Reiner Priggen: „Voodoo ist seriöser als Anträge von der FDP“

Haushalt 2013

Reiner Priggen (GRÜNE): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Christian Lindner, Sie müssen sich keine Sorgen machen, wie ich meine Reden vorbereite. Ich beschäftige mich vorher schon etwas länger damit. Ich habe nur die Angewohnheit, Ihnen und den anderen, die vor mir reden, sehr konzentriert zuzuhören. Das halte ich auch für einen Akt der Höflichkeit. Aber ich sage Ihnen auch: Ich habe mir ganze zwei Notizen zu dem gemacht, was Sie gesagt haben. Die will ich Ihnen jetzt auch nicht vorenthalten.
Das Erste ist mit einem Fragezeichen „Iffland-Ring“. Der Iffland-Ring ist die Auszeichnung für den würdigsten und bedeutendsten Bühnenkünstler im deutschsprachigen Raum. Fragezeichen heißt: Ich bin mir nicht sicher, ob Sie ihn verdienen. – Aber das, was Sie hier permanent machen, hat wenig zu tun mit den Problemen des Landes, sondern ist eine reine Showveranstaltung. – Das ist die eine Notiz.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Auch die zweite Notiz, die ich gemacht habe, will ich Ihnen nennen. Sie haben eben gesagt: Die SPD ist die Partei, die alle Lasten auf die Zukunft verschiebt. – Das ist genau die billige Nummer, mit der Sie Politik machen. Sie tun so, als ob Sie noch nie in irgendeiner Regierung Verantwortung gehabt hätten, als ob Sie als FDP und auch Sie persönlich noch nie in irgendeiner Regierung Schulden aufgenommen hätten. Es sind immer die anderen gewesen. So bedienen Sie billige Klischees und drücken sich – das ist aber Ihr Markenzeichen – vor der eigenen Verantwortung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Uns, den Fraktionen von Sozialdemokraten, den Fraktionen von Grünen, ist sehr wohl klar, wie bedrohlich die finanzielle Situation in den Kommunen, im Land ist und auch, dass der Bund nicht rosig dasteht.
Ich habe das beim letzten Mal schon gesagt: Ich werde am Ende dieser Legislatur 17 Jahre Koalitionsausschuss Sozialdemokraten/Grüne in Nordrhein-Westfalen mitgemacht haben, 17 Jahre Verantwortung mitgetragen haben. Wir haben 17 Jahre lang jedes Jahr neue Schulden aufgenommen. Das wissen wir.
Ich habe auch gesagt: Jeder von Ihnen, CDU oder FDP, der jemals hier oder im Bund Verantwortung hatte, könnte nichts anderes sagen, nichts anderes.
Wenn Sie sagen: „Der Bund bereitet vor, dass nach der Bundestagswahl keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden“, muss man darauf hinweisen: Das wäre das erste Mal nach 44 Jahren. Insofern besteht für Großkotzigkeit – um es wirklich böse zu sagen –, für Übermut null Anlass an der Stelle.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich habe den Eindruck: Wir haben zwei Fraktionen, die sehr hart arbeiten, die sich bemühen, in einer schwierigen Situation den Karren zu ziehen. Ich weiß, was Koalitionsarbeit heißt. Ich kenne das aus vielen Dialogen. Wir sind nicht eine Partei – dann könnten wir fusionieren –, wir sind zwei Parteien. Also ringen wir manchmal auch miteinander um Sachen. Das tragen wir aber vernünftig miteinander aus. Das gehört dazu. Aber es wird hart gearbeitet.
Mein Eindruck nach den beiden verantwortungslosen Debattenbeiträgen von Herrn Laumann und von Herrn Lindner ist:
(Christof Rasche [FDP]: Respektlos!)
Es gibt zwei Fraktionen, die machen uns hier das Kunststück vor, wie man mit zwei toten Pferden, zwei toten Gäulen den Karren zieht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
– Ja, ja, die Kritik müssen Sie sich jetzt schon gefallen lassen.
Ich bin an der Stelle schon – um das ganz klar zu sagen – etwas angefressen über die Art, wie Sie mit den realen Problemen, die wir im Haushalt haben, umgehen, wie verantwortungslos Sie das darstellen.
