Josefine Paul: „Keinesfalls dürfen religiöse Erwägungen über das Wohl des Opfers oder über die Möglichkeit der Strafverfolgung gestellt werden“

Antrag der Piraten-Fraktion zur medizinischen Versorgung von Vergewaltigungsopfern

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine junge Frau geht am Wochenende aus, sie möchte sich amüsieren, sie möchte Spaß haben. Leider findet sich diese junge Frau am nächsten Tag auf einer Parkbank wieder – ohne jede Erinnerung daran, was geschehen sein könnte. Allein die Tatsache, sich an einem Ort wiederzufinden, von dem man nicht weiß, wie man dorthin gelangt ist, ist schrecklich. Noch viel schrecklicher aber muss die Erkenntnis sein, dass man auch keine Erinnerung daran hat, was passiert sein könnte, und der Verdacht aufkeimt, man könnte vielleicht Opfer einer Vergewaltigung geworden sein. Leider ist das kein Einzelfall. Immer wieder werden Frauen mit sogenannten K.-o.-Tropfen betäubt und im Anschluss Opfer von Vergewaltigungen.
In den letzten Tagen wurde bekannt, dass zwei katholische Krankenhäuser in Köln eine junge Frau abgewiesen haben, die Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Begründet wurde die Ablehnung einer vollumfänglichen Behandlung damit, dass im Rahmen eines Beratungsgesprächs auch auf die „Pille danach“ hingewiesen werden müsse und dies im Widerspruch zu den moralischen Leitlinien des Krankenhausträgers stünde.
Mittlerweile – das ist gut und richtig so – haben sich die Kliniken und Klinikträger öffentlich bei der jungen Frau entschuldigt und erklärt, dass keine vergewaltigte Frau in Krankenhäusern abgewiesen werde. Der Träger räumte aber auch ein – das gilt es natürlich noch weiter aufzuklären –, dass die im November 2012 erstellte „Ethische Stellungnahme zur Notfallkontrazeption bei Patientinnen, die vermutlich Opfer eines Sexualdelikts geworden sind“, die den Ärztinnen und Ärzten Sicherheit bei ethischen Fragestellungen geben soll, wohl noch nicht alle Bereiche durchdrungen hätte. Aus meiner Sicht wäre es richtig gewesen, darauf zu achten, dass die Ärztinnen und Ärzte dort von Beginn an Handlungssicherheit bekommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese Stellungnahme stellt Fürsorge und Autonomie als zentrale Aspekte in den Mittelpunkt ihres Handlungsleitfadens. Dazu gehört auch, dass Frauen durch Beratung in die Lage versetzt werden müssen, selbst zu entscheiden, ob sie die „Pille danach“ wollen.
Der Träger ist nun aufgefordert, dem eigenen Anspruch, der mit dem Anspruch an Autonomie formuliert wird, tatsächlich gerecht zu werden. Entscheidet sich eine Frau dafür, muss sie zumindest kompetent und unbürokratisch weitervermittelt werden, wenn es immer noch gegen die moraltheologischen Grundsätze verstößt, einer Frau in einer solchen Notlage auch in einem katholischen Krankenhaus die „Pille danach“ zu verschreiben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Doch im konkreten Fall ging es nicht einmal mehr um die Frage der Notfallkontrazeption. Die Notfallärztin hatte nämlich der jungen Frau bereits die „Pille danach“ verschrieben. Das Krankenhaus sollte lediglich eine Untersuchung zur Beweissicherung durchführen. Warum dies nicht geschehen ist und die Frau abgewiesen wurde, gilt es selbstverständlich zu klären. Das Gesundheitsministerium hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls mit der Klärung des Sachverhalts begonnen. Das eingeleitete Prüfverfahren kann zu diesem Zeitpunkt aber aufgrund der Notwendigkeit, den Sachverhalt umfassend zu prüfen und zu beleuchten, noch nicht abgeschlossen sein.
Meine Damen und Herren, wir sollten nicht vergessen: Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht eine Frau, die sich in einer absoluten Krisensituation befunden hat. Oberste Priorität müssen in solchen Fällen der Opferschutz und die umfängliche medizinische sowie psychologische Betreuung der Frauen haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Keinesfalls dürfen religiöse Erwägungen über das Wohl des Opfers oder über die Möglichkeit der Strafverfolgung gestellt werden. Daran sollten wir uns auch in dieser Debatte erinnern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zentral ist in diesem Zusammenhang auch die flächendeckende Ermöglichung der gerichtsverwertbaren Beweissicherung auf dem Wege der anonymen Spurensicherung. Denn oftmals ist das Erlebte für die Frauen so traumatisierend, dass sie die Entscheidung darüber, ob sie Anzeige erstatten wollen, eben erst später treffen können. Für Frauen muss es verlässliche Verfahrenswege geben, auf denen sie Hilfe und Unterstützung finden. Es ist Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung geworden sind, schlicht nicht zuzumuten, zum Spielball unterschiedlicher Moralvorstellungen zu werden. Eine umfassende Versorgung sowie vollständige Beratung inklusive der Aufklärung über die „Pille danach“ müssen unabhängig von moraltheologischen Erwägungen überall in NRW gewährleistet sein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Lamla, noch einen kurzen Satz zu Ihrer letzten Einlassung, wir hätten das alles nur aus Parteitaktiererei gemacht, weil wir sonst Ihrem Antrag hätten zustimmen können: Großen Teilen Ihres Antrags kann ich auch zustimmen und bin Ihnen dankbar für Ihre Initiative. Nichtsdestotrotz müssen wir doch feststellen, dass wir uns zwar in der Sache sind, aber Ihr Vorwurf, wir handelten aus parteitaktischer Erwägung heraus, dem Thema und den Frauen an der Stelle nicht gerecht wird.
(Beifall von der SPD)
Wenn Sie nämlich unseren Antrag lesen und unseren Beschlusspunkten folgen, werden Sie erkennen, dass wir für einen umfassenden Opferschutz und umfassenden Schutz der Frauen an dieser Stelle eintreten. Ich finde, dass das an der Stelle keine Parteitaktiererei, sondern eine sachgerechte Herangehensweise an diese Thematik ist. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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