Mehrdad Mostofizadeh: „Wir wollten den Kurs von Schwarz-Gelb beenden und den Kommunen mit dem Stärkungspakt helfen.“

Landeshaushalt 2013 - Erste Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lindner hat gerade den Raum verlassen. Ich möchte ihm zu zwei Punkten, auf die er mich angesprochen hat, antworten.
(Christof Rasche [FDP]: Ich richte es ihm aus!)
– So ist das. Das kann er im Protokoll nachlesen, oder man richtet es ihm aus.
Der erste Punkt bezog sich auf die Steuerpolitik des Bundes. Da hat er erneut nach seiner Selbstinszenierung, die er vorhin betrieben hat, mit einer relativ unfassbaren Arroganz behauptet, ich würde nicht verstehen, wie diese Progression funktioniert, und dass mir der Basiseffekt der Prozentrechnung nicht geläufig sei.
Ich weiß sehr wohl, dass, wenn man eine progressive Linie hat, natürlich diejenigen, die mehr verdienen, mehr zahlen, und dass sie, wenn sie entlastet werden, stärker entlastet werden. Ich habe das nicht bestritten. Darum geht es auch.
Wenn wir jetzt – das hat die Ministerpräsidentin dargestellt – einerseits den Grundfreibetrag anheben und andererseits die Progression verschieben, entlasten wir die Besserverdienenden stärker – und zwar nominell. Das ist einfach so.
Dann muss man sich – das ist die sehr wichtige Frage – entscheiden: Können wir das finanz- und haushaltspolitisch verantworten? Können wir das auch darstellen, insbesondere im Konzert anderer staatspolitischer Maßnahmen, die zu treffen sind? Die Ministerpräsidentin sagte zutreffend, dass wir auf unseren Landeshaushalt achten müssen. Wenn Sie auf der anderen Seite sagen, wir sollten keine Steuergeschenke oder sonstigen Versprechungen auf Pump machen, nehmen wir Sie als Maßstab. Wenn Sie diese Entlastung machen wollen, sagen Sie im Bundeshaushalt, woher die Entlastung für diese Maßnahmen kommt, damit die Länder und Kommunen nicht mehr belastet werden – nicht mehr und nicht weniger.
Zum Punkt „Vermögensteuer“: Herr Laumann hat versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die Vermögensteuer nicht verfassungskonform auszugestalten sei und dass es nicht möglich sei, diese zu erheben. Auch dazu hatten wir eine relativ beeindruckende Anhörung. Sie war für meinen Teil insofern beeindruckend, als die Vortragenden im Wesentlichen Ideologiephrasen vorgetragen und sich nicht zur Sache ausgelassen haben.
Das Problem der Vermögensteuer, was die Bewertung von Immobilien betrifft, haben auch die Grundsteuer und die Erbschaftsteuer. Wenn die FDP möchte, dass die Erhebung von Erbschaft- und Grundsteuer heute eingestellt wird, soll sie das sagen und auch mitteilen, woher dann das Geld für die Kommunen und das Land kommt. Das ist nicht unsere Position.
Ein weiterer Punkt liegt mir wirklich sehr schwer im Magen, nämlich die Inklusion. Herr Lindner hat eben versucht, den Eindruck zu erwecken, als wollte die Landesregierung die Kommunen bei der Inklusion im Regen stehen lassen. Ich kann Ihnen an dieser Stelle aber Folgendes nicht ersparen: Herr Kollege Witzel, Sie haben offenkundig im Dezember 2009 ganz persönlich diesen Landtag und insbesondere die schwarz-gelbe Koalition daran gehindert, überhaupt anzuerkennen, dass wir Inklusion als Auftrag haben und dass das Land sie umzusetzen hat. Das ist FDP pur in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Er hat sich offensichtlich nicht kundig gemacht, da er davon spricht, dass die Barrierefreiheit in den Kommunen Inklusionsaufgabe der Landesregierung sei.