CDU und FDP haben immer zwei Vorschläge herausgestellt; das sind die beiden toten Pferde.
Bei einem Vorschlag geht es um die 249 Millionen € Studiengebühren, die Sie wieder einführen wollen, haushaltswirksam noch dieses Jahr. Das geht fachlich nicht; denn Sie hätten dazu ein Gesetz einbringen müssen. Wir hätten dem nicht zugestimmt – um das zu sagen. Aber Sie müssten es einbringen, um draußen wirklich deutlich zu machen, dass Sie das wollen. Aber dieses Gesetz könnte gar nicht mehr wirksam werden, wenn Sie es demnächst noch einbrächten. Sie müssten das ja bis zum Sommer absolviert haben. Sie machen das also aus reinem Populismus. Sie machen es wissend, dass, nachdem Sie in Bayern – an der Stelle FDP und CSU – die noch dieses Jahr abschaffen, die Studiengebühren in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft sind. Das heißt, es gibt dann keine Studiengebühren mehr.
Ich könnte Ihnen jetzt eine Seite mit Zitaten vorlesen. Herr Laumann, es gibt diesen berühmten Lothar-Hegemann’schen Taumelkäfer. Der hat zwei lange Fühler, geht immer auf eine bestimmte Weise durch den Raum. Dann stößt er irgendwo an und ändert den Kurs. Genau das haben Sie persönlich auch bei den Studiengebühren gemacht. Ich könnte es Ihnen vorlesen:
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Für Studiengebühren – gegen Studiengebühren – wir führen sie nicht wieder ein – jetzt erzählen Sie es wieder. – Dann bringen Sie das Gesetz auch ein, damit alle im Land auch genau wissen, wohin Sie wollen. Sie machen das auch an anderen Stellen. Ich komme gleich noch darauf.
Dann haben beide vorgeschlagen – die CDU sogar mit einer Einnahmeerwartung für dieses Jahr –: Einnahmen aus Steuerabführungen der Schweiz mit 569 Millionen €. Dieses Jahr! Etwas Unseriöseres habe ich hier in der Haushaltspolitik noch nie gehört.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Um es ganz klar zu sagen: Ich bin, wir sind überhaupt nicht gegen ein Steuerabkommen mit der Schweiz –
(Christian Lindner [FDP]: Eben!)
aber dann mindestens zu den gleichen Konditionen wie bei den Amerikanern: volle Transparenz und nicht dieses Schweizer Modell der illegitimen Bereicherung am deutschen Staat auch noch sanktionieren. Das ist der entscheidende Punkt!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
– Herr Lindner, ich weiß, die FDP hat diese Einnahmen erst für 2014 eingetragen – weil Sie mit Steuersündern ja notorisch etwas nachsichtig sind. Insofern kommt das bei Ihnen ein Jahr später. Trotzdem kann es doch nicht sein, dass das die Finanzierungsvorschläge der CDU für den Haushalt dieses Jahres sind. Was soll man denn damit machen?
Herr Laumann, der nächste Taumelkäfer: Sie sind heroisch gegen das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr. Aber Sie fordern als CDU gleichzeitig ein beitragsfreies kostenloses Vorschuljahr. Drittes Kindergartenjahr, Vorschuljahr – das ist in der Sache das Gleiche, das sind die gleichen Kinder. Und das kriegen Sie nicht für 150 Millionen €. Insofern: Was soll das?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Lassen Sie mich einen kleinen Exkurs machen. Das Bemerkenswerte an den beiden Reden von Herrn Laumann und Herrn Lindner war doch eigentlich das, was sie nicht gesagt haben. Man möge sich mal vorstellen, Ute Schäfer hätte gestern nach den Meldungen aus allen nordrhein-westfälischen Kommunen bilanzieren müssen: Wir haben leider nur 120.000 U3-Plätze. – Was meinen Sie, was wir hier für Reden erlebt hätten?
(Zuruf: Die waren schon geschrieben!)– Die waren mit Sicherheit schon geschrieben.
