Wissenschafts- und Forschungspolitik Dezember 2012

Newsletter

Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,
ein ereignisreiches (Wahl-)Jahr liegt fast hinter uns und ich möchte kurz vor Jahresende noch einmal über einige Neuigkeiten aus dem Hochschulbereich informieren.
Seit letzter Woche liegt der Haushalt 2013 vor, der in dieser Woche in erster Lesung im Landtag beraten wurde und voraussichtlich kurz vor den Osterferien verabschiedet wird. Der Wissenschaftsetat verzeichnet erfreulicherweise gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs um knapp 776 Millionen Euro auf rund 7,41 Milliarden Euro. Der weitaus überwiegende Teil dieser zusätzlichen Mittel dient der Stärkung von Lehre und Studium an den Hochschulen und Universitätskliniken sowie deren Sanierung und Ausbau. Ein weiterer Teil geht an die Studentenwerke und in die Forschung.
Darüber hinaus sind kürzlich die Eckpunkte für die Hochschulgesetznovelle vorgestellt worden. Für uns Grüne bedeutet das eine wichtige Weichenstellung zur Wiederherstellung der demokratischen Verhältnisse an unseren Hochschulen. Parallel dazu wurde jetzt mit einer kleinen Gesetzesnovelle die Handlungsfähigkeit für minderjährige Studierende geregelt – vor dem Hintergrund des doppelten Abiturjahrgangs ein notwendiger Schritt. Und wenn im nächsten Jahr die Studierendenzahlen weiter steigen, muss zusätzlicher studentischer Wohnraum geschaffen werden. Hierzu haben wir eine parlamentarische Initiative gestartet und setzen neben mehr Landesmitteln auch auf die Kooperation aller Akteure vor Ort an den Hochschulstandorten.
Mehr zu diesen und anderen Themen im Folgenden.
Eine schöne Adventszeit, ruhige Weihnachtstage und die besten Wünsche für 2013.
Viele Grüße
Ruth Seidl
Wissenschaftspolitische Sprecherin
Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW

Themen

  • Haushalt 2013: Einzelplan 06: Innovation, Wissenschaft und Forschung
  • Eckpunkte Hochschulgesetz-Novelle
  • Studentischen Wohnraum fördern – flexible Lösungen gemeinsam erarbeiten
  • Regelungen für die Handlungsfähigkeit minderjähriger Studierender
  • Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe stärken – Kooperationsmodell zur Medizinerausbildung zwischen den Universitäten Bielefeld und Bochum fördern

Haushalt 2013: Einzelplan 06: Innovation, Wissenschaft und Forschung
Die Entwicklung im Einzelplan Innovation, Wissenschaft und Forschung ist weiterhin positiv. Nach „Schule“ ist Wissenschaft der zweitgrößte Bereich im Landeshaushalt. Gegenüber dem Vorjahr gibt es einen Zuwachs um knapp 776 Mio. Euro auf rund 7,41 Mrd. Euro. Dieser Mittelaufwuchs um 11,5 % liegt deutlich über der Steigerung des gesamten Landeshaushaltes von rund 2 %.
Der weitaus überwiegende Teil dieser zusätzlichen Mittel dient der Stärkung von Lehre und Studium an den Hochschulen und Universitätskliniken sowie deren Sanierung und Ausbau. Ein weiterer Teil geht an die Studentenwerke und in die Forschung. Im Fokus stehen in diesem Jahr vor allem die vorgezogenen Mittel für den Hochschulpakt. Zur Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs stehen den Hochschulen in 2013 insgesamt 830 Mio. Euro zur Verfügung.
Rot-Grün hat damit die Mittel für die Hochschulen seit 2011 kontinuierlich und deutlich gesteigert:

  • von 3,15 Mrd. Euro in 2010 wurden sie um rund 1,26 Mrd. Euro auf rund 4,41 Mrd. Euro in 2013 erhöht.

Darunter sind:
+ 249 Mio. Euro an Qualitätsverbesserungsmitteln,
+ 718,6 Mio. Euro für den Hochschulpakt,
+ 137,2 Mio. Euro für die Globalbudgets der Hochschulen,
+ 19,8 Mio. Euro für die Reform der Lehrerausbildung,
+ 51,5 Mio. Euro für das Hochschulmodernisierungsprogramm
+ 57,2 Mio. Euro für den Ausbau des Fachhochschulbereichs
+ 4,6 Mio. Euro für den Ausbau Lehramt Sonderpädagogik
sowie weitere Einzelmaßnahmen für die Hochschulen.

