Hans Christian Markert: „Für uns gehören Umwelt, Wirtschaft und Sozialpolitik im nachhaltigen Sinne ganz klar zusammen“

HH 2013 Umwelt- und Verbraucherschutz

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind ja gemeinhin Sternstunden des Parlamentarismus.
(Zuruf von den PIRATEN: Jetzt nicht!)
Sie sollen Einblick in die inhaltlichen Schwerpunkte und in die Ideen zur Konsolidierung geben. Insbesondere bei Ihnen, geschätzter Kollege Busen, denkt man bei Ihren Ausführungen im Zusammenhang mit Sternen eher an die italienische Fünfsternebewegung; das populistische Format war bei Ihnen jedenfalls vorhanden.
(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Verteilen Sie gerade wieder Noten? Die Grünen machen das, was sie am liebsten tun, nämlich Zensuren verteilen!)
Bei Ihnen, Herr Deppe und Herr Busen, wartet man vergeblich auf tiefere Einblicke. Was Sie hier nämlich abliefern, ist gleichermaßen dünn, platt und populistisch. Herr Deppe, ich will das gleich am Anfang hier sagen: Sie verstehen ja Einsparpolitik und Haushaltskonsolidierung immer als Politik, bei der Sie besonders darauf gucken, wie viele Planstellen irgendwo geschaffen werden. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das Haus von Herrn Remmel auch unter anderem deswegen einen Zuwachs bei Referatsleiterstellen hat, weil der Bereich Klimaschutz dazugekommen ist. Da müssten Sie nämlich gleichzeitig in der Bilanzierung nachgucken, wie viele Referatsleiterstellen bei Herrn Duin weniger veranschlagt sind. Das meine ich mit Populismus: Das kommt an bestimmten Stammtischen gut an, entspricht aber teilweise eben nicht den Tatsachen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Markert, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Deppe zulassen?
Hans Christian Markert (GRÜNE): Ich werde den Kollegen Deppe am Ende meiner Ausführungen gerne fragen lassen; das ist versprochen. Nur würde ich jetzt am Anfang gerne im Zusammenhang vortragen.
Ich wollte Ihnen nur mitteilen, Herr Präsident, dass bei mir die Zeit nicht läuft. Ich gehe davon aus, dass meine Redezeit noch gar nicht begonnen hat.
Vizepräsident Daniel Düngel: Doch, sie ist aber gerade wegen der Bitte um eine Zwischenfrage angehalten worden, Herr Kollege Markert. Wir kommen gleich darauf zurück.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Wir können gerne darauf zurückkommen, beim geschätzten Kollegen Deppe immer. Vielleicht kommt dann auch noch ein bisschen Substanz herüber.
Wir haben uns als rot-grüne Landesregierung auf einen Konsolidierungskurs begeben, ja, das ist richtig. Wir haben uns als Grüne und als Koalition vorgenommen, dieses Industrieland Nordrhein-Westfalen in sozialer und ökologischer Hinsicht und damit auch, modern verstanden, in ökonomischer Hinsicht zukunftsfest zu machen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang beispielsweise daran, dass diese Regierung im Umweltressort Stellen geschaffen und eine Vereinbarung getroffen hat, nach der wir eine Umwelt-Wirtschaftsstrategie angehen werden. Daran sieht man: Für uns gehören Umwelt, Wirtschaft und Sozialpolitik im nachhaltigen Sinne ganz klar zusammen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bei Ihnen hingegen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ist eine klare Linie nicht erkennbar. Einerseits fordern Sie weitergehende Einsparungen in einem der kleinsten Fachressorts, teils, wie Sie das im Umweltausschuss jüngst wieder getan haben, mit den typischen populistischen Forderungen, beispielsweise der, in der Stiftung Umwelt und Entwicklung Projekte einzusparen. Ich frage mich, was Herr Lamers, der bisherige oder frühere Stiftungsvorstand, zu diesen Einsparungsvorschlägen sagen würde. Andererseits machen Sie keine wirklich substantiierten Vorschläge, wie man auf Sicht das Land tatsächlich konsolidieren kann; denn Sie verstehen unter Konsolidierung immer nur Einsparungen. Sparen ist ein Mittel. Notwendige Haushaltskonsolidierung heißt doch, dass man die Instrumente nicht mit den Zielen verwechseln soll. Natürlich sind die Schuldenbremse und das Sparen ein Instrument. Aber sie sind nicht das Ziel.