Und jetzt sieht die Situation in dem Bereich folgendermaßen aus: 2011 lag die Ausbauleistung bei 12.237 Plätzen, 2012 bei 16.178, und durch die unglaublichen Anstrengungen kommen zum 1. August 2013 noch 27.804 U3-Plätze dazu – gemeldet von den einzelnen Kommunen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen auf einmal Schweigen – kein Dankeschön, keine Anerkennung, das würde auch schwerfallen –, weil 144.883 U3-Plätze erreicht sind. Das entspricht einer Versorgungsquote von einem Drittel.
Wir wissen, dass damit nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Man erlebt es selber, wenn man in einem Alter ist, in dem man absehbar Großvater werden könnte und sich darauf freut. Man erlebt seine Patenkinder, die junge Eltern geworden sind. Die Frauen und die Männer wollen wieder arbeiten. Der Bedarf ist also vorhanden.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir für unsere Kinder nach einem Kindergartenplatz gesucht und die Betteltour gemacht haben, wo wir sie unterbringen können. In dem Bereich besteht der Rechtsanspruch seit Langem.
Jetzt gibt es ihn auch für U3. Wenn wir wollen, dass junge Frauen – meistens sind sie betroffen –, aber auch junge Männer, die sich zeitweise der Kindererziehung widmen, wieder in den Beruf gehen, dann müssen wir diesen Prozess weiterführen. Dazu gibt es keine Alternative. Dann müssen Sie uns nicht kritisieren, dass wir in den Bereich Geld hineinstecken.
Ich sage ganz ehrlich, Ute, dass ich manchmal auch gedacht habe, als wir um mehr Geld gerungen haben, ob es noch so viel mehr sein muss. Jetzt sage ich: Respekt für die Arbeit, die ihr in der Taskforce geleistet habt! Respekt auch für die Fachpolitikerinnen, die das unterstützt haben! Das ist der richtige Weg. Und wir gehen ihn konsequent weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn die beiden Fraktionen, die sonst immer kritisieren, nun schweigen, dann spreche ich ein klares Dankeschön an Dich und auch an die Kollegen und Kolleginnen im Haus aus, die nachgehakt haben, damit der Prozess weiter vorangeht.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dann will ich auf den Vorschlag der CDU eingehen, alle Programme des Landes und die freiwilligen gesetzlichen Leistungen pauschal um 4 % zu kürzen, fünfmal hintereinander 20 % einzusparen, 580 Millionen € Einsparvolumen. Das ist eine Überlegung, der man punktuell nähertreten könnte. Aber die Pauschalität, in der Sie das machen, während Sie uns gleichzeitig angreifen, dass unsere Kürzungen im Kulturbereich und anderswo in Höhe von 150 Millionen € völlig unangemessen seien, ist doch unehrlich.
(Beifall von den GRÜNEN und Heike Gebhard [SPD])
Dann müssen Sie Ross und Reiter nennen und sagen, wo genau gekürzt werden soll. So geht es nicht. Pauschal mehr als eine halbe Milliarde vorzusehen, ist jedenfalls aus meiner Sicht nicht seriös.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie so viele Änderungsanträge eingebracht haben. Es ist auch nicht alles falsch. Dabei ist eine Reihe von Punkten, die man sich sehr sorgfältig ansehen muss, die man prüfen kann. Aber es sind auch viele Dinge darunter, die vorne und hinten nicht zusammenpassen, wenn man korrekt nachrechnet.
Zum nächsten Vorschlag: Schulverwaltungsassistenten. Es ist vom Prinzip her nicht falsch, zu überlegen, Lehrer und Lehrerinnen, die 50.000 € im Jahr kosten, durch Schulverwaltungsassistenten zu ersetzen, die 30.000 € kosten. Genau das haben Sylvia Löhrmann, Sigrid Beer und ich uns in Finnland angeguckt. Dort werden diese Leute eingesetzt und arbeiten sehr gut im Kollegium mit.