  • Zusätzlich kommen noch 9,4 Mio. Euro für die Studentenwerke hinzu

Und auch der Forschungsbereich wird gestärkt: mit dem Ausbau des neuen Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion in Mühlheim, dem Aufbau des Fraunhofer-Anwendungszentrums Industrial Automation (INA) in Lemgo und dem Aufbau des Centrums für angewandte Regenerative Entwicklungstechnologien (CARE) in Münster. Darüber hinaus sind 5 %ige Steigerungsraten der Budgets der Forschungseinrichtungen sowie Mittel für die Förderung von Forschung, Innovation und Lehre auf den Feldern der Nachhaltigkeitswissenschaft (Initiative „Fortschritt NRW“) zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen vorgesehen.

Eckpunkte Hochschulgesetz-Novelle
Die Eckpunkte für die Hochschulgesetznovelle sind eine wichtige Weichenstellung zur Wiederherstellung der demokratischen Verhältnisse an unseren Hochschulen.
Erfreulicherweise konnten wir den Eckpunkten eine deutlich grüne Handschrift verleihen. So sind die Stärkung des Senats, in dem künftig alle vier Statusgruppen gleichberechtigtes Stimmrecht haben sollen, und die Einschränkung der Kompetenzen des Hochschulrats Ergebnis unseres Beratungsprozesses mit dem Ministerium. Darüber hinaus soll das Parlament zur strategischen Gesamtplanung für die bundesweit dichteste Hochschullandschaft wieder mehr Verantwortung übernehmen und regelmäßig über einen Landeshochschulentwicklungsplan entscheiden.
Außerdem konnten wir Festlegungen hinsichtlich der Gleichstellung/Frauenquote, Diversity Management, der Sicherung guter Arbeitsbedingungen für das Hochschulpersonal und der Organisation des Studiums (Prüfungsordnungen, Anwesenheitspflichten etc.) erreichen.
Wir wollen die Hochschulen im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs, in dem sie riesige Anstrengungen unternehmen müssen, nicht mit zusätzlichen Aufgaben belasten. Allerdings geht es jetzt auch darum, den Forderungen der Studierenden und der Beschäftigten nach grundlegenden Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb in Fragen der Gleichstellung, der Mitsprache und der Organisation des Studiums gerecht zu werden und die Reformen zügig umzusetzen. So wie die aktuelle Regelung zur rechtlichen Handlungsfähigkeit minderjähriger Studierender, besteht immer die Möglichkeit, über eine kleine Gesetzesnovelle besonders drängende Fragestellungen vorzuziehen.
Für uns Grüne ist es auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren wichtig, alle Beteiligten einzubinden und gemeinsam Ideen und Anregungen für die künftige Ausrichtung der Hochschullandschaft zu entwickeln. Daher freue ich mich, den konstruktiven Austausch mit Ihnen/Euch zu diesem Thema fortzusetzen.
Hier die Eckpunkte, das Statement der Ministerin dazu und meine Rede aus der Aktuellen Stunde zur Hochschulautonomie.

Studentischen Wohnraum fördern – flexible Lösungen gemeinsam erarbeiten
Bereits jetzt gibt es an einigen Standorten Engpässe bei der Bereitstellung von studentischem Wohnraum. In Zeiten des doppelten Abiturjahrgangs wird sich die Situation voraussichtlich noch einmal verschärfen. 9 von 10 Studierenden leben außerhalb von Studierendenwohnheimen. Zunehmende Wohnungsengpässe und steigende Mieten in wachstumsstarken Ballungsräumen und Universitätsstädten machen es für Studierende schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die Anzahl der Studierenden, nach einem Höhepunkt in 2013, perspektivisch sinken wird. Ein zukunftsfähiger studentischer Wohnungsbau setzt daher voraus, dass der Wohnraum auch für andere Zielgruppen geeignet oder mit geringem Aufwand anderweitig zu nutzen ist.
Alle Akteure auf dem Wohnungsmarkt sowie die Studentenwerke sind gefordert, rasch auf die unbefriedigende Versorgungslage zu reagieren. Vor diesem Hintergrund haben wir gemeinsam mit dem Fachbereich Bauen und Wohnen eine parlamentarische Initiative gestartet und die Landesregierung aufgefordert, auf Basis der sozialen Wohnraumförderung des Landes und in Kooperation mit den Kommunen der Hochschulstandorte, den Studentenwerken und den Unternehmen der Wohnungswirtschaft kurzfristige und kreative Lösungen zur Bewältigung des Nachfrageüberhangs im Bereich des studentischen Wohnens zu erarbeiten und umzusetzen.
Die Landesregierung hat schon jetzt zugesagt, studentischen Wohnraum mit mindestens 50 Mio. Euro pro Jahr zu fördern. Dass dabei auch in langfristigen Dimensionen und im Zusammenwirken mit der Stadtentwicklung gedacht wird, ist dabei sehr erfreulich. Wenn nun alle Beteiligten an einem Strang ziehen, dann können wir in den verbleibenden Monaten noch Einiges erreichen, um die schwierige Situation im nächsten Wintersemester so gut wie möglich zu meistern.
Unser Plenarantrag und der Bericht des Wissenschaftsministeriums „Die Wohnraumsituation der Studierenden und Studienanfänger/innen in NRW“

