Sigrid Beer: „Wir haben konsequent in die Bildung der Kinder in allen biografischen Punkten investiert“

HH 2013 Schule und Weiterbildung

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich heute Morgen gute Laune. Aber nach den Beiträgen, die ich heute hier habe vernehmen müssen, vor allen Dingen nach dem Beitrag von der Kollegin Vogt und jetzt auch nach dem Beitrag von der Kollegin Gebauer, ist das ein bisschen gekippt. Aber ich möchte mir den Tag nicht verderben lassen.
Von daher, Frau Vogt, danke ich Ihnen erst einmal für Ihre Offenheit, jetzt nicht in diesem Beitrag, den Sie heute Morgen geleistet haben, sondern in dem Beitrag, den Sie mit den drei Fragen an die neuen schulpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen geleistet haben. Man kann es in der Februar-Ausgabe von „Bildung aktuell“ des Philologenverbands nachlesen. Drei Fragen, und zweimal heißt die Antwort der CDU: Die Probleme, die Sie nennen, sind uns bekannt. Wir arbeiten fortwährend an den Lösungsvorschlägen.
Das ist das Konzept der CDU in der Schulpolitik. Heute ist das qualitativ leider nicht darüber hinausgegangen, Frau Vogt. Das fand ich sehr enttäuschend.
(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Zu Ihren Vorschläge zum Haushalt: Ich will das jetzt gar nicht an den Schulassistenzen festmachen. Denn Schulassistenz, Verwaltungsassistenz ist ein sinnvolles Instrument, aber nicht so, wie Sie das jetzt hier einführen, einpflegen wollen.
Was steckt in Wahrheit dahinter? Sie wollen 300 Millionen € aus dem Schulhaushalt herausziehen, das heißt 6.000 Lehrerstellen abbauen. Kollegin Hendricks hat es bereits gesagt. 170 Millionen € wollen Sie weiter darin belassen und bis zum Jahr 2020 verteilen, das heißt, dass Sie die Ausfälle der 6.000 Lehrerstellen überhaupt nicht kompensiert bekommen. Sie reißen ein Loch nach dem anderen. Sie bekommen weder den Ganztag noch die Inklusion finanziert. Die Inklusion ist auch nur sehr schwammig in Ihrem Konzept definiert. Was soll es denn jetzt sein? Auf der kommunalen Ebene sollen es Lehrerstellen sein. Wie geht es da überhaupt weiter? Dazu gibt es keine Aussagen. Das ist nicht belastbar.
Deswegen kann ich nur unterstreichen, was Sie hier geschrieben haben. Sie kennen offenbar Probleme, Sie arbeiten an Lösungsvorschlägen. Nur wir kennen die Lösungsvorschläge, die in diesem Land den Schulen, den Eltern, den Lehrern und auch den Schulträgern dann die Zukunft gestalten helfen sollen, noch nicht.
Erstens. Wir sehen, dass Sie aus dem Schulhaushalt etwas herausziehen wollen. Sie haben gefragt, was wir schulpolitisch gemacht haben. Frau Vogt, das soll jetzt nicht oberlehrerinnenhaft klingen, aber ich sehe Ihnen das nach, weil Sie im Jahr 2010 noch nicht im Parlament waren. Was mussten wir denn machen? Wir mussten erst einmal 1.000 Stellen zusätzlich schaffen, weil die Bedarfe im Bereich des Berufskollegs, im Bereich der Sekundarstufe II vorhanden waren. Wir mussten nachfinanzieren, weil die Stellen im Haushalt noch nicht einmal ausreichend finanziert waren. Über fünf Jahre hat Schwarz-Gelb Nebelkerzen geworfen, und wir mussten diese Schäden erst einmal reparieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich hoffe, dass Sie das zur Kenntnis nehmen und auch noch einmal nachlesen.
Zweitens. Was haben wir nach dem Jahr 2010 gemacht? Wir sind jetzt beim Aufwuchs insgesamt bei 1.680 Stellen im Bereich der Inklusion. Allein seit dem Jahr 2011 sind das 1.148 Stellen. Es wäre schön, Frau Vogt, wenn Sie das einmal zur Kenntnis nehmen und sich den Sachverhalten und den Tatsachen stellen würden. Dazu sind Sie offensichtlich im Augenblick gerade weder bereit noch in der Lage. Sonst würden Sie vielleicht auch aufmerksam zuhören.
