Jutta Velte: „Wir wollen Mehrstaatigkeit, wir wollen eine Herabsetzung der Anspruchseinbürgerung“

Antrag der Piraten-Fraktion zur Abschaffung der Optionspflicht

Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein bisschen erschüttert ob Ihrer Rede, Frau Milz.
(Beifall von den PIRATEN)
Wie kann man diese rückwärtsgewandte Einschränkung von Rechten und Möglichkeiten jetzt auch noch feiern? Herr von Grünberg hat die damalige Debatte von vor 13 Jahren noch einmal referiert. Damals hat man gesagt, dass funktioniere nicht, weil die Schwarzen nun einmal dagegen sind, dass man eine doppelte Staatsangehörigkeit zulässt.
Natürlich kann man sagen, dann ist diese Einräumung der Option ein Fortschritt. Aber das ist doch weiß Gott rückwärtsgewandt. Mehrstaatigkeit findet doch in Ihren Überlegungen überhaupt nicht statt.
Damit gehen Sie ganz weit hinter die gesellschaftliche Realität zurück. Sie sagen, wir haben ein Zwei-Klassen-Staatsbürgerschaftsrecht. Die eine Klasse sind die EU-Bürger, die die doppelte Staatsangehörigkeit haben dürfen und die zum Beispiel McAllister heißen. Die zweite Klasse sind die anderen, bei denen wir das nicht so genau wissen. Deren Rechte schränken wir einmal ein.
Die Einschränkung von Mehrstaatigkeit gibt es international eigentlich gar nicht. Diese kennen kaum Staaten. In Deutschland soll aber diese rückwärtsgewandte Politik nach Ihrer Auffassung weitergeführt werden. Das ist mit uns sicher nicht zu machen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Güler?
Jutta Velte (GRÜNE): Wenn sie das unbedingt möchte.
Vizepräsident Oliver Keymis: Davon gehen wir aus, weil sie den Wunsch auf eine Zwischenfrage hier angemeldet hat. – Bitte schön, Frau Kollegin.
Serap Güler (CDU): Frau Velte, ich will noch einmal auf den Punkt zurückkommen, dass Sie und Herr von Grünberg gerade die Verantwortung für die Debatte aus dem Jahre 1999 vollkommen der CDU zuschieben. Ich möchte wissen, ob Ihnen das Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages vom 19. März von 1999 bekannt ist? Fürs Protokoll: Das ist 14/28, Seite 2281 ff. Darin hält die SPD grundsätzlich an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit fest. Ist Ihnen das bekannt?
Jutta Velte (GRÜNE): Liebe Frau Güler, ich kann mich dunkel daran erinnern. Ich habe aber schon eingangs erwähnt, dass diese Debatte 13 Jahre zurückliegt. Wir haben es damals nicht geschafft, ein modernes und zeitgemäßes Staatsangehörigkeitsrecht durchzusetzen. Das ist so. Wir sollten uns heute gerade aus dem Einwanderungsland NRW heraus dafür entscheiden, ein solches einzurichten. Wir sollten uns dafür stark machen, dass die Bürgerinnen und Bürger, die hier leben – das ist der wichtigste Punkt –, die Mehrstaatigkeit haben können. Dafür sollten wir uns einsetzen.
Sie können doch nicht im Ernst über eine Willkommenskultur in unserem Ausschuss sprechen und 5 Millionen Menschen die Einbürgerung verweigern. Das geht doch überhaupt nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
54 % der Eingebürgerten – das hatte ich schon einmal erwähnt – sind Doppelpassbesitzer. Die anderen kommen einfach nicht zum Zuge. Ich denke, man sollte sich damit wirklich intensiv beschäftigen.
Ich möchte jetzt gern noch Folgendes sagen: Natürlich haben wir den Antrag der Piraten im November zur Kenntnis genommen. Wir haben nur gesagt, dass er viel zu wenig vorsieht. Herr von Grünberg hat ausgeführt, was im Koalitionsvertrag steht. Wir haben gesagt, wir wollen Mehrstaatigkeit, wir wollen eine Herabsetzung der Anspruchseinbürgerung. Herr von Grünberg hat das alles aufgelistet. Wir wollten sehr viel mehr erreichen. Wir haben Zeit – dafür haben wir plädiert –, denn wir brauchen ja eine Bundesratsmehrheit, und wir brauchen auch eine Mehrheit für die doppelte Staatsangehörigkeit und für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts im Bundestag.
Frau Brand, wir haben nämlich 2011 schon einmal eine Abstimmung über eine Bundesratsinitiative in dieser Angelegenheit verloren. Wenn es um Menschen geht, dann sollten wir doch alles tun, dass wir nicht noch einmal eine solche Abstimmung verlieren, und zusehen, dass wir nach vorne gehen. Dazu müssen wir natürlich ein Signal aus Nordrhein-Westfalen senden. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Wir müssen es aber so machen, dass es auch auf Bundesebene durchsetzbar ist. Zweimal ein solches Anliegen nicht durchsetzen zu können, hielte ich für ein fatales Signal an die ausländischen Gemeinden.
Ich möchte ganz kurz noch etwas dazu sagen, dass es natürlich wichtig ist, über das Staatsangehörigkeitsrecht zu sprechen. Es ist essentiell, aber das umfasst nicht die gesamte Integrationspolitik, die wir von Nordrhein-Westfalen aus machen müssen. Wir sollten uns darauf besinnen. Es ist eine ganz wichtige Angelegenheit. Frau Brand, sehen Sie mich nicht so groß an. Das ist wirklich entscheidend.
Wir sollten uns aber zusätzlich mit anderen Aspekten der Integrationspolitik befassen. Ich hoffe, dass wir das nach wie vor gemeinsam tun. Das Angebot steht. Ich habe aber nach den Einlassungen von Frau Milz den Eindruck, dass das in Nordrhein-Westfalen immer schwerer wird und dass Traditionen, die heißen, wir versuchen, gemeinsam im Sinne der Einwohnerinnen und Einwohner in Nordrhein-Westfalen zu handeln, nicht mehr halten. Dazu gehören diejenigen mit dem ausländischen Pass auf jeden Fall. Insofern würde ich mir wünschen, dass Sie als nordrhein-westfälische CDU ein bisschen mehr Offenheit und vor allem ein bisschen mehr Selbstsicherheit an den Tag legen würden, um hier einen eigenen Weg zu finden und auf die Kolleginnen und Kollegen im Bund einzuwirken. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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