(Ministerin Sylvia Löhrmann: Der Schulministerin!)
– Oder der Schulministerin. – Ich kann vor diesem Hintergrund nur darauf hinweisen: Für die baulichen Aspekte – da müsste man Barrierefreiheit sehr genau definieren – ist zunächst einmal die Kommune zuständig.
Man musste nicht auf das Jahr 2009 warten. Es gibt eine ganze Menge Kommunen, die es bereits vor dem Erlass der UN-Konvention umgesetzt haben. Zu anderen Punkten der Barrierefreiheit – es geht um Computer, um Hörgeschädigte und um andere Fragen –, hat die Landesregierung sehr wohl erklärt, dass sie bei der Prozessausgestaltung im Boot ist. Insofern haben Sie sich in diesem Punkt demaskiert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte angesichts der fortgeschrittenen Zeit nur noch auf zwei Aspekte hinweisen. Der eine Aspekt bezieht sich auf einen Punkt, der mich wirklich ärgerlich macht und von dem ich dachte, dass in diesem Landtag ein Konsens bestünde. Es geht um die Frage, dass wir nicht bewusst und wider besseren Wissens Landesinstitutionen zum Schaden des Landes schlechtreden.
Herr Kollege Witzel hat mit Billigung des Fraktionsvorsitzenden Lindner mehrfach behauptet, sowohl die Erste Abwicklungsanstalt als auch die WestLB kämen ihren Pflichten zum Schaden des Landes nicht nach. Nach meinem Kenntnisstand ist Ihnen mehrfach nicht nur das Gegenteil dargelegt, sondern auch bewiesen worden, und zwar am 31. August durch die Landesregierung, die Vorstände der EAA und die Vorstände der WestLB-Nachfolgergesellschaft Portigon. Herr Kollege Witzel, Sie betreiben billigen Populismus auf dem Rücken des Landes. Das kann zu Milliardenschäden führen und verhindern, dass die Portigon ein vernünftiges Geschäftsmodell bekommt und die EAA ihre Arbeit erfolgreich betreiben kann, um die darin liegenden Werte vernünftig abzuarbeiten. Das finde ich schäbig. Das gehört sich in diesem Parlament einfach nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lassen Sie mich einen letzten Punkt zum Stärkungspakt Stadtfinanzen klarstellen, der mir ein persönliches Anliegen ist. Es ist unbestritten sehr ärgerlich, nun diese Neuberechnung vornehmen zu müssen. Klar ist aber auch, alle Fraktionen des Landtages haben diese Neuberechnung gefordert. Wer etwas fordert, muss auch mit den Ergebnissen leben. Das ist Punkt eins. Punkt zwei ist, wenn wir das nicht schon 2011 vollzogen hätten, hätten die Städte und Gemeinden jetzt 760 Millionen € weniger überwiesen bekommen. Das wollten wir ausdrücklich nicht. Wir wollten den Kurs von Schwarz-Gelb beenden und den Kommunen mit dem Stärkungspakt helfen.
(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)
Die FDP hat einen Sinneswandel vorgenommen und sich diesem Stärkungspakt angeschlossen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Herr Lindner einen Ausweg sucht und gewissermaßen einen Tunnel gräbt, um sich wegzuschleichen.
Herr Kollege Abruszat, es geht darum, wie die Finanzierung der zweiten Stufe im Jahr 2014 im Gesetz formuliert werden kann. Es betrifft die Solidaritätsumlage. Es wundert mich nicht, dass sich die FDP drückt. Die Solidarität steht auf ihrer Skala nicht ganz weit oben. Einen zweiten Punkt finde ich sehr beachtenswert, den Herr Kollege Biesenbach und Herr Kollege Kuper vorgetragen haben. Die CDU fordert allen Ernstes eine Ausstiegsoption für den Stärkungspakt. Glauben Sie, dass die Stadt Essen auf eine Entlastung von 90 Millionen € verzichtet? Insgesamt ist das eine halbe Milliarde Euro. Glauben Sie das ernsthaft? Glauben Sie, dass Oberhausen 60 Millionen € vom Land nicht nimmt, um den Konsolidierungsprozess fortzuführen?
