Sigrid Beer: „Die Eltern sollen im November dieses Jahres Klarheit haben, wo sie die Kinder anmelden können“

Gesetzentwurf zur Inklusion an Schulen

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will einmal mit dem Positiven in dem Beitrag von Herrn Kaiser anfangen. Er hat gesagt: Die CDU will die Inklusion.
(Klaus Kaiser [CDU]: Ja!)
Das kann ich nur begrüßen. – Dann begrüße ich vor allen Dingen – das ist auch schon gesagt worden –, dass wir den Gesetzentwurf jetzt im Landtag haben. Das bietet uns nämlich die Gelegenheit, Herr Kaiser, gemeinsam hineinzuschauen und zu lesen. Das ist vielleicht hilfreich. Deswegen freue ich mich sehr auf die Beratungen miteinander,
(Lachen von Klaus Kaiser [CDU])
weil dann offensichtliche Missverständnisse aufgelöst werden können. Deswegen bitte ich alle, die versuchen, Ihren Beitrag nachzuvollziehen, nicht voreiligen Interpretationen aufzusitzen.
Sie müssen sich schon entscheiden, Herr Kaiser, was Sie wollen. Ist dieser Gesetzentwurf jetzt eine Anweisung von oben, die der selbstständigen Schule nicht entspricht, oder ist es auf der anderen Seite keine verbindliche Regelung, sondern alles bleibt ungeregelt? – Da haben Sie hier ja eine große Bandbreite aufgemacht.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
Da werden wir vielleicht ja auch noch zu einer Klärung kommen. Aber so verstehen wir Schule, und so unterschiedlich ist die Ausgangslage in Nordrhein-Westfalen in Regionen, wo wir bereits gemeinsamen Unterricht im Umfang von fast 50 % haben.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. Ich freue mich dann über die Erweiterung meiner Redezeit, Herr Kaiser. Das wäre ganz lieb.
(Zuruf von Petra Vogt [CDU])
Oder machen Sie eine Kurzintervention, dann können wir auch noch eine Runde drehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir Regionen haben, in denen fast 50 % der Kinder schon im gemeinsamen Unterricht in der Grundschule sind, über 30 % in den weiterführenden Schulen, und andererseits Regionen haben, in denen wir noch nicht einmal 20 % der Kinder im gemeinsamen Unterricht haben, dann sieht man, wie unterschiedlich die Ausgangslagen sind und wie dann die Instrumente sein müssen, damit die Inklusion endlich voranschreiten kann.
Trotzdem ist es auch richtig, was die Ministerin und auch die Kollegin gesagt hat: Wir fangen doch nicht bei null an; wir sind in einem Prozess.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
– Herr Kaiser, wollen Sie sich mit mir oder mit meinem Fraktionsvorsitzenden unterhalten? Ich würde gerne klären, ob wir in der Diskussion um Inklusion hier gemeinsam weiterkommen. Das wäre mir sehr, sehr wichtig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist ein Anliegen im Sinne aller: der Kinder, der Eltern, und der Lehrkräfte. – Vielleicht kann ich Sie, Herr Kaiser, auch zum gemeinsamen Filmschauen einladen. Auch das bildet. Sie kennen sicherlich den Film „Berg Fidel“, um zu zeigen, wie Inklusion in Schulen in Nordrhein-Westfalen jetzt schon gelingt.
(Zuruf von Petra Vogt [CDU])
Das ist wunderbar. Dort sehen Sie auch, wie es gelingt und wie man es begleitet und dass man jetzt nicht vor dem Prozess Ängste schüren darf, wie Sie es gerade gemacht haben.
Sie müssen wirklich auch zur Kenntnis nehmen: Als wir am 14. März 2012 den Landtag aufgelöst haben, haben Sie einen Entschließungsantrag vorgelegt mit dem Datum 13. März 2012. Auf diesen acht Seiten, die Sie dort vorgelegt haben, ist eigentlich dieser Gesetzentwurf sehr gut antizipiert worden.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
Wir können das einmal gemeinsam durchgehen, um zu sehen, was dem widerspricht. Was Sie damals gefordert haben, waren Mehrkosten von 30 Millionen €, die vorgelegt und investiert werden sollten. Das haben wir doch bei Weitem übertroffen. Wir haben doch nicht die Hände in den Schoß gelegt
(Klaus Kaiser [CDU]: Es waren 3 Millionen für 2012!)
und gewartet, bis Sie sich einmal bewegen, sondern die Bewegung ist weitergegangen. Wir haben 2.500 Plätze für Fortbildungen eingerichtet.
(Beifall von den GRÜNEN)
Heute gibt es keine Schule in Nordrhein-Westfalen, die sagt, ab dem 1. August wird bei uns gemeinsames Lernen stattfinden, und die keine Fortbildungen bekommt. Die Bezirksregierungen haben das alles im Angebot. Jede Schule kann das in Anspruch nehmen. Wir haben die Studienplatzkapazitäten erweitert. Die Fortbildung der Moderatorinnen mit 300 Personen ist fast abgeschlossen. Das alles ist bereits erfolgt, um die Schulen bei diesem Prozess zu begleiten. Wir haben die 53 Koordinatorinnen, die wir entsprechend vorbereitet haben, die dort sind, wo Bildung gestaltet wird, nämlich in den Bildungsregionen. Das alles ist auf den Weg gebracht.
Herr Kollege Kaiser, wir stellen jetzt zusätzlich zu den 1.148 Stellen, die diese Landesregierung bereits in den Prozess investiert hat, noch 2.000 Stellen bis zum Ende der Legislaturperiode zur Verfügung, und zwar da, wo Sie nichts vorgelegt haben, da, wo bei Ihnen die Dinge auf der Strecke geblieben sind.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben erst mal die Stellenanteile für die integrativen Lerngruppen nachgebessert.
Wenn Sie sich jetzt das gesamte Modell, auch das Modell der Finanzierung, anschauen, dann achten Sie bitte nicht nur auf den Bereich der integrativen Lerngruppen, sondern auf die Gesamtfinanzierung, auf die Unterstützungspakete, die die Landesregierung auf den Weg bringt und die hier beschrieben sind.
Dann wollen wir gemeinsam einen Weg gehen, sorgsam, schrittweise, um den Eltern zu helfen, die jetzt zu Recht fragen, was mit ihrem Kind ist, denn es steht die Entscheidung an, das Kind in den gemeinsamen Unterricht einer Schule oder weiterhin in eine Förderschule zu geben. Die Eltern sollen im November dieses Jahres Klarheit haben, wo sie die Kinder anmelden können, im Februar dann für die weiterführenden Schulen. Das ist unsere Ziellinie.
Das werden wir hier gemeinsam miteinander besprechen. Deswegen ist es mir wichtig, diesen Prozess hier zu beginnen. Es ist wahrhaftig ein guter Tag auf dem Weg zu mehr Inklusion in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und von Eva Voigt-Küppers [SPD])

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