Andrea Asch: „Wir wollen das Abschmelzen des Ehegattensplittings und die Überführung der Ressourcen gemeinsam mit dem Kindergeld in eine Kindergrundsicherung.“

Antrag der FDP zur Evaluierung der Familienförderung

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Bernhard Tenhumberg, wir haben gerade die Haushaltsberatungen hinter uns. Ich kann nur empfehlen, in den Haushalt zu schauen. Da steht schwarz auf weiß, was die rot-grüne Landesregierung in all diesen Dimensionen, die sie genannt hat, für Familien in Nordrhein-Westfalen tut. Eines geht da auch klar hervor: Es ist deutlich mehr als das, was die schwarz-gelbe Landesregierung, die Vorgängerregierung, jemals getan hat.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Bernhard Tenhumberg [CDU])
Das steht fest. Wir wollen das aber jetzt nicht noch einmal alles wiederholen. Dafür würde meine Redezeit längst nicht ausreichen.
Zum FDP-Antrag: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dieser Antrag geht deutlich an die falsche Adresse. Vergleichen wir die Dimensionen der Leistungen: Es sind immerhin knapp 2 Milliarden €, die im Haushalt für Familien stehen – viel Geld, viele Ressourcen. Vergleicht man das mit den bundespolitischen Leistungen in Höhe von 200 Milliarden €, dann ist das 1 %.
Das hat übrigens auch der damalige CDU-Familienminister so erkannt. Er hat nämlich in der Antwort auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion im Jahre 2006 zur Situation der Familien in NRW geschrieben – Zitat des CDU-Familienministers Laschet –:
„Wir brauchen mehr Transparenz bei den finanziellen Leistungen für Familien. Dafür ist primär die Bundesregierung verantwortlich.“
Und genau so ist es. Sie fordern von der Landesregierung etwas ein, was die CDU-Familienministerin auf Bundesebene nicht auf die Reihe bekommt. Denn genau da wäre es in der Tat angesichts der Unübersichtlichkeit und des Dschungels an familienpolitischen Leistungen zielfördernd, alles auf den Prüfstand zu stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Bernhard Tenhumberg [CDU])
Das hat im Übrigen die Bundesregierung auch erkannt. Sie hat eine Regierungskommission zwischen Finanzministerium und Familienministerium eingerichtet, um diesen gesamten Bereich einmal zu evaluieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Jetzt höre und staune: Der Zwischenbericht dieser Kommission ist da. Der Endbericht liegt auch in den Schubladen. Aber leider ist das Ergebnis nicht so, dass es der Bundesregierung jetzt in den Kram passt.
Die Ergebnisse sind so unbequem, dass die Bundesregierung nicht will, dass das jetzt im Vorwahlkampf in die politische Diskussion kommt. Das ist der Punkt. Deswegen sind bis heute die angekündigten Evaluierungsergebnisse aus dieser Kommission nicht in der politischen Debatte.
(Beifall von den GRÜNEN, Wolfgang Jörg [SPD] und Britta Altenkamp [SPD])
Das ist auch deswegen so, weil die Aussagen im Zwischenbericht sehr eindeutig sind. Da steht nämlich: Viele familienpolitischen Leistungen der Bundesregierung sind nicht produktiv, einige – man höre! – sind sogar kontraproduktiv.
(Beifall von der SPD)
200 Milliarden € lässt es sich der Staat, die Bundesregierung im Jahr kosten. Dennoch geht das Geld in die falsche Richtung und wird nicht zielorientiert eingesetzt. Man sieht es daran: Die Kinderarmut bleibt auf verändert hohem Niveau. Insgesamt profitieren – so auch der Zwischenbericht – die Falschen von diesen familienpolitischen Leistungen. Wir müssen uns nur das Ehegattensplitting anschauen. Knapp 20 Milliarden €, meine Damen und Herren, fließen in diesen Steuervorteil,
(Christian Lindner [FDP]: Das werden Sie nicht verändern! Das ist Verfassungsgebot!)
mit dem vor allen Dingen, Herr Lindner, Ehepaare belohnt werden, insbesondere die Ehepaare,
(Christian Lindner [FDP]: Mit der Verfassung haben Sie offenbar notorische Probleme!)
in dem ein Partner deutlich mehr verdient. Kinder spielen in diesem Konzept des Splittings überhaupt keine Rolle. Es ist sogar so, dass Verheiratete ohne Kinder den Steuervorteil bekommen, während Alleinerziehende, die sich mit den Kindern wirklich durchschlagen müssen – meistens sind es Frauen – überhaupt keinen Steuervorteil von dieser Bundesregierung bekommen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist eine himmelschreiende, familienfeindliche Situation, meine Damen und Herren.
Die gleiche Schieflage haben wir übrigens beim Kindergeld. Das ist immer noch nicht in den Köpfen der Leute angekommen. Arme Familien – vor allem die ärmsten, die Hartz-IV-Familien – profitieren mit keinem Cent vom Kindergeld, wohingegen die Einkommensempfänger von mehr als einer halben Million Euro im Jahr im Vergleich zu mittleren Einkommensgruppen 100 € im Monat mehr haben, weil sie nämlich von der Günstigerprüfung profitieren.
(Christian Lindner [FDP]: Und wer hat es gemacht?)
Das ist die soziale Schieflage der familienpolitischen Leistungen in der Bundesrepublik.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)
Wir Grüne haben konkrete Rezepte, wie man das ändern kann. Wir wollen den Systemwechsel im Familienlastenleistungsausgleich. Wir wollen das Abschmelzen des Ehegattensplittings und die Überführung der Ressourcen gemeinsam mit dem Kindergeld in eine Kindergrundsicherung. Damit bekämpfen wir konkret die Kinderarmut – die SPD hat ein ähnliches Konzept – und verteilen die Mittel gerecht. So erreichen wir Familien, die das Geld tatsächlich brauchen.
Aber statt uns auf diesem sinnvollen Weg zu folgen, führt die Bundesregierung unsinnige neue Geldleistungen ein. Statt einmal Ordnung in diesen Dschungel zu bringen, gibt es jetzt noch das Betreuungsgeld; 1,2 Milliarden € werden zusätzlich obendrauf gelegt. Das ist Ihre Politik auf Bundesebene.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Abgeordnete; Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Andrea Asch (GRÜNE): So wirft man 1,2 Milliarden € aus dem Fenster und schafft Raum dafür, dass viele Familien die Kinderkrippenplätze nicht nutzen, die wir mit viel Geld ausbauen und zur Verfügung stellen.
Der Antrag geht in die falsche Richtung. Wir haben unseren Garten gut bestellt. Sorgen Sie von Schwarz-Gelb dafür, dass der Dschungel auf Bundesebene endlich einmal gelichtet wird.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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