Mehrdad Mostofizadeh: „Ich will es nicht schönreden, was wir hier aus der Haushaltsnotlage heraus machen.“

Antrag der CDU auf Aktuelle Stunde zur Beamtenbesoldung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Witzel hat auf eindrucksvolle Weise wieder deutlich gemacht, um was es ihm bei dieser Debatte geht. Es geht ihm um Schadenfreude, um Nachtreten und um Schlechte-Stimmung-Machen – nicht um die Sache.
(Zurufe von der FDP)
Sie haben sich komplett aus dieser Debatte verabschiedet.
(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Römer [SPD])
Ich belege Ihnen das an einem ganz konkreten Beispiel. Sie haben hier die GEW zitiert und gesagt, was uns mehrfach zugeschrieben wird, dass die Lehrerinnen und Lehrer möglicherweise jetzt nicht mehr die Motivation hätten, die Politik der rot-grünen Landesregierung mit voller Motivation umzusetzen, und haben dann hinzugefügt: Das muss ja nicht schlecht für das Land sein.
Es ist doch entlarvend, was Sie da machen. Sie wollen die Nöte und Ängste der Leute ausnutzen, um Ihre demagogische und völlig ideologisch hintertriebene Politik hier im Landtag zu präsentieren. Darum geht es Ihnen an der Stelle.
(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP- Ralf Witzel [FDP]: Reden Sie doch mal zur Sache!)
– Herr Kollege, eines wundert mich auch. Wir reden heute über die Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamtinnen und Beamten, aber auch auf die Pensionäre. Wie viel Prozent gesteht denn Ihre Bundesregierung den Westrentnern in diesem Jahr zu? 0,25 %. Das ist zehnmal weniger als das, was die Pensionärinnen und Pensionäre bis A10, A11 bekommen, und zwanzigmal weniger als in zwei Jahren. Das ist immerhin noch achtmal weniger als die Leute bis A11. Sind das auch die Besserverdienenden, die geschont werden müssen, die Sie eben noch verteidigen wollten? Sind die auch nicht die Mitte der Gesellschaft?
Um es hinzuzufügen: Ich will es nicht schönreden, was wir hier aus der Haushaltsnotlage heraus machen. Aber wir müssen es schon einordnen. Wenn Sie mit dem Finger auf uns zeigen, was die Übertragung des Tarifergebnisses anbetrifft, dann müssen Sie sich schon anrechnen lassen, was Sie in der Rentenpolitik im Bund präsentieren.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
– Herr Kollege Lindner, was die Strukturveränderung anbetrifft, will ich einmal mit einem Märchen aufräumen, das Sie hier immer präsentieren. Sie behaupten, Sie hätten 14.000 Stellen sozialverträglich im Landeshaushalt abgebaut. Fakt ist aber etwas anderes. Die rot-grüne Landesregierung hat unter Riesenprotesten der schwarz-gelben damaligen Opposition im Jahr 2003/2004 eine Arbeitszeitverlängerung beschlossen, woraufhin 5.000 Stellen in der Zeit zwischen 2005 und 2010 kw-gestellt wurden: 5.000 Stellen sind ohne Ihr Zutun im Landeshaushalt abgebaut worden. Also verbleiben von den 14.000 Stellen noch 9.000 Stellen.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Gleichzeitig haben Sie 11.899 Stellen aufgebaut. Sie haben also nicht abgebaut, schon gar nicht sozialverträglich, sondern 2.500 Stellen neu aufgebaut. Zu glauben, dass man dieser Opposition vertrauen könnte, dass sie Strukturveränderungen erfolgreich vornehmen könnte, ist nicht der Fall.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
– Eines kommt noch hinzu, Herr Kollege Witzel: Sie haben dem Schulhaushalt 2.000 Stellen hinterlassen, die finanziell überhaupt nicht hinterlegt waren. Sie haben bei der Bezirksregierung in Dortmund ein Desaster hinterlassen, was zum Envio-Skandal geführt hat. Das ist Strukturveränderung à la Schwarz-Gelb.
(Beifall von den GRÜNEN)
Weil Kollege Lindner sich gestern bei der Frage der 76 Stellen so gnadenlos blamiert hat, will ich es hier auch noch einmal deutlich sagen: Bei den 76 Stellen im Einzelplan 12 geht es darum, 76 Stellen für jene Dauerarbeitsaufgaben mit echten Stellen zu hinterlegen, die sonst nur durch teurere Leiharbeit geleistet werden kann. Sie haben sich nicht einmal mit dem Haushalt auseinandergesetzt, sondern wieder nur auf Effekthascherei gesetzt, Herr Kollege Lindner.
(Christian Lindner [FDP]: Immer dieses Notenverteilen, furchtbar! Stillos, da sieht man den Unterschied zum Bundestag!)