Wenn man aber das möchte, was Herr Laumann aufgeschrieben hat, nämlich 300 Millionen € bis 2017 einsparen, dann muss man 15.000 Lehrer durch 15.000 Schulverwaltungsassistenten ersetzen, jedes Jahr 3.000. Herr Laumann, da sind wir vertragstreuer als Sie. Wir haben mit Ihnen zusammen ein Gesetz gemacht und Regelungen vereinbart, wie wir in den nächsten Jahren mit den Schulen umgehen: mit dem Personalschlüssel in den neuen Sekundarschulen, mit den Klassengrößen. Dazu brauchen wir einige Jahre lang demografische Gewinne. Dann können wir nicht in einem solchen Ausmaß umschulen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das spricht nicht gegen den Grundversuch, aber auf jeden Fall gegen die unseriöse Darstellung von 300 Millionen € Einsparungen.
Ich will noch einen Satz zu den Apothekern und den PTA sagen – eben ist wieder so getan worden, als ob dadurch die Welt unterginge –: Es kostet jede Apotheke im Jahr 290 €, um die Ausbildung zu finanzieren. Das ist ein Betrag, den eine Apotheke aufbringen kann.
Die Grundunterschiedsmelodie zwischen Ihnen und uns – auch bei den Studiengebühren, um das ganz klar zu sagen – ist: Wir sind dafür, dass jemand studiert, eine gute Ausbildung macht, auch gutes Geld verdient und dann ordentlich Steuern zahlt. So soll der Weg sein.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Der Apotheker zahlt einen höheren Steuersatz, aber wir belasten nicht diejenigen, die am Anfang stehen, mit Studiengebühren und anderen Dingen.
(Beifall von den GRÜNEN und Heike Gebhard [SPD])
Ich habe vorhin gesagt: Es gibt zwei Fraktionen, die an der Stelle das tote Pferd vor den Karren spannen wollen, und zwei Fraktionen, die sich sehr sorgfältig und sehr engagiert mit viel Arbeit bemühen, den Haushalt auch in einer schwierigen Situation hinzubekommen.
Weil mich Herr Dr. Paul ansieht: Es gibt eine weitere Fraktion, die zehn Monate hier ist, die eine gewisse Facette an Themen abdeckt, die an bestimmten Stellen Vorschläge macht, über die wir auch diskutieren; wir werden nachher auch einem Vorschlag zustimmen.
Ich will mich aber gerne auf die beiden konzentrieren, die im Bund Verantwortung tragen, die hier lange verantwortlich waren und immer so tun, als ob alles ganz anders sei, nur weil sie nicht mehr in der Verantwortung stehen. Deswegen liegen die beiden im Fokus.
Unsere Haushaltssituation – das ist uns selber klar – ist nicht schön, was die Schuldenaufnahme angeht; ich habe es eben schon geschildert. Aber seitdem wir in der Minderheitsregierung tätig waren – wir verabschieden heute den vierten Haushalt –, gibt es eine fallende Linie.
Die Neuverschuldung betrug 6,5 Milliarden € im Jahr 2010, 4,8 Milliarden € in 2011, 4,3 Milliarden € in 2012, und für dieses Jahr stehen 3,4 Milliarden € im Ansatz. Das Ergebnis hat sich jedes Mal noch deutlich verbessert, weil die Haushaltsführung sparsam war. Auch in diesem Jahr ist es das Ziel, deutlich besser zu werden.
In der mittelfristigen Finanzplanung von Finanzminister Linssen, CDU, lag die Neuverschuldung 2010 bei 6,7 Milliarden €, 2011 bei 6,7 Milliarden €, 2012 bei 6,6 Milliarden € und 2013 bei 6,5 Milliarden € – nicht bei null.
Ich weiß, dass die Steuereinnahmen – zum Glück! – besser geworden sind. Aber das, was wir zusätzlich in den Haushalt geben, bei rund 2 Milliarden € Mehrausgaben, ist fast zu 99 % gesetzlich begründet und notwendig. Es sind durchlaufende Bundesmittel. Das erhöht den Etat, was an der Stelle auch in Ordnung ist. Es sind viele Millionen für die Versorgung, für die Beihilfen, für die Pensionen.
