Sigrid Beer: „Der Nationalpark ist und bleibt auf der politischen Agenda, weil er das Zukunftsprojekt ist“

Antrag der FDP-Fraktion zur Beendigung der Nationalparkpläne in der Senne

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beifall der jungen Wilden aus der CDU spiegelt nicht das wider, was wir in der Region dauernd erleben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber dazu will ich gleich noch einmal kommen.
(Zurufe von der CDU)
– Sie können gleich Zwischenfragen stellen. Das ist dann zielführender.
Ich möchte gerne gleich mit einem Zitat beginnen:
„Es wäre im Übrigen ein sträflicher Leichtsinn – das sage ich ganz deutlich –, dieses Gebiet nicht zum Nationalpark zu erklären. Deshalb gebe ich auch an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck, daß die Bundesregierung sich ebenfalls den Forderungen dieses Landtags anschließen wird; denn die vielen seltenen Pflanzen, die sich in der Vergangenheit dort angesiedelt haben, sind in der Tat schützens- und erhaltenswert. Dies setzt aber voraus, daß die Senne nach der militärischen Nutzung zum Nationalpark erklärt wird.“
Es geht weiter:
„Ich will Ihnen nur sagen: Soviel ich bisher gehört habe, haben sich die meisten Bürger für den Nationalpark Senne ausgesprochen. … Lassen Sie mich deshalb abschließend sagen, daß damit die Natur und die Menschen – insbesondere die Menschen in der betroffenen Region – einen deutlichen Sieg davontragen.“
Das sind die Ausführungen des FDP-Abgeordneten Kuhl am 3. Mai 1991 gewesen.
(Zurufe von der CDU: Oh!)
Ich finde, dem ist inhaltlich nichts hinzuzufügen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben damals einen einstimmigen Beschluss gefasst. Sie sollten sich – vor allen Dingen der Parteistratege Herr Lindner – eines fragen. An diesem Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, kann man ja sehen, dass wir den Substanzverlust der FDP in allen Feldern haben.
(Christian Lindner [FDP]: Ich war damals zwölf Jahre alt!)
– Heute tragen Sie Mitverantwortung für die FDP. Deshalb müssen Sie jetzt ganz besonders aufpassen.
(Zuruf von der CDU: Sie auch!)
Den Substanzverlust der FDP können wir hier exemplarisch nachvollziehen. Bei der Niedersachsenwahl war das ja abzulesen, und es wurde in allen Wahlanalysen dargelegt: Kompetenzwerte gleich null.
(Beifall von den GRÜNEN)
Jörg Schönenborn nennt die FDP im WDR ein „hohles Gerippe“ ohne Inhalte. Genauso inhaltsleer ist dieser Antrag, der und heute hier vorliegt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Senne soll zum Ausverkauf freigegeben werden. Sie betreiben den Ausverkauf unserer Heimat und des unwiederbringlichen Kleinods Senne.
(Volker Jung [CDU]: So ein Blödsinn!)
Alle Ihre Reden vom Naturschutz sind inhaltsleer.
Ein solcher Ausverkauf wird Ihnen aber nicht gelingen. Der Nationalpark sichert das Naturerbe unserer Heimat. Er ist das Zukunftsprojekt für unsere Region.
Diese Werte teilen in der Tat die Menschen in der Region. Das hat nicht nur die repräsentative – die repräsentative! – Umfrage von Emnid belegt. Das belegen auch weiterhin die Zahlen von 2009. Sie haben sich nämlich überhaupt nicht verändert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was die 35.000 Unterschriften angeht, die von der Zahl her gerade einmal 10 % der Menschen im Kreis Lippe entsprechen, muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wie sie zustande gekommen sind. Da ist Menschen erzählt worden: Wenn die Oma im Nationalpark in den Wald geht, fällt ihr der Baum auf den Kopf. Man muss damit rechnen, dass demnächst die Wildkatzen die Hühner meucheln. Es muss befürchtet werden, dass man nirgendwo im Nationalpark mehr spazieren gehen kann. – So sind Unterschriften eingeworben worden. Das waren Lügenmärchen über einen Nationalpark.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen gibt es heute Leute, die sich schämen, dass sie dort unterschrieben haben, und am liebsten ihre Unterschrift wieder zurückholen wollen.
(Volker Jung [CDU]: Sie sollten sich eher für Ihre Rede schämen!)
Ich kann den Menschen in NRW versprechen: Der Nationalpark ist und bleibt auf der politischen Agenda, weil er das Zukunftsprojekt ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dieser Zukunft gehört auch das Informationsbüro Nationalpark Ostwestfalen-Lippe; denn es leistet Informationsarbeit und Umweltbildung für die Menschen in der Region.
2017 – darüber haben wir uns hoffentlich gemeinsam gefreut – wird dort die Landesgartenschau mit dem Thema „Wald“ stattfinden. Im Umfeld des Nationalparkbüros können Sie schon jetzt fast 700 ha Naturwaldzelle erleben. Das wird dort erlebbar gemacht. Dies ist die Aufgabe des Büros vor Ort. Das gehört auch zu den Zukunftsinvestitionen für diese Region.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kollegen und Kolleginnen aus der Region, im Kreis Höxter wohnt jemand, der Sie gerne einladen würde. Ich bin sicher, dass er dann intensiv mit Ihnen sprechen würde. Es ist Klaus Töpfer. Dort sollten Sie einmal einen Workshop belegen.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)
Zum Schluss würde ich gerne noch einmal zitieren, und zwar Klaus Töpfer:
„Wir müssen zusehen, dass wir etwas Positives als Chance nutzen. Dass wir unsere Heimat, Egge und Senne, als fantastisches großartiges Geschenk an uns sehen. Und dass wir dieses Geschenk gut weitergeben an die uns Folgenden, weil es auch Grundlage des Lebens kommender Generationen ist. Wenn wir uns mehr mit den möglichen Chancen beschäftigen und welche Verantwortung und Verpflichtung wir haben, so etwas zu erhalten, dann kommt der eine oder andere vielleicht doch zu einer anderen, sehr viel positiveren Wertung eines Nationalparks.“
Das sind die Werte. Das ist die grüne Programmatik.
(Volker Jung [CDU]: Grüne Programmatik!)
Das ist die Programmatik dieser Koalition von Rot und Grün. Darauf können die Menschen sich verlassen. Rot und Grün machen werteorientierte Politik in diesem Land.
Wir stimmen natürlich mit Ihnen der Überweisung in den Ausschuss zu. Dieser Antrag hat aber keine Chance, Herr Lürbke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