Kollege Witzel hat eben gesagt, die Beamtinnen und Beamten dürften nicht die Melkkühe der Landesregierung werden. Was haben Sie denn 2003 und 2004 gemacht? Der ehemalige Ministerpräsident und der ehemalige Innenminister haben sich an die Spitze der Demonstrationszüge gesetzt und mit massiver Kraft dagegen gewettert, dass Rot-Grün Weihnachtsgeld reduziert und Urlaubsgeld reduziert haben.
Was haben Sie gemacht, als Sie an der Regierung waren? Schon im allerersten Haushalt haben Sie das Weihnachtsgeld noch weiter reduziert, das Urlaubsgeld komplett gestrichen. Sie sind so etwas von unglaubwürdig in dieser Frage. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufkröpfen können.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Dann kommen wir zu den Haushaltsanträgen. Das hat gestern schon eine Rolle in der Auseinandersetzung gespielt. Da suggeriert Kollege Laumann von der CDU, er könne diese 700 Millionen €, also die 14.300 Stellen, die kompensiert werden müssten, mal so eben aus dem Landeshaushalt rausschneiden und legt ein Konzept vor, das 450 Stellen jährlich erbringt. Sie sind doch blamiert bis auf die Knochen, Herr Laumann.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])
Es kommt noch etwas hinzu, was die Glaubwürdigkeit anbetrifft, Herr Kollege Laumann. Einerseits sagen Sie, Polizei, Lehrer und Bildung seien ausgenommen. Gleichzeitig stellen Sie einen Haushaltsantrag, in dem sie alle wieder drin sind, Herr Kollege Laumann. Was gilt denn nun? Ihr Wort, das Wort von Herrn Optendrenk oder das Wort von Herr Kruse, der zusätzliche Polizei-Einstellungsermächtigungen für den Landesdienst fordert? Sie sind an der Stelle schizophren. Sie sind nicht gradlinig.
(Beifall von Norbert Römer [SPD] und Hans-Willi Körfges [SPD])
Noch ein Wort an die Beamtinnen und Beamten, eben nicht zu den üblichen reflexartigen Auseinandersetzungen zwischen uns. Ich finde es sehr bedauerlich, dass wir diesen Schritt gehen müssen. Ich finde es alles andere als vergnügungssteuerpflichtig, mich in der Familie, im Bekanntenkreis, im Freundeskreis über dieses Thema auseinandersetzen zu müssen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Aber ich stehe diese Debatte durch – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Witzel. Natürlich haben wir im unmittelbaren Familienkreis auch Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben auch Polizeibeamtinnen und -beamte. Das wird allen anderen Abgeordneten nicht anders gehen.
Aber wenn ich vor der Abwägungsfrage stehe, die Struktur des Haushalts wieder ins Lot zu bekommen und dann so wichtige Dinge wie Klassenfahrten und andere Dinge machen zu können, dann muss ich mich entscheiden.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Mit 8 Millionen € ist so etwas nicht zu machen!)
Natürlich hätte ich mich lieber dafür entschieden, aufgrund einer besseren Steuerstruktur, die im Bund gemacht wird, diesen Schritt nicht gehen zu müssen. Aber Sie zwingen uns durch Ihre Politik im Bund, durch das Einschränken der Möglichkeiten der Länder und Kommunen zu diesem Schritt. Deswegen kann ich sagen: Wir verteidigen diesen Schritt erhobenen Hauptes. Wir halten ihn für sozial vertretbar, wir halten ihn in der Gemengelage für einen notwendigen Schritt, der zu gehen war.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)


2. Runde

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll 14/71 vom Oktober 2007:
„Wir haben die unbefriedigende Situation, dass Beamtinnen und Beamte und Tarifangestellte in Teilen die gleiche Arbeit machen. Aber die einen haben eine andere Arbeitszeit als die anderen, und auch die Bezahlung ist unterschiedlich. Ich gebe genauso wie Kollege Möbius zu, es macht mich nicht glücklich – ganz im Gegenteil, es macht mich traurig –, dass wir aufgrund der Haushaltssituation zum jetzigen Zeitpunkt keine andere Möglichkeit finden. Ich habe auch Verständnis für die Enttäuschung der Beschäftigten.
Aber dieser Haushalt bietet keine Alternativen und leider immer noch keine Spielräume, um den von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgehandelten Abschluss 1:1 zu übernehmen.“
Zitat Angela Freimuth.