Weitere 1.700 Stellen werden für das Konzept der kleinen Grundschulen zur Verfügung gestellt, wie mit Ihnen gemeinsam vereinbart. Herrscht denn hier Amnesie, oder was müssen wir heute Morgen hier erleben? Dann gibt es als nächsten Schritt im Haushalt 2013 Verbesserungen bei der Leitungszeit an Grundschulen, bei der Leitungszeit in der Sekundarstufe I.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)
Frau Gebauer, Benachteiligung der Gymnasien: Wie lächerlich wollen Sie sich noch machen? 1.000 Stellen, die im System bleiben beim Abschmelzen des G8. Aber natürlich! Stellen Sie sich doch der Realität, dass Schwarz-Gelb in der mittelfristigen Finanzplanung bereits10.000 Stellen abgesetzt hatte.
(Zuruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])
Wo wären wir jetzt, wenn Sie weiter regiert hätten? – Gut, dass es damals Wahlen mit einem anderen Ergebnis gegeben hat. Schon die Minderheitsregierung war ein Segen für Nordrhein-Westfalen. Wir führen das jetzt erfolgreich weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dazu kommt natürlich, dass es auch jetzt keine Benachteiligung der Gymnasien gibt. Jeder Antrag auf Ganztag ist genehmigt worden; sie sind bei der Absenkung des Klassenfrequenzrichtwerts im Schulkonsens so berücksichtigt wie auch alle anderen weiterführenden Schulen.
In Ihrem Beitrag wird deutlich – da können Sie so viel von der Qualität der Inklusion reden, wie Sie wollen –, dass Sie eigentlich nur die exklusive Schule wollen. Es bleibt das alte FDP-Konzept, das dahinter steckt. Sie wollen kein gemeinsames längeres Lernen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das haben Sie zum Abschluss noch einmal sehr, sehr deutlich gemacht.
Sie haben das Stichwort „Individuelle Förderung“ in das Schulgesetz geschrieben.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Stamp zulassen?
Sigrid Beer (GRÜNE): Aber herzlich gerne. Danke, Herr Präsident.
Dr. Joachim Stamp (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin, für die Möglichkeit der Frage. Sie erklären hier so selbstverständlich, wie Sie die Gymnasien unterstützen. Wir haben gerade erst wieder gehört, dass eine Kollegin von Ihnen die weitere Existenz der Schulform Gymnasium infrage gestellt hat. Deswegen möchte ich Sie als Sprecherin fragen: Wollen denn die Grünen am Gymnasium auch über die Zeit des Kompromisses mit der CDU festhalten?
Sigrid Beer (GRÜNE): Die Eltern treffen doch ihre Schulwahlentscheidung. So, wie sie das in Nordrhein-Westfalen bei der Gründung von neuen Schulen und bei der Schulentwicklung tun. Wir haben sowohl in der Bildungskonferenz wie jetzt auch in den Schulentwicklungsprozessen im Land dafür gesorgt, dass die Eltern ihr Votum dazu abgeben. Es ist jetzt das Elternwahlrecht, das wir damit aufrechterhalten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der Anknüpfungspunkt ist die individuelle Förderung, die für alle Schulformen gilt. Sie haben es lediglich ins Schulgesetz geschrieben. Sie haben in der Tat das gemacht, was die Kollegin Hendricks eben auch schon bemängelt hat.
Sie haben in der Fortbildungslandschaft mit dem Wegschlagen des Landesinstituts Tabula rasa gemacht. Wir brauchen eine Unterstützungsagentur für die Schulen, gerade damit sie entlastet werden, damit sie Diagnosematerialien bekommen, damit sie weitere Materialien zur individuellen Förderung erhalten und damit Fortbildung in diesem Land systematisch aufgesetzt wird. Fast zwei Jahre lang hatten wir eine Fortbildungsbrache. Das hatten Sie, Schwarz-Gelb, politisch zu verantworten.