Regelungen für die Handlungsfähigkeit minderjähriger Studierender
Die von der Landesregierung vorgeschlagene Änderung des Hochschulgesetzes, die wir gestern in zweiter Lesung verabschiedet haben, wird der Tatsache gerecht, dass unsere Erstsemester, Studierenden und HochschulabsolventInnen immer jünger werden. Insbesondere ab dem Abiturjahrgang 2013 rechnen wir an unseren Hochschulen mit deutlich mehr minderjährigen Studierenden. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzentwurf zur Handlungsfähigkeit minderjähriger Studierender auch eine wichtige Maßnahme zur Vorbereitung auf den doppelten Abiturjahrgang.
Bisher benötigen minderjährige Studierende für jede verwaltungsrechtliche Handlung an der Hochschule eine schriftliche Erlaubnis ihrer Erziehungsberechtigten. Das betrifft beispielsweise die Prüfungsan- und -abmeldung, den Zugang zu Bibliotheken oder nicht mit einer „Kindersicherung“ versehenen Computern und vieles mehr. Nicht alle Hochschulen haben dazu bisher eigene Regelungen eingeführt. Zudem unterscheiden sich die bestehenden Regelungen von Hochschule zu Hochschule. Auch wenn bereits einige Hochschulen eine schriftliche Generalvollmacht der Erziehungsberechtigten zur Einschreibung ihrer minderjährigen Kinder verlangen, so bergen diese Vollmachten eine rechtliche Unsicherheit, da dies gesetzlich so nicht vorgesehen ist. Der Gesetzentwurf schafft nun eine rechtssichere Generalvollmacht, mit der die minderjährigen Studierenden eine verwaltungsrechtliche Handlungsfähigkeit erhalten. Während für die Einschreibung selbst weiterhin die Einwilligung der Eltern Voraussetzung ist, können Studierende unter 18 Jahren im Rahmen ihres Studiums ohne die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter handeln.
Damit geben wir unseren jungen Studierenden die Autonomie, ihr Studium selbst in die Hand zu nehmen, ohne bei organisatorischen Fragen ständig die Einwilligung der Eltern einholen zu müssen.
Der Gesetzentwurf zum Download.

Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe stärken
– Kooperationsmodell zur Medizinerausbildung zwischen den Universitäten Bielefeld und Bochum fördern
Ostwestfalen-Lippe ist schon jetzt eine leistungsstarke Gesundheitsregion mit 124 Krankenhäusern und Rehakliniken sowie mit 21 Kurorten und Heilbädern – das ist die Hälfte aller Kurorte und Heilbäder in NRW. Hinzu kommt die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld mit zahlreichen Kooperationen.
Es ist bemerkenswert, wie sich die ganze Region OWL aufstellt, um die vorhandene Struktur an Gesundheitswirtschaft noch stärker mit Lehre und Forschung zu verbinden. Die Universität Bielefeld stellt seit 1994 mit der Fakultät für Gesundheitswissenschaften eine deutschlandweit einmalige Einrichtung mit Lehr- und Forschungserfahrungen mit mehr als 40 Kooperationsprojekten und Kooperationsbeziehungen im medizinischen und medizinnahen Bereich. Diese einmalige Infrastruktur gilt es zu stärken.
Deshalb haben wir uns in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, OWL zur Modellregion für die praktische Medizinerausbildung zu machen. Vor dem Hintergrund der guten Ausgangslage in der Region wollen wir mittels eines Kooperationsmodells zwischen den Universitäten Bielefeld und Bochum die medizinische Ausbildung in OWL fördern.
Das Modell sieht so aus, dass die Studierenden die ersten sieben Semester bzw. den theoretischen Teil des Medizinstudiums in Bochum verbringen und dann an die Kliniken oder Lehrpraxen in OWL wechseln, um ihren klinisch-praktischen Ausbildungsteil zu absolvieren.
Zudem werden zwischen den Universitäten und Kliniken in Bielefeld und Bochum gezielt Kooperationen in der medizinischen Forschung gefördert. Dazu wird ein medizinischer Forschungsfonds OWL eingerichtet. Die Forschung soll sich auf die Stärken und bisherigen Kompetenzen der Region in diesem Bereich konzentrieren, auch um damit Forschungsfelder zu behandeln, die von anderen Universitätskliniken nicht oder kaum bearbeitet werden, wie z. B. Allgemeinmedizin, Pflege, Krankenhaushygiene, Palliativmedizin, Geriatrie, Behindertenmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auch sollen Modellprojekte für Formen neuer Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegekräften und medizinischen Assistenzberufen unterstützt werden, um Sektorengrenzen zu überwinden.
Der Rot-Grüne Entschließungsantrag und meine Rede dazu.