem Steuerabkommen wird auch der Vollzug des Abkommens vereinbart, nämlich die Frage: Wer überwacht in der Schweiz den Vollzug des Verfahrens, und wie darf die deutsche Behörde ermitteln? Mit dem Abkommen sollte vereinbart werden, dass die Schweizer Banken – noch einmal: die Schweizer Banken, nicht die deutschen Steuerbehörden – kontrollieren, wer welche Steuern in der Schweiz entrichtet. Die deutschen Steuerbehörden dürfen nur in begründeten Verdachtsfällen und nur 500 bis 700 Fälle pro Jahr an die Schweiz richten. Das ist doch ein vehementer Unterschied. Sie wollten verhindern, dass Steuerbetrug aufgedeckt werden kann! Darum geht es!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
Und es ist beachtenswert, wie man mit dem Gesamtkomplex umgeht. Kollege Möbius sagt, die Steuerberater hätten eine Selbstanzeige empfohlen, weil das „billiger“ sein könnte. – Was ist das denn für ein Verhältnis zum Steuerbetrug? Egal, ob man 100.000 € oder 10 € hinterzogen hat: Hinterziehung ist Steuerbetrug, und das ist zu bestrafen. Welche Herangehensweise ist das denn?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch falsch. Denn die Grundfrage – das hat der Finanzminister hier schon vor Monaten geschildert –, ob weißes oder schwarzes Geld in die Schweiz gegangen ist, ist von hohem Interesse für die Frage, ob es teurer oder billiger ist. 80 % des Geldes, das in der Schweiz von Deutschen investiert wurde, ist nach Schätzungen des Bundes der Deutschen Kriminalbeamten Schwarzgeld. Allein die Zahl „80 %“ muss uns doch alle alarmieren, genauer hinzuschauen und uns nicht hinter irgendwelchen Bundestagswahlkämpfen zu verstecken.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eines kann ich mir – um auf Herrn Hoeneß zurückzukommen – nicht verkneifen hinzuzufügen: Es war gestern Abend schon schwer zu ertragen – nicht das 4:0 –, wie die Honoratioren im VIP-Raum dem Kollegen auf die Schulter klopften nach dem Motto, „Ach, Kollege, da kommst du schon durch“, und wie Schampus getrunken wurde, nachdem man sich durch eine Kaution hat freikaufen können.
(Christian Lindner [FDP]: Das wollen Sie!)
Herr Kollege Möbius, Sie sind ein ganz besonderer Fall. Würde ich Ihre Art und Weise von Politik hier nachspielen, würde ich Ihnen jetzt vorwerfen, dass Sie seit sieben Jahren im Verwaltungsrat des BLB sitzen und insofern nicht mit den Vergehungen in den BLB ziehen ?????????. Das haben Sie eben mit dem Finanzminister gemacht. So machen Sie in der CDU-Fraktion Politik.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Möbius [CDU])
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, zur Wahrheit gehört auch: Es war Ihr Finanzminister, der die hohe Qualität der Betriebsprüfung durch eine PEM-Lösung vernichtet hat, sprich: mehrere Hundert Betriebsprüfer und Steuerfahnder sind 2009 mit hohen Abfindungen in die Pension gegangen, um Steuerberater und anderes zu werden. Das haben Sie zu verantworten.
Trotzdem ist NRW noch dreimal so kräftig bei der Steuerprüfung wie das Bundesland Bayern. Das hat der Oberste Rechnungshof in Bayern den bayerischen Kollegen dreimal hintereinander ins Stammbuch geschrieben und es in den letzten Tagen auch noch als Pressemitteilung veröffentlicht.
Ich stelle für die Fraktion der Grünen fest: Die Verhinderung des Steuerabkommens war der richtige Weg. Das hat nichts damit zu tun, ob wir dieses Jahr 100 Millionen € mehr oder weniger bekommen. Insofern ist es ja schon bezeichnend, dass die Kollegen sowohl von FDP als auch von CDU trotz des abgelehnten Steuerabkommens noch 500 Millionen € zur Konsolidierung in ihre Anträge zum Haushalt 2013 – konkret: ihre sogenannten Haushaltssanierungskonzepte – hineingepackt haben.
(Christian Lindner [FDP]: Haben wir nicht! Erzählen Sie keinen Unsinn!)
Der kleine Mann lacht sich darüber tot, was Sie mit diesen sogenannten Haushaltssanierungskonzepten fabrizieren.
Ich stelle fest: Das Steuerabkommen zu verhindern, war richtig. Jetzt geht es darum, ein neues Steuerabkommen auf den Weg zu bringen.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Dieses neue Steuerabkommen, Herr Kollege Lindner, muss – offenkundig gegen Ihren Willen – dafür sorgen, dass in Deutschland ein automatischer Datenabgleich mit der Schweiz, mit Österreich und auch mit Luxemburg Standard wird, dass das, was die Amerikaner gegenüber der Schweiz durchgesetzt haben, auch wir Deutschen
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
– kommen Sie erst einmal in den Bundestag – mit aller Macht
durchsetzen können, damit Sie und alle anderen unter den gleichen Bedingungen Steuern zahlen wie jeder normal Angestellte in Deutschland auch, dessen Gehalt und sonstige Einnahmen beim Finanzamt gemeldet und nicht etwa einer Zeitung gegeben werden, sondern vom Finanzamt geprüft werden, um die Steuerpflicht festzustellen. Das muss auch für Investitionen in der Schweiz, in Luxemburg und in Österreich gelten. Das haben die Amerikaner uns vorgemacht, und das müssen wir nachmachen. In dieser Hinsicht haben wir entsprechende Initiativen ergriffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Sie wollten den Leuten Sand in die Augen streuen. Wir haben klargemacht, welches der Weg ist. Diese Transparenz muss gelten, und vielleicht wachen die Piraten an der Stelle auch noch einmal auf.
(Beifall von den GRÜNEN)

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