(Beifall von der SPD)
Deswegen leisten wir da jetzt die Aufbauarbeit. Das ist genau der wichtige Punkt, der Ihnen noch einmal auf die Agenda zu schreiben ist.
Ich will nun an dieser Stelle einmal Danke sagen. Das ist jetzt kein Ritual. Danke einmal für das, was das Haus in der intensiven Arbeitszeit bewegt hat, Danke aber auch noch einmal an diejenigen, die in der Tat dafür gesorgt haben, dass noch mehr Klarheit für die Schulen in Sachen Klassenfahrten herrscht.
Frau Vogt, da finde ich persönlich, dass es etwas unanständig gewesen ist, was Sie da gemacht haben, und zwar mir in der Schulausschussdebatte zu sagen und vorzuwerfen, ich hätte die Bedeutsamkeit der Klassenfahrten nicht genug gewürdigt und es ginge nur darum, dass weniger stattfinden und man nicht mehr ins Ausland fahre. – Ganz im Gegenteil. Ich habe sehr ausführlich über die Bedeutsamkeit, auch im europäischen Kontext, der Klassenfahrten geredet. Wenn ich aber Rückmeldungen darüber bekomme, dass Klassenfahrten für 900 € angesetzt werden und wir eine sozialpolitische Verantwortung, eine bildungspolitische Verantwortung haben, dass alle Kinder Angebote von Klassenfahrten auch wahrnehmen können, dann müssen wir auch darauf schauen. Deshalb geht es um das Konzept.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was Sie hier gemacht haben, war einfach nicht lauter, es mit Ihrem Beitrag so zu verdrehen.
Natürlich bleiben wir im Haushaltsverfahren jetzt auch Herrin des Verfahrens. Wir sind das Plenum, und wir haben die Haushaltsansätze zu beschließen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird in der nächsten Sitzung des HFA, in der dritten Lesung, passieren, also nicht heute.
In ihrem Antrag hat die CDU die Gegenfinanzierung angebracht. Wir werden den Antrag auch gleich ablehnen – dazu hat Frau Kollegin Gebauer schon einiges gesagt –, weil die Feststellung des Haushalts 2012 noch nicht abgeschlossen ist und das wieder ein windiges Geschäft ist, was Sie da aufmachen, weil die Haushaltszahlen noch gar nicht vorliegen. Sie machen Umbuchungen, die vollkommen ungesichert sind. Diesen Weg können wir nicht mitgehen.
Schwarz-Gelb wollte 10.000 Stellen kürzen bzw. nicht besetzen. Wir haben konsequent in die Bildung der Kinder in allen biografischen Punkten investiert, das will ich hier noch einmal festhalten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt noch ein Wort, Frau Gebauer, zur Richtigstellung bezüglich der Verpflegungszuschüsse im Rahmen der Ersatzschulen, gerade in dem Bereich: Dafür gibt es ein anderes Instrument. Ich kritisiere sehr, was die Ausgestaltung betrifft. Da müssen wir herangehen und sehen, wie wir werden es dann auf Bundesebene weiterführen. Wir müssen das Bildungs- und Teilhabepaket möglichst zu einer Infrastrukturhilfe machen. Es kann nicht sein, wenn Sie auf der einen Seite die Schuldenentwicklung problematisieren und auf der anderen Seite nachhaltige Haushaltsführung anmahnen, dass wir hier gegebenenfalls Doppelfinanzierungen haben. Das kann doch eigentlich nicht im Sinne der FDP und ihres Haushaltsansatzes sein. Also schauen Sie doch da bitte etwas differenzierter hin, anstatt hier solche Dinge in die Welt zu setzen und auf die Tränendrüse zu drücken. Es ist nämlich nicht gerechtfertigt. Ja, das haben Sie gemacht.
Wenn es um präventive, nachhaltige Finanzpolitik geht, wussten Sie, dass Sie vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern werden, weil Sie die U3-Mittel nicht durchgeleitet haben. Sie wussten, dass Sie mit dem Einheitslastenausgleich scheitern würden. Dann hätten Sie Hunderte von Millionen Euro damals schon präventiv einstellen sollen. Denn wir müssen jetzt die Schäden beseitigen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)