Mehrdad Mostofizadeh: „Der Haushalt 2013 ist ein Meilenstein zur Einhaltung der Schuldenbremse“

HH 2013 Finanzverwaltung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Witzel, Sie schaffen es immer wieder, einen bei dem, was Sie vortragen, fassungslos zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich erinnere mich dunkel – eigentlich relativ hell –, dass zwischen 2005 und 2010 eine Freie Demokratische Partei als Fraktion die Regierung mit gestellt und auch Regierungsmitglieder abgestellt hat. Ich erinnere mich auch dunkel, dass 2010 FDP und CDU im Bund regiert haben und den Restrukturierungsplan, der an die EU gegangen ist, als Bundesregierung nicht nur mit unterschrieben, sondern auch mit zu verantworten haben. Dass Sie mit den Folgen der WestLB-Abwicklung jetzt so gar nichts mehr zu tun haben, kann auch nur Ralf Witzel in seinem Konglomerat darstellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie sind die einzige Fraktion, die so dreist ist und trotz Verantwortlichkeit in verschiedenen Feldern ohne jede Haftung munter daherschwafelt und mit dem ganzen Thema nichts zu tun hat.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Witzel, eines kommt noch hinzu: Sie haben es in einer Plenardebatte geschafft, den BLB-Skandal als größten Bauskandal des Landes zu schildern – dabei will ich Ihnen uneingeschränkt zustimmen –, und zwar so, als ob Sie damit nichts zu tun haben. Aber Ihre Kabinettsmitglieder, Herr Wolf und Herr Pinkwart, haben sogar persönlich zugestimmt, dass dieses passiert. So dreist und unverantwortlich zu handeln, kann nur Ihnen passieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Optendrenk, einige Ihrer Formulierungen fand ich ganz spaßig.
(Christian Lindner [FDP]: Mehr sagen Sie zu Portigon nicht?)
– Das ist doch meine Sache, Herr Kollege, oder?
(Christian Lindner [FDP]: Das spricht für sich!)
Ich komme zu einigen Punkten, die Herr Kollege Optendrenk in seiner Rede vorgetragen hat. Sie haben – das finde ich auch aller Ehren wert, da möchte ich Herrn Zimkeit zustimmen –, sich die Mühe gemacht, etliche Vorschläge für den Landeshaushalt vorzutragen.
(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD])
Aber wenn man sich die Substanz ansieht, schmilzt der Berg binnen Sekunden nicht zu einer Maus, sondern zu einem minimalen Schneebällchen zusammen, weil es technisch schon nicht geht.
Sie haben seinerzeit unter anderem vorgeschlagen, das Schweizer Steuerabkommen mit 547 Millionen € in den Landeshaushalt einzurechnen. Das ist schlicht kalter Kaffee, und Sie haben dies auch im HFA nicht mehr beantragt.
Sie haben 250 Millionen € Einsparung von Studiengebühren eingerechnet. Das ist technisch nicht möglich und schmilzt auch zusammen. Das gilt auch für die 150 Millionen € für die Kita-Gebühren.
Von Ihren Vorschlägen bleibt also nicht viel übrig. Aber einige Erkenntnisse – ich komme gleich zur sozialen Bewertung der Vorschläge – haben wir doch mitgenommen. Sie haben zugestanden – deswegen ist es auch gut, konkret zu werden –, dass die 350 Millionen €, die wir im Stärkungspakt bereitgestellt haben, genau die richtige Summe sind, nachdem Sie zwei Jahre hier im Landtag Zeter und Mordio geschrien haben, dass das viel zu wenig Geld sei. Jetzt erkennen Sie, dass mehr Geld angesichts der Haushaltslage nicht möglich ist, und konstatieren das mit Ihrem Vorschlag ausdrücklich.
Die Pirouetten, die Sie bei Studiengebühren – das haben wir Ihnen mehrfach vorgetragen –, bei Kita-Gebühren, aber jetzt auch beim Stärkungspakt, schlagen, müssen Sie schon zur Kenntnis nehmen. Ich appelliere an Herrn Kollegen Kuper und andere aus dem Kommunalbereich, das künftig in ihren Haushaltsreden zu berücksichtigen und ihre Anfeindungen der letzten zwei Jahre zumindest abzustellen.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Zur Finanzverwaltung kritisieren Sie den Einsparvorschlag, die Oberfinanzdirektionen zusammenzulegen. Es war diese rot-grüne Landesregierung, die mit einer ihrer ersten Maßnahmen dafür gesorgt hat, dass es im Bereich der Steuerprüfer und der Steuerfahndung zu einem Aufwuchs gekommen ist. Endlich gibt es wieder eine Perspektive in der Finanzverwaltung. Es werden nicht nur mehr Leute, sondern auch höherqualifizierte Leute eingesetzt, weil deutlich mehr auf die Ausbildung gesetzt wird. Das möchte ich noch einmal festhalten.
Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, lasse ich mir heute auch nicht nehmen: Mit dem Haushalt 2010, spätestens 2011 ist im Landtag ein echter Politikwechsel eingeläutet worden. Wir haben gegen den erbitterten Widerstand von CDU und FDP hier im Landtag strukturell 1 Milliarde € mehr für die Kommunen bereitgestellt – die Linke hatte damals noch mehr gefordert –, und heute tun Sie so, als ob das noch zu wenig wäre und wir viel mehr tun müssten.
(Zuruf von den PIRATEN: Die sind aber nicht mehr da!)
– Ja, Gott sei Dank.
Was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, aber weiterhin tun, ist, einen großen Batzen Ihrer Vorschläge im Dunkeln zu verstecken. Sie schlagen vor, im Bereich der Förderprogramme im ersten Jahr 5 %, aufwachsend auf 20 %, einzusparen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, das zu berechnen – weil Sie ja nie so ganz genau sagen, was Sie wollen. Wenn wir die freiwilligen Programme nehmen, kommen wir auf ein Volumen von 1,2 Milliarden €. Bei diesen 1,2 Milliarden € sind schon allein 380 Millionen € für den offenen Ganztag bei den Grundschulen.
(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)
Wenn Sie auf die Summen kommen wollen, nämlich 116 Millionen €, sind es nicht 4 %, sondern 9 % respektive im Endausbau 45 %, wenn wir uns auf diese 1,2 Milliarden € beziehen. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass bei JeKi von 10 Millionen nur noch 5,5 Millionen € übrig bleiben, dass beim Kinderjugendförderplan, wenn Sie die größere Variante nehmen, nicht mehr 100 Millionen €, sondern nur noch 60 oder 80 Millionen € übrig bleiben, je nachdem, wie man rechnet.
Wenn Sie den großen Batzen einrechnen, also auch die landesgesetzlichen Aufgaben, was Sie im HFA ausdrücklich gesagt haben, kommen wir auf 2,9 Milliarden. Dann sind aber zum Beispiel 1,2 oder 1,3 Milliarden € Ersatzschulfinanzierung dabei.
Sind Sie der Auffassung, 260 Millionen € bei der Ersatzschulfinanzierung zu streichen? Dann aber offenes Visier, lieber Kollege! Dann ab auf die Straße und sagen, wir wollen bei diesen Schulen 260 Millionen € einsammeln, einen Antrag machen bzw. einen Gesetzentwurf vorlegen, wo das drinsteht, und sich nicht verstecken und sagen, Rot-Grün könnte nicht sparen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Einen Punkt, der in der Bundespolitik vor kurzer Zeit eine große Rolle gespielt hat, aber auch im Landeshaushalt eine Rolle spielt, will ich mir an der Stelle nicht verkneifen, und zwar das Thema „Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen“. Da verlautbart der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Kollege Laumann, allen Ernstes, dass Kinder ein Anrecht auf Vater und Mutter hätten und nur diese steuerlich vom Ehegattensplitting bzw. von steuerlichen Maßnahmen in gleicher Weise profitieren sollen.
Erstens. Herr Kollege Laumann, neben der Tatsache, dass das, was Sie hier erzählen, nicht nur in den 50er-Jahren schon unmodern war, ist es Fakt, dass ein Drittel der Kinder nicht mit beiden Elternteilen aufwächst. Vielleicht nehmen Sie das auch einmal zur Kenntnis.
Das Zweite ist die Zerrissenheit der CDU an dieser Stelle, sodass am Ende des Tages die CDU wieder vom Bundesverfassungsgericht zu einer fairen Lösung gezwungen werden muss oder möglicherweise im Herbst – darauf setze ich dann ein Stück mehr als auf das Bundesverfassungsgericht – ein Regierungswechsel in Berlin passiert. Das ist doch ein Trauerspiel für diese sogenannte Volkspartei.
Ich kann Sie, Herr Kollege Laumann, nur auffordern: Sorgen Sie in der Bundespartei dafür, dass sich halbwegs nicht einmal fortschrittliche, sondern einfach klar denkende Menschen durchsetzen und es zu einer Gleichstellung auch der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften kommt. Das wird ohnehin kommen; Sie werden dazu gezwungen werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt – wie er heute vorgelegt wird – ist in der Tat zukunftsweisend. Er ist auch ein Meilenstein auf dem Weg zur Einhaltung der Schuldenbremse, weil bis zum Jahr 2016 die Verschuldung bis auf 1,6 Milliarden € abgeschmolzen wird. Deswegen ist mir nicht bange um diesen Landesfinanzminister.
Aber um einen Punkt ist mir schon bange. Wenn sich auf Bundesebene weiterhin diese rückwärtsgewandte Politik durchsetzen sollte, die zulasten der Armen spart und die Reichen entlasten möchte, die nicht für die Kommunen sorgt und nicht die richtigen Weichen stellt, dann haben wir eine erheblich schwierigere Aufgabe, als wenn andere Farben in Berlin regieren.
Deswegen freue ich mich auf die Auseinandersetzung nicht nur bei diesem Haushalt, sondern auch bei künftigen Haushalten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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