Bei den Kommunen haben wir allein in diesem Haushalt 413 Millionen € zusätzlich eingestellt. Damit – auch die Anmerkung sei gestattet – bezahlen wir unter anderem die Verfassungsklagen, die Sie verloren haben, weil Sie den Kommunen das Geld weggenommen haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das Verfassungsgericht ist eine wichtige Einrichtung, es korrigiert uns Politiker immer wieder. Sie aber haben acht Verfassungsklagen in fünf Jahren verloren und sollten vorsichtig sein, mit dem Finger nur auf andere zu zeigen. Wir müssen die Entscheidung hinnehmen. Ich sage Ihnen: Wir sind besser geworden. Gegen den 2012er-Haushalt haben Sie schon nicht mehr geklagt. Ich glaube auch nicht, dass eine Klage gegen den 2013er erfolgreich wäre. Insofern muss man die Konsequenzen daraus ziehen.
Wir haben dieses Jahr also rund 413 Millionen € mehr, die wir an die Kommunen ausschütten können. Wir haben im Bereich der Hochschulen, weil wir den doppelten Abiturjahrgang haben, 175 Millionen € zusätzlich: für das BAföG und – 109 Millionen € – für andere gesetzliche Verpflichtungen. Das sind alles Sachen, die wir leisten müssen.
530 Millionen € haben wir extra für den doppelten Abiturjahrgang. Fairerweise eingestanden: Die Hälfte kommt vom Bund. Es sind aber auch 265 Millionen €, die wir als Land aufbringen. Auch das sind zusätzliche Mittel, die wir an der Stelle abdecken.
Außerdem haben wir 112 Millionen € für den Aufwuchs bei den U3-Plätzen. Das habe ich eben schon mal erzählt.
Wir haben 150 Millionen € Einsparungen. Ich kann mich noch gut an die Beifallsorkane seitens der CDU und anderer für jeden einzelnen dieser Einsparvorschläge erinnern. Die Kritik ist zum Teil sehr massiv und unangemessen. Ich will nur eine einzige erwähnen. Kulturstaatsminister Bernd Neumann, CDU, Berlin, hat wegen 2 Millionen € Einsparungen bei den Denkmalpflegemitteln gesagt – ich zitiere –: „Letztlich schädigen die Kürzungen das Ansehen Deutschlands als Kulturnation.“ Geht es auch ein bisschen kleiner? 2 Millionen € Einsparungen schädigen das Ansehen Deutschlands als Kulturnation – wenn in der Art auf jede Einsparung reagiert wird, darf man sich nicht wundern, dass wir keine Chance haben.
(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Römer [SPD])
Dann, Herr Kollege Laumann, will ich doch noch mal zu dem Taumelkäfer kommen. Bei Herrn Goebels – seriöse Quelle – ist von Ihnen zu lesen – Zitat –:
„Man kann den Haushalt nicht sanieren, wenn man das Problem nicht löst, dass 40 % des Haushalts für Personalkosten aufgewendet werden.“
Karl-Josef Laumann! Und in den letzten Tagen sagen Sie: Die CDU ist dafür, dass der Tarifabschluss eins zu eins übernommen wird. – Dann frage ich mich natürlich, wie die CDU den Personalabbau denn erreichen will. Dann kommt sie mit dem originellen Vorschlag: 1,5 % jährlich auf alle Stellen. Ich habe mir eben den Antrag angeguckt, der von Ihnen noch gekommen ist. Darin ist die Ausnahme nicht mehr enthalten. So raffiniert sind Sie ja. Öffentlich haben Sie gesagt: Mit Ausnahme folgender Bereiche: Schulen 160.000 Stellen, Polizei 50.000 Stellen …
(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])
 – Die sind ja ausgenommen. Ich nenne nur die Zahlen, damit man sich ein Bild macht, auf welchen Nucleus Sie die Einsparungen konzentrieren wollen.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das muss man doch zusammen betrachten!)
Justiz 30.000, Finanzen 25.000! Dann verbeiben in allen Ministerien – und die Zahl ist klein – zusammen 4.462 Stellen. Es verbleiben in den fünf Bezirksregierungen knapp 7.000 Stellen. Dann gibt es noch Eichämter, Forstverwaltungen und anderes.
