Norwich Rüße: „Ich hoffe, dass Sie alle unter einem Weihnachtsbaum feiern, der nicht die Umwelt, nicht die Natur und schon gar nicht die Anwohner geärgert oder geschädigt hat.“

Antrag der FDP zu Weihnachtsbäumen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorliegenden Antrag und gerade auch bei dem Gedicht, dass Sie zum Schluss vorgetragen haben, hatte ich schon das Gefühl, dass wir nicht mehr in der Weihnachtszeit sind, sondern schon ein Stück weiter, nämlich in der Zeit des Karnevals.
(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch und Unruhe von der CDU)
Wirklich ernst nehmen kann man den Antrag, den Sie hier heute vorgestellt haben – gerade auch den Titel und die ersten Zeilen –, überhaupt nicht. Man hat den Eindruck, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Die eine besteht darin, dass Sie sich mit dem Thema bislang überhaupt nicht ernsthaft beschäftigt haben, dass Sie gar nicht wissen, worum es geht. Das wäre schade, würde aber den Antrag erklären.
Die zweite Möglichkeit wäre, liebe FDP – Ihre Ideologe von Freiheit und Markt geht Ihnen ja über alles –, dass Ihnen freies Unternehmertum eben auch über Natur, über Umwelt und über die Sorgen von Anwohnern geht.
(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)
Ich finde es schade, dass Herr Lindner jetzt nicht da ist. Ich habe nämlich am Wochenende eine interessante Debatte zwischen unserem Landesvorsitzenden, Herrn Lehmann, und Herrn Lindner mitbekommen. Da ging es um Gartenzwerge. Das fand ich spannend.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das war ich!)
– Genau, Sie waren auch dabei. – In dieser Debatte hat man festgestellt: Ihnen scheinen Gartenzwerge wichtig zu sein. – Uns sind sie nicht wichtig. Andererseits ist uns ein Fairtrade-Logo auf dem Gartenzwerg wichtig, Ihnen aber überhaupt nicht. Spannend ist die Frage: Warum Fairtrade? Jetzt denken Sie: Warum kommt er mit Fairtrade?
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Jetzt reiten Sie sich immer tiefer rein! – Weitere Zurufe)
– Hören Sie doch mal einen Moment zu, dann wissen Sie auch, worum es hier geht! – Fairtrade-Siegel sind ideal, um einen Ausgleich zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen zu schaffen. Dadurch können wir alles miteinander verbinden.
(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)
Wenn die Sauerländer Weihnachtsbaumanbauer das beherzigt hätten, dann wären wir ein ganzes Stück weiter. Es hat ja Gespräche gegeben. Wir haben große Veranstaltungen gehabt – ich war da, weiß aber nicht, ob Sie da waren –, wo es die Versprechen der Weihnachtsbaumanbauer gab: Jawohl, wir haben verstanden. Wir ändern. Wir haben verstanden, dass die Anwohner nicht mehr ertragen, was dort passiert. – Haben Sie sich das Fair-Forest-Siegel denn mal angeguckt?
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
– Herr Brockes, Sie sind doch ahnungslos wie immer.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Das ist doch das Problem. Gucken Sie sich doch mal die Kriterien fürs Fair-Forest-Siegel an. Das sind Allgemeinplätze, das sind Punkte, die sowieso schon in Gesetzen festgelegt sind. Das muss man nicht bei einem Siegel vorschreiben.
Vor wenigen Tagen gab es einen Brief der Verbraucherzentrale zum Thema „Fair Forest“. Darin schreibt die Verbraucherzentrale an Herrn Mütherich, einen der ganz großen Weihnachtsbaumanbauer, das sei wenig ambitioniert, und – das ist das Wichtigste – das Siegel sei sogar ein wenig irreführend.
Dann kommt man mit einem solchen Siegel eben auch nicht mehr weiter. Kein Wunder, dass die Proteste der Menschen weitergehen. – So viel zum Siegel und zur Aussage, da habe vor Ort irgendein Ausgleich stattgefunden. Das alles hat nicht gereicht. Das Fair-Forest-Siegel ist ein Witz!
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie entscheiden wieder?)
– Stellen Sie doch eine Frage, Herr Stamp, und rufen Sie nicht immer dazwischen!
(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Wenn Selbstregulierung so versagt, wie sie hier versagt hat, dann ist am Ende eben der Staat gefordert, eine gewisse Regelung einzuziehen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)
Sie sollten bei einem solchen Antrag auch nicht immer Worte wie „Kinderfreuden“ und „Weihnachtsbaumtradition“ benutzen.
(Heiterkeit von den PIRATEN – Zurufe von der CDU und der FDP)
Warum tun Sie das? Warum sagen Sie im Antrag nicht ehrlich, worum es Ihnen geht?
(Zurufe von der CDU und von der FDP)
Sie wollen freie Fahrt für freie Weihnachtsbaumanbauer! Das ist Ihr Interesse! Darum geht es im Kern!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU und von der FDP)
In der Realität vor Ort wurde die Gesetzeslücke schamlos ausgenutzt. Das ist die Realität!
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nicht, dass Sie einen Herzinfarkt bekommen!)
Ich sage Ihnen eines, liebe Kollegen der CDU-Fraktion: Im Hochsauerlandkreis haben wir Grünen noch – ich sage: noch – keine Mehrheit.
(Heiterkeit und Zurufe)
Aber der Hochsauerlandkreis – da sind Sie von der CDU dabei gewesen – hat uns eine Resolution geschickt: Bitte ändert das! Kümmert euch! Ändert die Zustände rund um Bestwig! Macht, dass das so nicht mehr weitergeht! – Dann müssen Sie doch mit uns dafür kämpfen, dass wir eine Änderung hinkriegen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich sage Ihnen noch etwas, weil hier so viel rumgeflunkert worden ist, die Weihnachtsbäume kämen aus Osteuropa. So ein Unfug! Es ist genau andersherum: Wir exportieren ein Drittel der Bäume aus dem Sauerland nach Polen, nach Tschechien, nach Frankreich. Deshalb ist es völliger Quatsch, dass Sie davon ausgehen, wir hätten irgendwelche Baumimporte. In Polen kann man nicht mal Weihnachtsbäume anbauen. So sind die Tatsachen.
Zum Schluss sage ich Ihnen: Wir werden dafür sorgen, dass die kleinen traditionellen Weihnachtsbaumanbauer weiterhin ihre Kulturen betreiben können. Aber klein heißt dann auch klein. Das heißt nicht 50 Hektar, 100 Hektar, 500 Hektar. Das wäre bei Ihnen ja auch alles klein. Das werden wir nicht machen. Wir werden mit unseren Regelungen, die wir einführen werden,
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie führen es wieder ein!)
dafür sorgen, dass die Überflutung des Marktes mit Weihnachtsbäumen aufhört und die kleineren Betriebe eine Chance haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege.
Norwich Rüße (GRÜNE): Eine Sache zum Schluss: Die Überweisung lehnen wir natürlich nicht ab.
Ich wünsche Ihnen – das darf ich bei diesem Thema machen – schon jetzt ein frohes Fest und hoffe, dass Sie alle vielleicht unter einem Weihnachtsbaum feiern, der nicht die Umwelt, nicht die Natur und schon gar nicht die Anwohner geärgert oder geschädigt hat.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Wenn Sie solch ein Exemplar mal sehen wollen: Gehen Sie vor unseren Fraktionssaal, da können Sie sich das mal angucken. Ich glaube, das ist in diesem Jahr der schönste Baum, der im Landtag steht. – Vielen Dank.
(Anhaltender lebhafter Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)