Noch etwas anderes ist wichtig. Sie tun so, als ob diese Städte vor dem Stärkungspakt in einer rosigen Situation gewesen wären. Ich weise nur auf Oberhausen hin. Der Haushalt von Oberhausen wies im Jahr 2010 ein Defizit in Höhe von 145 Millionen € aus. Mit Hilfe des Landes durch den Stärkungspakt und das GFG sowie mit den Entlastungsmaßnahmen des Bundes, wird es gelingen, einen Haushaltsausgleich bis 2016 hinzubekommen. Die Entlastungsmaßnahmen des Bundes sind hart erstritten worden. Sie werden nicht gewährt, weil Schwarz-Gelb es wollte, sondern weil wir sie im Bundesrat letztendlich dazu gezwungen haben. Das sind doch ganz wesentliche Erfolge, die diese Landesregierung zu verantworten hat. Das unterscheidet sich ganz wesentlich von dem, was CDU und FDP machen.
Herr Kollege, zu dieser Wahrheit gehört auch, dass die Kommunen ihre Politik massiv geändert haben und sehr massiv zu diesem Konsolidierungsprozess beitragen. Das steht im Gegensatz zu dem der Fall, was Herr Wolf in seiner Amtszeit zu verantworten hatte. Insofern klappt das Zusammenspiel.
Lassen Sie mich einen letzten Aspekt zum Stärkungspakt nennen. Herr Kollege Biesenbach und Herr Kollege Abruszat verschweigen in dieser Debatte immer, dass sie genau den Kommunen, die sie nun retten wollen – Wuppertal, Oberhausen –, über die GFG-Debatte zusätzlich zweistellige Millionenbeträge wegnehmen wollen.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Allein für Essen wären es 30 Millionen €. Für Wuppertal wären es ebenfalls etwa 30 Millionen € und für Oberhausen auch. Sie sind in diesem Zusammenhang so etwas von verlogen, wie es gar nicht anders geht. Ich würde die Füße stillhalten und Fakten auf den Tisch bringen.
(Dr. Marcus Optendrenk [CDU] schüttelt den Kopf.)
– Herr Kollege Optendrenk, Sie brauchen gar nicht mit dem Kopf zu wackeln. Genauso ist es.
Herr Kufen ist ein guter Kollege von mir. Wenn er sich einen schlanken Fuß macht und sagt, der Oberbürgermeister in Essen müsse das retten, dann kann ich nur fragen, ob er auf die 90 Millionen € verzichten und das kompensieren soll. Sie sind doch nicht mehr ernst zu nehmen, was den Stärkungspakt anbetrifft.
Diese Landesregierung wird den Konsolidierungsprozess der Kommunen fortschreiben. Wenn diese Bundesregierung 2013 Geschichte sein wird, wovon ich ganz sicher ausgehe, dann hoffe ich, es wird im Bund zu weiteren Entlastungsmaßnahmen für die Kommunen und Länder kommen. Dann wird auch die Politik, die in Nordrhein-Westfalen mit diesem Haushalt angelegt worden ist, eine vernünftige Entfaltung bringen.
Ich freue mich schon auf die zweite Lesung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Vorschläge der CDU zum massiven Haushaltkonsolidierungsprozess auf dem Tisch liegen. Ich freue mich darauf, wenn Herr Kollege Sternberg vortragen wird: Ich habe mich geirrt, die Kulturkürzungen sind doch richtig, ich mache keine Oppositionsreflexe mehr. – Ich freue mich darauf, wenn er oder Herr Kollege Lindner sagen, sie arbeiten am Konsolidierungsprozess der Landesregierung mit. Ich habe ein bisschen Hoffnung, aber nicht viel. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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