2. Runde

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Jung, Sie können doch nicht leugnen, was in der Region vorgegangen ist. Sammler von Unterschriften haben mit Unterschriftenlisten an Zugängen zur Senne, zur Egge und zum Teutoburger Wald gestanden und gesagt: Hier werdet Ihr nicht mehr hineindürfen, wenn das hier einmal Nationalpark ist! – So haben sie Unterschriften gesammelt. Das halten Sie für eine qualitativ gute Aktion? Dort ist Angst gemacht worden: Wege dürfen nicht mehr betreten werden! Hier ist kein Zugang mehr!
Deswegen ist es richtig, dass es dieses Büro gibt, weil das schon vielen Menschen gezeigt hat, wie ein Nationalpark offen über die Natur informiert, dass er weiter zugänglich ist, dass dort Umwelterleben und Umweltbildung stattfinden, wie das auch in der Eifel der Fall ist.
Noch etwas, Herr Jung: Wenn sich eine Region in Sachen Nationalpark so aufstellt, wie das geschehen ist, und ganz viele Dinge dort hineinrühren, die gar nichts mit dem Nationalpark zu tun haben, sondern mit innerparteilichen Querelen und den Machtkämpfen eines Bürgermeisters aus Augustdorf und der Zukunftsperspektive, wer Landrat wird etc., hat das nichts mit dem Nationalpark zu tun, sondern hat das die Spaltung der Region und vor allen Dingen die Spaltung der CDU vorangetrieben. Das waren die Prozesse, die dahinterstecken. Mit dem Nationalpark hat das recht wenig zu tun.
Eine repräsentative Umfrage, wie sie Emnid und drei Jahre vorher schon der Förderverein für den Nationalpark gemacht haben, haben sich bestätigt. In der Tat: Die Werte sind so, dass die Menschen den Nationalpark insgesamt als positiv für die Region sehen.
Der Minister hat es ausgeführt – ich lege Wert darauf, es noch einmal zu sagen –: Es sind keine Partikularinteressen, die dort verfolgt werden, sondern es handelt sich um ein nationales Naturerbe – in der Einzigartigkeit und mit der Artenvielfalt, wie wir sie in OWL haben. Das sollten Sie endlich als Chance betrachten. Es ist keine Belehrung, wenn ich Sie darauf hinweise, dass Klaus Töpfer ein wertvoller Gesprächspartner für Sie wäre.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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