Eines kann ich noch hinzufügen: Das war das Haushaltsjahr, in dem wir schon über dem Niveau von 2011 lagen, und es war jenes Haushaltsjahr, dem – bis zum Jahr 2012 – das Jahr mit den höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte des Landes – 42 Milliarden € – folgte. Frau Kollegin Freimuth, das im Kontext dessen, was Ihre Kollegen hier heute gesagt haben!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt zu den sogenannten Wahlgeschenken. Wir erzählen uns das ja in jeder Sitzung aufs Neue. Herr Kollege Laumann, Wahlgeschenk 1 aus Ihrer Sicht: die Studiengebühren. – Die Pirouetten mit dem Amtsvorgänger von Herrn Laschet, mit Herrn Röttgen, der deswegen ja auch nicht mal mehr Umweltminister sein darf, lassen wir mal weg. – Aber diese 250 Millionen € haben wir durch die Grunderwerbsteuer gegenfinanziert, genauso wie die 150 Millionen €, die noch für die Kita-Beiträge fehlen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Oder sind Sie für die Grunderwerbsteuer, Herr Kollege Laumann? Das habe ich bis jetzt nicht bemerkt.
Also müssen wir auf Ihre sogenannten Konzepte 450 Millionen € an dieser Stelle und offensichtlich noch 710 Millionen € aufgrund des Tarifabschlusses draufrechnen.
Frau Kollegin Vogt, ich freue mich auf die Nachhilfestunde. Ich lade Sie gerne ein. Ich würde gerne ein bisschen über Haushaltspolitik von Ihnen lernen. Aber, in Ihrem Konzept, das offensichtlich der Kollege Optendrenk erstellt hat, sind auch noch 549 Millionen € Einnahmen aus dem Schweizer Steuerabkommen enthalten.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Jawohl! – Weiterer Zuruf: Nein!)
Dann schreibe ich auch 2 Milliarden € Vermögensteuer in mein Konzept. Damit sind wir dann aber locker 1,5 Milliarden € vor Ihnen.
(Heiterkeit und Beifall von der SPD)
Lieber Kollege Schatz von den Piraten, Sie sind gerade nicht gerügt worden. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Ihr billiger Auftritt hier, den Aufsichtsrat im Parlament zu machen und der Landesregierung vorzuwerfen, uns wären die Kolleginnen und Kollegen „scheißegal“, finde ich einfach schlicht daneben.
Ich kann Ihnen nur sagen: Mir fällt es nicht leicht, meinem Nachbarn, der Polizist ist, meinem Schwager, der Lehrer ist und A13, mittlerweile vielleicht auch A14 bekommt, und den anderen Kolleginnen und Kollegen, deren Dienst ich schätze, Nullrunden aufzuerlegen. Es wäre ja geradezu irre, wenn ich mich nicht um die Lehrerinnen und Lehrer meiner Kinder – alle drei sind schulpflichtig – kümmern würde. Schon aus Eigennutz müsste man auf die Idee kommen, sich in ganz besonderer Weise mit ihnen auseinanderzusetzen. Nicht nur aus Eigennutz, sondern auch, weil ich das für politisch hochgradig notwendig halte, haben wir die Beamtinnen und Beamten und auch die Angestellten im Landesdienst, aber auch in den Kommunaldiensten – darauf habe ich immer großen Wert gelegt – fair zu behandeln. Wir haben sie nicht für unsere politischen Ziele und Ideologien zu missbrauchen. Und das, lieber Kollege Witzel, werfe ich Ihnen am heutigen Tage ausdrücklich vor.
(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Römer [SPD])
Eines will ich noch hinzufügen: Natürlich wäre es mir lieber gewesen, die 710 Millionen € zu übertragen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass man beim Thema „Soziale Staffelung“ noch einiges überlegen kann. Aber so erbärmlich und billig, wie Sie sich heute hier aus der Affäre gestohlen haben, weil Sie mit der Finanzierung dieser Kosten nichts zu tun haben wollen, hat sich noch keine Opposition,
(Werner Jostmeier [CDU]: Doch Sie!)
an die ich mich in diesem Landtag erinnern kann, auseinandergesetzt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nach vorne gerichtet, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es doch so: Ich werde jetzt immer – so ähnlich wie Frau Vogt – wie die Lehrer mit einem roten Stift durch Ihre Konzepte gehen und das wegstreichen, was nicht ehrlich ist und was nicht funktioniert. Aber viel wichtiger ist doch etwas anderes: Wir haben gemeinsam den Menschen hier im Lande deutlich zu sagen, wohin haushaltspolitisch die Reise geht.
Sie halten uns ja immer den Verfassungsgerichtshof vor die Nase. Wir haben das sehr gut verstanden. Ich finde das jetzt ergangene Urteil in der Sache und die Maßstäbe, die angelegt worden sind, einigermaßen hart. Aber Ihre Landesregierung hat acht Verfassungsklagen verloren, und bei drei dieser Verfassungsklagen wurde gesagt, dass Sie die Kommunen massiv über den Tisch gezogen haben, dass Sie anderen in die Taschen gegriffen haben, um Ihre Haushaltskonsolidierung durchzusetzen. Das hat uns noch niemand unterstellen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Insofern bin ich sehr froh, dieser Koalition anzugehören. Ich wünsche der Landesregierung viel Glück und viel Erfolg bei ihrer weiteren Arbeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Haushalt & Finanzen