Altmaier handelt verantwortungslos

Hans Christian Markert findet

Jedes Kind lernt heute, dass es für den Müll, den es produziert, verantwortlich ist. Dieser Schluss muss insbesondere dort gelten, wo es um die Entsorgung der gefährlichsten Stoffe überhaupt geht: beim Atommüll.
Deswegen war es nur folgerichtig, dass die Europäische Union bereits im vorletzten Jahr in der entsprechenden Richtlinie eine nationale Priorität bei der Entsorgung von Atommüll festgelegt hat. Schon damals gab es Kritik von uns und seitens der Umweltverbände daran, dass die Verbringung in Drittstaaten nicht grundsätzlich ausgeschlossen wurde. Dies mag man noch damit erklären, dass es Staaten gibt, die in der Vergangenheit Atomstrom produziert haben, selber aber technisch und wirtschaftlich überhaupt nicht in der Lage sind, die Verantwortung für die strahlende Hinterlassenschaft zu übernehmen.
Mit dem nun von Herrn Altmaier vorgelegten Entwurf geht die schwarz-gelbe Bundesregierung mehrere Schritte zu weit. Sie formuliert noch nicht einmal einen Vorrang für die Entsorgung des Atommülls in Deutschland. Nachdem also hiesige Konzerne bis heute den zweifelhaften wirtschaftlichen Nutzen auf Kosten der Allgemeinheit aus der Atomenergie-Erzeugung gezogen haben, sollen Menschen in anderen Staaten – zumindest theoretisch – den strahlenden Müll vor die Füße gekippt bekommen.
Dass die Bundesregierung – entgegen den restriktiven Vorgaben des deutschen Atomrechts – grundsätzlich kein Problem mit internationalen Atommüll-Verschiebereien hat, belegt der seinerzeit laxe Umgang des früheren Umweltministers Röttgen mit atomaren Abfällen, die er zur Wiederaufbereitung ins russische Mayak verbringen wollte. Erst der massive Widerstand nicht zuletzt von uns Grünen in NRW konnte dies gemeinsam mit den Umwelt- und Anti-Atomgruppen verhindern.
Wenn nun aber die sogar legale Möglichkeit eröffnet werden soll, die gesamten atomaren Hinterlassenschaften ins Ausland zu verbringen, dann ist das in höchstem Maße unverantwortlich und gefährlich. Fraglich ist nicht nur, ob ein solches Gesetz nicht in eklatantem Widerspruch zum geltenden Atomgesetz stehen würde. Die dortige Zweckbestimmung ist darauf ausgerichtet, Gefahren für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik zu vermeiden. Klar wäre auch, dass es zu Atomtransporten bisher nicht gekannten Ausmaßes kommen würde – samt den Gefahren für die hiesige Bevölkerung und für die mit den Transporten unmittelbar betrauten Personen. Auch nach dem Ausstiegsbeschluss fallen in Deutschland jährlich rund 230 Tonnen Atommüll an. Vor allem aber würde Menschen in Drittstaaten unter möglicherweise sehr viel laxeren Bedingungen als bei uns die Verantwortung für unser nationales Strahlenerbe aufgebürdet. Das kann und darf nicht sein.
Wir werden Herrn Altmaier sein Gerede, er habe doch gar nicht vor, das Gesetz in dieser Hinsicht anzuwenden, nicht durchgehen lassen. Glaubwürdig ist diese Einlassung nur, wenn die Verbringung deutschen Atommülls in Drittstaaten in dem Gesetz ausgeschlossen wird.
Wenn der Ausstiegsbeschluss von Seiten der Bundesregierung ernst gemeint war, dann müssen Hintertüren bei der Entsorgung genauso geschlossen bleiben wie bei Wiedereinstiegsszenarien. Das letzte Kapitel der deutschen Atommüllgeschichte muss mit der unmittelbaren und ernsthaften Suche eines verantwortbaren Endlagerstandortes in Deutschland jenseits des als ungeeignet nachgewiesenen Standortes im Salzstock von Gorleben beginnen. Und glaubwürdig ist der Ausstiegsbeschluss zudem nur dann, wenn die Urananreicherung in unserem Land ebenfalls endgültig beendet wird.