Oliver Keymis: „Wir wollen in Deutschland keine italienischen Verhältnisse beim Rundfunk“

Antrag der FDP zu Rundfunkbeiträgen

Oliver Keymis (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nückel, es wird Sie nicht verwundern: Meine Fraktion sieht die Sache ganz anders. Ich halte es auch, ehrlich gesagt, schon für ein tolles Ding, dass Sie uns hier auffordern, so schnell wie möglich die Verfassungsmäßigkeit unseres eigenen Beschlusses überprüfen zu lassen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
16 Landtage haben den Rundfunkbeitrag beschlossen. 16 Anhörungen haben stattgefunden. Alle sind befragt worden, mit allen ist diskutiert worden. Der Prozess hat Jahre gedauert. Vor diesem Hintergrund greift Ihr Antrag nicht nur an der Stelle wirklich zu kurz.
Ich kann auch – Herr Kollege Sternberg, Sie haben es angesprochen – die Kampagne, die wir im Moment erleben, die sich durch unsere Presseorgane zieht, schwer nachvollziehen.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, ein sehr ernst zu nehmendes Blatt, kostet pro Woche 13,80 €. Wenn ich sie abonniert habe, ist sie etwas günstiger. Dagegen habe ich für 17,98 € einen Monat lang beim Radio etwa 60 Programme, davon etwa 20 öffentlich-rechtliche Programme. Das ist vom Preislichen her für die meisten Menschen durchaus nachvollziehbar.
Ich habe gerade mit Freude gelesen – sehr viele freuen sich da mit –, dass die Bundesligaschaltkonferenzen weiterhin im Öffentlich-Rechtlichen bleiben. Das ist für sehr viele Leute samstags ein echtes Vergnügen. Auch das wird aus den Rundfunkbeiträgen bezahlt. Das alleine wäre manchen möglicherweise schon 17 € monatlich wert.
Ich will nicht übertreiben, aber ich glaube, dass Sie übertreiben, Herr Kollege Nückel, wenn Sie hier so tun, als ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland dadurch, dass er so finanziert wird, wie er finanziert wird, nämlich durch ein Beitragssystem, an dem sich alle Haushalte beteiligen, über seine Verhältnisse lebt. Wir haben ganz andere Probleme.
Ein Beispiel zum Beispiel ist das Beispiel,
(Heiterkeit)
dass Herr Rossmann klagt, und zwar dagegen, dass er jetzt mehr Rundfunkbeiträge für seine Drogeriefilialen bezahlen muss. Das Unternehmen Rossmann hat in Deutschland einen Umsatz von etwa 7 Milliarden €. Das entspricht fast dem, was der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk an Einnahmen hat. Ein Unternehmen: 7 Milliarden €!
Wenn der jetzt plötzlich damit konfrontiert ist, dass seine Filialen etwas stärker in die Berechnung einfließen, als das möglicherweise vorher der Fall war – es gibt auch Leute, die den Eindruck haben, dass da bei verschiedenen, die jetzt klagen, nicht immer ganz genau bezahlt wurde; das wurde eben von Ihnen beim Beispiel der Städte von Ihnen, Herr Kollege Sternberg, auch angesprochen –, dann ist das genau die Diskussion, die wir uns leisten müssen, dass nämlich die, die breite Schultern haben, an der Stelle auch vernünftig zu Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.
Herr Nückel, ich stehe ohne Wenn und Aber zu dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch zu dem dualen System; das ist richtig, was Sie da gesagt haben. Ich verstehe nicht, dass man sich im Grunde immer stärker gegen dieses System stellt. Das tun Sie aber mit dem, was Sie und auch andere politisch dazu sagen. Sie sehen nicht die Gefahren, die dann heraufziehen, wenn ein Staat völlig ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk funktioniert. Ich nenne Ihnen das Beispiel – Sie kennen es alle – Italien. Wir wollen in Deutschland keine italienischen Verhältnisse.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir wollen keinen Berlusconi, wir wollen keinen Privatrundfunk, der die politische Diskussion dominiert, sondern wir wollen einen öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunk, der für 17,98 € – im Moment und seit Jahren übrigens konstant im Preis – ein breit gefächertes Programm anbietet. Es gibt Kritik. Die haben wir auch. Es gibt Dinge, die nicht vernünftig funktionieren. Manchmal wird das Geld auch falsch ausgegeben. Das ist übrigens nicht nur beim Rundfunk so. Insofern müssen wir wachsam sein. Aber Ihre Klage wie auch die von anderen finde ich wirklich nicht nachvollziehbar. Die Evaluation und Bewertung dessen, was wir gemeinsam eingeführt haben, ist schon lange beschlossen, war Teil der Beschlussfassung. Es gibt also keinen Grund, sich aufzuregen.
Herr Kollege Vogt hat eben erklärt, dass die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, einen Zeitraum braucht, um die Zahlen zu sammeln und zu überprüfen. Das muss von denen bewertet werden. Anschließend befassen wir uns damit in den Gremien und – so hoffe ich jedenfalls – auch in den Landtagen, wenn es darum geht, diesen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zu novellieren und an das anzupassen, was wir politisch gemeinsam für richtig halten.
Letzter Satz: Am Peinlichsten fand ich, ehrlich gesagt, die Klage der Stadt Köln,
(Beifall von den GRÜNEN)
einer Stadt, die als Sitzsender des Westdeutschen Rundfunks in erheblichem Maße davon profitiert, dass dort gute Gehälter gezahlt werden, anständig viele Menschen kontinuierlich-verlässlich Arbeit haben. Es gibt 4.000 feste Mitarbeiter, 15.000 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Köln ein- und ausgehen. Aber eine Stadt wie Köln jammert über gestiegene Rundfunkgebühren in einer Größenordnung, die ich hier jetzt gar nicht zu beziffern brauche, weil sie so gering ist!
Peinlich finde ich es auch, wenn Kampagnen mit falschen Zahlen gemacht werden. Die „Rheinische Post“ hat veröffentlicht, dass für Jubiläen und Urlaubsgelder beim WDR 899 Millionen € verausgabt würden. Der Westdeutsche Rundfunk verfügt über ein Jahresetat von 1,38 Milliarden €. Würden alleine 900 Millionen € für Jubiläen und Urlaubsgelder ausgegeben, wäre dieser Sender überhaupt nicht überlebensfähig. Das ist also völliger Quatsch. Aber so wird Politik gemacht, auf Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das finde ich nicht in Ordnung.
Ich bringe aber auch – wie die „Rheinische Post“ auf Seite 4 ganz unten links – die Korrektur an: Es waren 899.000 €, von denen die Rede war. Betroffen sind 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich denke, dass das ein Rahmen ist, der für den Westdeutschen Rundfunk vertretbar war. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Kultur & Medien