Das heißt, mit 1,5 % Einsparungen in diesen Bereichen – das sind rund 30.000 Stellen im ganzen Land – wollen Sie den Haushalt sanieren. Da reden wir über 450 Stellen pro Jahr – mehr nicht. Das ist nicht zu schaffen. Wir können den Haushalt nicht sanieren, indem wir Zehntausende von Leuten entlassen.
Außerdem haben Sie vergessen, dass wir über das Land 116.000 Personen in den Hochschulen bezahlen. Und wir wissen: Im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs können wir in den Hochschulen nicht Tausende von Stellen einsparen.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Wenn das alles so ist, dann ist das, was Sie an der Stelle gemacht haben, in keinem Fall seriös.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Jetzt haben wir – und da machen Sie sich einen schlanken Fuß – einen Tarifabschluss mit 2,65 % für 2013 und 2,95 % für 2014. Das verursacht bei einer Eins-zu-eins-Übernahme, Herr Laumann, Kosten für die Angestellten in Höhe von 355 Millionen €, für die Beamten in Höhe von 640 Millionen € und für die Pensionäre in Höhe von 320 Millionen €. Das heißt in toto: 1,32 Milliarden € müssten wir Ende 2014 aufgebracht haben, um den Tarifabschluss eins zu eins zu erwirtschaften.
Ich sage Ihnen: Wir können das nicht! Es ist kein böser Wille. Es ist schöner, wenn man jedem, der arbeitet, sagen kann: Du bekommst auch eine Erhöhung. – Aber wir können es nicht an der Stelle. Wir müssten die Neuverschuldung noch mal um 700 Millionen € erhöhen oder, Herr Laumann, 14.000 Stellen streichen. Das geht nicht! Auch Sie liefern keinen Beleg dafür, wie das gehen soll. Deswegen ist Ihre gesamte Argumentation aus meiner Sicht nicht korrekt.
Ich will gerne noch ein paar Worte zur FDP sagen, weil die FDP die Anträge, die die CDU hat, was die Studiengebühren angeht, was die Schweiz angeht, ebenfalls stellt. Es gibt einen Antrag, der meines Erachtens den ganzen ökonomischen Voodoo, den die FDP immer wieder über Begriffe veranstaltet, deutlich macht, und zwar ist das der Antrag mit dem Entfesselungsimpuls.
(Heiterkeit von den GRÜNEN)
Ich habe es früher schon einmal gesagt: Es gibt Sekten, die haben einen eigenen kodierten Sprachgebrauch und erkennen sich gegenseitig an diesen Codes. Alle anderen verstehen das nicht, aber für die FDP ist Entfesselungsimpuls etwas, bei dem sie ganz glücklich gucken und strahlen, denn sie wissen, was gemeint ist. Aber einen derart lächerlichen Antrag zu stellen, 25 Millionen € Einnahmen in diesem Jahr zu fordern und zugleich die Landesregierung zu beauftragen, die entsprechenden Schritte zur Entlastung der Wirtschaft einzuleiten:
(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Liebe Leute, da ist Voodoo seriöser als Anträge von der FDP.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und das bleibt ja nicht bei den 25 Millionen €. Das ist ja aufwachsend: 70 Millionen, 85 Millionen, 100 Millionen! Ich frage mich: Warum haben Sie nicht viel früher entfesselt? Warum entfesseln Sie nicht im Bund?
(Christian Lindner [FDP]: Haben wir doch!)
– Nein! Jetzt kommen wir genau an die gleiche böse Stelle, die eben schon Herr Römer angesprochen hat. Sie Entfesselungskünstler sind im Bund gerade dabei, reihenweise industrielle Projekte hier im Land kaputtzumachen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das sagen ausgerechnet Sie!)
