Matthi Bolte: „Die Bundesregierung verschnarcht den digitalen Wandel.“

Antrag der Piraten zum Breitbandausbau

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns wohl einig darüber – das haben die ersten Redebeiträge durchaus gezeigt –, dass der Ausbau der Breitbandinfrastruktur sehr positive volkswirtschaftliche, aber insbesondere auch – das haben alle Vorredner betont – gesellschaftliche Effekte hat. Vor diesem Hintergrund ist es gut und richtig, den Breitbandausbau mit Nachdruck voranzutreiben.
Dieses Ziel verfolgen wir natürlich weiter. Herr Schwerd hat schon die Zielsetzung angesprochen: 2018 bis auf 50 MBit. Im Moment fördern wir den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen mit etwa 7 Millionen € jährlich. Die Ausbaustrategie ist zweigleisig angelegt: zum einen die Herstellung der Grundversorgung und zum anderen die Schaffung der Hochleistungsnetze bis 50 MBit in dem genannten Zeitraum. Daher sind wir sicherlich auf dem richtigen Weg.
Zunächst ist es aber wichtig, einzusehen, dass es auch weiße Flecken gibt. Mein Vorredner hat gerade gesagt, die Realität spiegele sich nicht in den Statistiken wider. Das fand ich interessant argumentiert. Wie soll es denn funktionieren, dass aus einer Statistik keine Realität abzuleiten ist? Darüber müssen wir uns vielleicht später einmal unterhalten.
Ich finde interessant, dass wir aus Berlin stets hören, es gebe keine weißen Flecken mehr. Da habe ich mich immer gefragt: Was sagt denn gerade der Bundeswirtschaftsminister den Menschen hier vor Ort, die sehr wohl bestätigen können, dass es weiße Flecken gibt und dass an diesen weißen Flecken gearbeitet wird? – Dann habe ich mir die Debatte um den Reichtums- und Armutsbericht angeguckt. Herr Rösler hat einfach ein flexibles Verhältnis zur Realität.
(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Sie hören nicht zu!)
Diese aktuelle Lage darf natürlich nicht von den Fehlern der Vergangenheit ablenken. Der Breitbandausbau ist kein Thema, das es seit gestern gibt. Da wurden insbesondere vor 2010 Chancen vertan. Es wurden Fördermöglichkeiten nicht genutzt. Das müssen Sie sich auch durchaus vorwerfen lassen, wenn Sie jetzt ständig bohren.
Es geht aber auch um direkte Veränderungen. Herr Schwerd hat es eben schon angesprochen. Das Haushaltsgesetz ermöglicht es jetzt Kommunen in einer schwierigen finanziellen Situation, den Breitbandausbau voranzutreiben, wenn dort alternative Wege gegangen werden. Das ist ein wichtiger Schritt.
Meine Damen und Herren, es reicht nicht, alleine über Fördermittel zu reden. Es gibt dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Da ist insbesondere der Bund gefragt, einen passenden rechtlichen Rahmen zu setzen für eine Breitbandinfrastruktur, die gesellschaftliche Teilhabe am Internet ermöglicht. Wir haben es mit einem Beispiel dafür zu tun, was wir seit 2009 in aller Konsequenz immer wieder feststellen müssen. Die Bundesregierung verschnarcht den digitalen Wandel. Das ist für eine Gesellschaft im frühen 21. Jahrhundert absolut verheerend.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Deshalb haben wir, SPD und Grüne, im Koalitionsvertrag zwei Maßnahmen verankert, auf die ich kurz eingehen möchte, die eben den Zugang zum schnellen Internet deutlich beschleunigen sollen.
Das eine ist die Absicherung der Netzneutralität. Da waren wir uns lange Zeit eigentlich alle einig, dass das gesetzlich abgesichert werden muss. Aber das, was am Ende ins TKG integriert wurde, ist eben keine durchschlagskräftige und keine eindeutige Absicherung der Netzneutralität. Das wird eine neue Mehrheit im Bundestag nach dem 22.09. anpacken müssen.
Mindestens genauso wichtig ist aber auch unser Vorschlag für eine Breitbanduniversaldienstverpflichtung. Ich finde, die Anbieter müssen stärker als bisher in die Pflicht genommen werden. Vielleicht kommen wir darüber auch noch einmal in eine interessante Diskussion.
Zugang zum Netz – das ist eine zentrale Aufgabe für die Daseinsvorsorge. Es macht einfach Sinn zu sagen: Wenn die Post auf jede Hallig geliefert wird und wenn der Strom auf jede Almhütte kommt, dann brauchen wir robuste gesetzliche Regelungen für die Versorgung mit breitbandigem Internet.
(Beifall von der SPD)
Das war übrigens schon einmal fast erreicht. Die Union im Bundestag war im Zuge der letzten TKG-Novelle schon so weit, einer Universaldienstverpflichtung zuzustimmen. Dann kam die FDP. Mit ihr kam die Mär vom niemals versagenden Markt. Dann hat man sich wahrscheinlich ein paar Mal mit Gurken und Wildtieren verglichen, und dann war der Universaldienst vom Tisch. Das ist schade.
Meine Damen und Herren, wir werden hier in Nordrhein-Westfalen den Breitbandausbau mit Nachdruck vorantreiben. Wir werden insgesamt den digitalen Wandel als Chance für unsere Gesellschaft und als Chance für alle gesellschaftlichen Bereiche gestalten. Das ist unser Auftrag als heute in Verantwortung stehende Politikerinnen und Politiker. Diesem Auftrag werden wir hier in Düsseldorf auch gerecht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)