Es sollte uns allen klar sein, Herr Deppe, dass allein durch Einsparungen im Landeshaushalt kein wirklicher Ausgleich zu schaffen ist. Schon heute hat Nordrhein-Westfalen weniger als 3.300 € pro Einwohner im Ländervergleich und damit die kleinste Prokopfausgabe und in der Landesverwaltung mit rund 16 Stellen pro 1.000 Einwohner die relativ dünnste Personaldecke in einem westdeutschen Flächenland. Das Sparen muss daher aus grüner Sicht in einem Dreiklang gesehen und durch deutliche Einnahmeerhöhungen und Effizienzsteigerungen im öffentlichen Bereich ergänzt werden.
Andererseits wird vor dem Hintergrund aktueller Lebensmittelskandale von Ihnen und Ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden oder Ihnen nahestehenden Schwesterorganisationen der Ruf nach mehr Personal erhoben. Ich erinnere hier einmal an Frau Aigners Ruf, die dieser Tage sagte: Die Landesbehörden müssen nun proaktiv Kontrollen durchführen.
Dazu kann ich nur sagen: Ja, dafür braucht man dann auch das notwendige Personal vor Ort; Aktendurchsicht allein genügt eben nicht. Verschiedene Kollegen haben hier schon auf Umweltskandale im Land wie in Wesseling oder bei Envio hingewiesen, was zeigt, dass man eine schlagkräftige Umwelt- und Verbraucherschutzverwaltung brauchen. Dazu gehört eben auch gut ausgebildetes Personal.
(Beifall von den GRÜNEN)
Abschließend, bevor ich noch die Frage von Herrn Deppe gerne beantworte, will ich zum Ausdruck bringen, dass ich es als wenig glaubwürdig empfinde, wenn Sie, Herr Deppe, hier immer als eine Priorität der CDU-Fraktion den Ausbau der Verbraucherberatung nennen, aber gleichzeitig die kommunalen Komplementärmittel vor Ort verweigern. In meinem Wahlkreis in Neuss haben Sie zwar 2009, nachdem wir Grüne seit 1998 eine Verbraucherberatungszentrale in Neuss gefordert haben, endlich zugestimmt, die Mittel aber nicht zur Verfügung gestellt. Der zuständige Landrat – man kann so etwas ja auch aus Kreishaushalten finanzieren – hat uns vor drei Tagen erklärt, wir könnten als Grüne so viele Anträge stellen, wie wir wollten, die CDU würde immer dagegen stimmen. So viel zur Glaubwürdigkeit, wenn Sie hier fordern, die Verbraucherberatung solle ausgebaut werden.
Auch dies ist moderne Wirtschaftspolitik, dass wir auf Augenhöhe die Kunden und Verbraucherinnen diejenigen begegnen lassen, die produzieren und in der Wirtschaft unterwegs sind. Dazu hat sich Rot-Grün bekannt, und diesen Weg werden wir auch fortsetzen. Ihre Einlassungen sind ungeeignet, unsere zustimmende Haltung zu dem Haushalt von Herrn Remmel negativ zu beeinflussen.
Jetzt, lieber Kollege Deppe, Ihre Zwischen- oder Abschlussfrage!
Vizepräsident Daniel Düngel: Die Zeit haben wir jetzt angehalten, Herr Kollege Markert, und Herr Kollege Deppe kann nun seine Frage stellen.
Rainer Deppe (CDU): Herr Kollege Markert, es ist gut, dass mein Kollege Holger Müller und ich aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis kommen und wir dafür gesorgt haben, dass die Verbraucherberatungsstelle dort über Jahre gesichert finanziert ist.