– Ja, ausgerechnet ich! Gehen Sie mal ein paar Meter weiter zu den Stadtwerken Düsseldorf und fragen Sie den Vorstand, ob er vor wenigen Tagen ein Projekt im Volumen von 50 Millionen € hat kippen müssen, weil Sie die Rahmenbedingungen dafür gefährden. Und das tun Sie in bösartigster Weise mit Ihrer Energiepolitik in Berlin, dass solche Projekte jetzt reihenweise kaputtgehen.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Und Sie machen das mit Absicht! Ich kenne viele dieser Projekte.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie brauchen heutzutage, wenn Sie einen Windpark bauen, drei bis vier Jahre. Ein Windpark mit zehn Windrädern liegt heute bei 50 Millionen € Investitionsvolumen. Eine Bundesregierung, die ankündigt, dass sie rückwärts die Einspeisekonditionen verschlechtern will, die bricht Wort. Das ist wirklicher Wortbruch, weil Leute auf diese gesetzlichen Zusagen vertraut haben.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Sie sind eine Partei, die das rückwärts kaputtmachen will und nach vorne kein anderes Ziel hat, als genau diese Investitionen abzuwürgen, gleichzeitig aber in der Bundesregierung ist und sagt: Wir machen die Energiewende, wir tragen die Klimaschutzziele mit. – Das ist nicht entfesseln, das ist auch nicht einmal mehr fesseln, das ist ganz gezielt das Kaputtmachen von Bereichen, die sich hervorragend entwickelt haben. Das ist Ihre Strategie.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Sigrid Beer [GRÜNE]: Christian Houdini! – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Herr Kollege Lindner, aber was will ich von einer Partei erwarten, die in bösartigster Tradition von Verhältnissen, die weit im Osten geherrscht haben, ausgeht und Wahrheiten nicht mehr ausdrücken lassen will?
Es gab ein Desaster um den Armutsbericht der Bundesregierung. Da stand drin: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.“ Da stand auch drin: „Die Einkommensspreizung hat zugenommen.“
(Christian Lindner [FDP]: Stimmt ja nicht!)
Veto: Rösler, FDP. Jetzt steht drin: „Die Ungleichheit der Einkommen nimmt derzeit ab.“
(Christian Lindner [FDP]: So ist es! Seit 2006 stimmt das! – Dietmar Bell [SPD]: Selektive Wahrnehmung! – Weitere Zurufe von der SPD)
Das ist die FDP. So macht sie sich die Wahrheit zurecht, und so unterdrückt sie das, was tatsächlich passiert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Letzte Anmerkung zur FDP – das verspreche ich –: Herr Rösler, der Bundesvorsitzende der FDP – ich habe eben den stellvertretenden Bundesvorsitzenden gehört, herzlichen Glückwunsch zum neuen Arbeitsauftrag –,
(Christian Lindner [FDP] nickt.)
hat gesagt, man solle keinen Verbotsantrag für die NPD stellen, denn man könne Dummheit nicht verbieten. Ich lese jetzt die ersten Sätze aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor, in denen sich Michael Bertrams, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, dazu äußert:
„‚Dummheit kann man nicht verbieten‘, sagt der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler und begründet damit die ablehnende Haltung seiner Partei zu einem NPD-Verbotsantrag. Doch diese Begründung verkennt das Problem, diese Begründung ist abwegig.
Beim NPD-Verbotsantrag geht es nicht um das Verbot von ‚Dummheit‘, sondern darum, einer Partei das Handwerk zu legen, deren neonazistische Programmatik ganz wesentlich von Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit geprägt ist und die darauf zielt, die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Landes zu beseitigen. Eine solche Programmatik ist nicht „dumm“, eine solche Programmatik ist menschenverachtend, demokratiefeindlich und verfassungswidrig.“
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Sie können über die Aussicht eines Verbotsantrags streiten – das ist in Ordnung –,
(Christian Lindner [FDP]: Das ist doch ein Grund!)
aber die Qualifizierung der NPD als „dumm“ missachtet in ganz grober Weise, was angerichtet worden ist. In NRW ist jemand durch die NSU umgebracht worden. Das kommt aus dem Sumpf. Das wollen Sie nicht wahrhaben. Deswegen hat sich Ihr Bundesvorsitzender da disqualifiziert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Sie hätten das eben als stellvertretender Bundesvorsitzender klarstellen und dazu ein klärendes Wort sagen können.
Ich kann den beiden Fraktionen, die die Bundesregierung stellen, Folgendes nicht ersparen: Wir können uns in den nächsten Jahren anstrengen. Was wir jetzt mit dem Haushalt gemacht haben, wird nicht das Ende sein, sondern wir werden in der weiteren Arbeit da noch mehr tun müssen – auch mit Blick auf die Einsparungen. Das wird nicht einfach sein; das ist uns klar.
Aber klar ist doch auch: Die strukturelle Benachteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen vor allen Dingen im Verkehrsbereich ist mittlerweile auch durch die Industrie- und Handelskammern sowie die Wirtschaftsverbände anerkannt.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Auch sie sagen, dass NRW mit 500 Millionen € pro Jahr unterfinanziert sei. Wir werden darum kämpfen müssen, unsere hervorragende bestehende Infrastruktur zu erhalten und minimal – dafür ist kaum Geld da – auszubauen.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Dazu gibt es auch bei der Industrie die Erkenntnis, dass der Bund an dieser Stelle dieses große Transitland entsprechend der Notwendigkeiten und dem Königsteiner Schlüssel nicht ausreichend unterstützt. Da hätten Sie Unterstützung leisten sollen, haben das aber nicht getan.
(Ralf Witzel [FDP]: Sie verhindern doch jedes neue Verkehrsprojekt! Das ist doch absurd!)
Folgendes will ich ganz klar sagen: Es wird notwendig sein, im Bund den Soli Ost in eine Regelung zu überführen, die nicht mehr an Himmelsrichtungen, sondern tatsächlich an Notwendigkeiten gebunden ist.
Heute las ich in der Agenturmeldung von Herrn Lindner die Kritik daran, dass in NRW überproportional vor allem Schulden in den Kommunen bestünden. Das hat mit lang anhaltenden Strukturproblemen in Nordrhein-Westfalen zu tun. Bei uns sind vor allen Dingen im Ruhrgebiet und im Bergischen Dreieck etwa 1,5 bis 2 Millionen Arbeitsplätze in einem ganz langen Strukturwandel verlorengegangen.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Damit haben wir zu kämpfen. Dafür brauchen wir Unterstützung und keine Minderbeteiligung an dem, was der Bund ansonsten für Länder in Süddeutschland macht.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich will etwas sagen, das meine Fraktion vielleicht erstaunt, weil ich viele Jahre lang Energiepolitik gemacht habe. Für mich ist bei der Bundestagswahl nicht die energiepolitische Frage ganz entscheidend, sondern für mich ist diese Bundestagswahl – sie wird für uns wichtig sein – eine ganz entscheidende Auseinandersetzung um die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Das ist der entscheidende Punkt.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich sage ehrlich: In der Bundesregierung Schröder/Fischer ist Hartz IV beschlossen worden; auch andere Reformen sind gemacht worden wie die Zusammenführung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe. Das war richtig.
(Beifall von Eva Voigt-Küppers [SPD])
Andere Sachen sind nicht gemacht worden. Man kann solche Reformen machen. Man kann von Menschen Opfer verlangen, wenn man gleichzeitig klarmacht, dass sie sozial, gerecht und ausgewogen sind und dass die, die ein breiteres Kreuz haben, mehr tragen. Das haben wir in der Bundesregierung nicht gemacht. Wir haben den Spitzensteuersatz gesenkt, der unter Kohl noch viel höher war. Wir müssen an diesen Stellen korrigieren, weil wir sonst die vor uns liegenden Zukunftsaufgaben nicht hinbekommen.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir Sie in der Bundesregierung ablösen und dass tatsächlich in Berlin ein anderer Wind weht, der uns bei dem Bemühen unterstützt, die Schuldengrenze 2020 einzuhalten und die Neuverschuldung wie in den letzten vier Haushalten jedes Jahr weiter zu verringern.
(Zuruf von der FDP: Ein Ostwind!)
Ich kann mich nur bei beiden Fraktionen für die Zusammenarbeit in den letzten Jahren bei der Haushaltserstellung bedanken. Wir werden genauso weitermachen. Ich will auch ein Dankeschön in Richtung Regierung sagen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Häusern danken. Es ist eine schöne Aufgabe. Sie ist nicht immer einfach. Sie wird auch nicht immer Lob geben. Aber wir machen sie, während andere sich davor drücken. – Herzlichen Dank und Glück auf!
(Langanhaltender lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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