Nun zu meiner Frage. Sie kennen sich im Umweltministerium und wahrscheinlich hinsichtlich des Stellenplans ziemlich gut aus. Sie haben eben erwähnt, dass eine zusätzliche Abteilung für Klimaschutz eingerichtet wurde. Das will ich gerne zugestehen. Ich nehme allerdings auch an, dass Sie wissen, wie viele Referate in dieser Klimaschutz-Abteilung untergebracht sind. Das sind nämlich acht.
(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt die Frage!)
Vielleicht können Sie einmal erklären, woraus die weiteren zwölf Referate resultieren. Vielleicht hat Ihre Aussage dann etwas mehr Substanz.
(Beifall von der CDU)
Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Deppe, ich habe eben darauf hingewiesen, dass Sie die Zahlen hier nicht einfach platt gegenüberstellen können. Vielmehr müssen Sie eine Bilanzierung vornehmen. Sie haben gerade selber gesagt, ein Teil der von Ihnen kritisierten Referatsleiterstellen rühre daher, dass eine Abteilung hinzugekommen sei. Damit haben Sie Ihre Aussage von eben zumindest relativiert.
Ich will Ihnen aus meiner Erfahrung Folgendes sagen: Die Anzahl der Referate hat nicht unbedingt etwas mit der Struktur im Gesamthaushalt zu tun. Sie hat vielmehr auch damit etwas zu tun, dass genau das geschieht, was Sie eben gefordert haben, dass man sich nämlich um bestimmte Aufgaben nicht mehr so stark kümmern muss, dafür aber neue Aufgaben erfüllen muss. Deswegen werden bestimmte Referate gestrafft und andere ausgebaut.
Das muss man in einer Bilanz gegenüberstellen, und wenn man das macht, was Sie möchten, nämlich einen Ausbau an der einen Stelle und eine Rückführung an der anderen Stelle, dann gehört dazu auch, dass man an einer bestimmten Stelle Referate schafft. Allerdings kann man die Leute aus den Referaten, die verkleinert werden – schließlich gibt es bei uns so etwas wie das Berufsbeamtentum –, nicht nach Hause schicken. Auch das ist klar.
Ich möchte außerdem daran erinnern, dass es auch bei Herrn Uhlenberg unter der schwarz-gelben Regierung so war, dass der Stabsbereich deutlich ausgebaut worden ist mit Personalstellen. Meiner Einschätzung nach hat Herr Remmel nicht das ausgebaut, was Herr Uhlenberg geschaffen hat.
Ich gehöre übrigens zu den Leuten, die sagen – ich glaube, das habe ich eben deutlich gemacht –, dass wir eine schlagkräftige Umweltverwaltung brauchen, damit wir solche Skandale wie in Wesseling angehen können. Anmerken möchte ich, dass Sie verschweigen, dass es nicht die rot-grüne Landesregierung ist, die für den „Kerosinsee“ und seine Entstehung verantwortlich ist, sondern dass dies ein Großkonzern ist. Diesem Großkonzern kann man nur dann auf Augenhöhe begegnen, wenn entsprechend gut geschultes Personal zur Verfügung steht.
Im Übrigen hat das Rohrfernleitungsgesetz eine Tradition, die bis in die Nazizeit zurückreicht. Das heißt, wir sollten auch darüber nachdenken, die Gesetze nachzubessern. Das hat nichts damit zu tun, dass Sie uns unterstellt haben, dass uns solche Skandale egal seien und wir nur bei den privaten Hauseigentümern nachgucken würden, ob die sich besonders umweltfreundlich verhalten. Wir – da können Sie sich sicher sein – werden solche Skandale wie bei Envio oder bei Shell in Wesseling aktiv anpacken, um solche Skandale zukünftig zu vermeiden und, sofern es zu solchen kommt, in den Griff zu bekommen.
Wir sollten uns als Umweltpolitiker übrigens einig sein, dass wir das gemeinsam anpacken. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)