DS 16/1629 Wiedereinführung der bewährten Kurzarbeiterregelung schafft Planungssicherheit für Unternehmen und sichert Arbeitsplätze

Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

I.

Die führenden Forschungsinstitute haben Anfang Oktober 2012 ihre Vorhersagen für 2012 und 2013 nach unten revidiert. In ihrem Herbstgutachten sagten sie für Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent in diesem und von 1,0 Prozent im nächsten Jahr voraus. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in diesem und im nächsten Jahr mit einem Plus von 0,9 Prozent. Gründe sind die Rezession in der Euro-Zone und die allgemein schwächere Weltwirtschaft. Auch der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im Oktober zum sechsten Mal in Folge. Das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer fiel spürbar von 101,4 Punkten auf 100 Punkte.
Eine der Ursachen ist die Absatzschwäche der Automobilindustrie. Durch aktuelle Überkapazitäten drohen Stellenstreichungen und Werksschließungen. Auch NRW ist von der Krise der Automobilindustrie in Bochum und in Köln betroffen. In der Stahlsparte von ThyssenKrupp sind schon im August 2012 die ersten Beschäftigten in Kurzarbeit gegangen.
Vor diesem Hintergrund brauchen die Unternehmen Planungssicherheit auch bei Auftragsrückgängen und die Möglichkeit, durch Verbesserung der Konditionen bei der Kurzarbeit Arbeitsplätze zu erhalten. Die Kurzarbeit ermöglicht den Unternehmen eine flexible Personalanpassung durch den schnellen Abbau von Kosten, der flexible Einsatz von Personal bei Auftragseingängen stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und verhindert Entlassungen von Fachkräften.
Die im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009 eingeführten Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld sind jedoch mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ teilweise wieder zurückgenommen worden. Zum 31. Dezember 2011 sind entfallen:

  • die alternative Erfüllung der Mindestvoraussetzungen (10 Prozent-Regelung),
  • die Gewährung von Kurzarbeitergeld an Leiharbeitnehmer und -arbeitnehmerinnen,
  • die hälftige bzw. volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge der Beziehenden von Kurzarbeitergeld an Arbeitgeber und Arbeitgeberin,
  • die SV-Erstattung für Betriebe des Gerüstbaugewerbes in der Schlechtwetterzeit.

Die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld ist für die ab dem 01. Januar 2012 beginnende Kurzarbeit auf die gesetzliche Bezugsfrist (§ 177 Abs. 1 Satz 3 SGB III) von sechs Monaten begrenzt. Die Bundesregierung kann die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld dabei auf dem Wege der Verordnung auf bis zu 24 Monate verlängern. Für eine Wiedereinführung der 2009 beschlossenen Sonderregelungen bedarf es jedoch einer erneuten Gesetzesänderung auf Bundesebene.
Allerdings hat vor allem die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge bewirkt, dass die Unternehmen eine längere Dauer der Auftragsschwäche durchstehen konnten. Dies galt insbesondere dann, wenn nicht nur Teile des Unternehmens, sondern das ganze Unternehmen bzw. die produzierenden Teile des Unternehmens betroffen waren.
Schon während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag am 19. April 2010 waren sich fast alle Experten und Expertinnen einig, dass die Kurzarbeit” so gut wie gar nicht missbraucht wurde“ und auch keineswegs den Strukturwandel behinderte. So erläuterte beispielsweise der DGB, dass im Jahre 2009 in der Spitze bis zu 65.000 Unternehmen kurz gearbeitet haben. Dem standen nur wenige hundert Missbrauchsverdachtsfälle gegenüber. Das Risiko für die Unternehmen, entdeckt zu werden, sei relativ groß, weil bei einer missbräuchlichen Inanspruchnahme sehr viele Beteiligte und damit Mitwisser vorhanden sind.
Zur vermeintlichen Verzögerung eines notwendigen Strukturwandels führte das IAB aus, dass Kurzarbeit von den Unternehmen nur dann fortgesetzt werde, wenn sie auf absehbare Zeit wieder mit einer stärkeren Auslastung rechnen. Auch bei Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge verbleiben bei den Unternehmen Remanenzkosten in Höhe von 24 Prozent, die ein starker Anreiz sind, bei fehlender Auslastung die Kapazitäten anzupassen.
Insgesamt wird deutlich, dass eine ausreichende Planungssicherheit alleine auf der Grundlage der möglichen Ausweitung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate noch nicht gewährleistet werden kann. Zusätzlich ist die Wiedereinführung der Sonderregelungen zur Sozialversicherung unabdingbar. Deshalb ist die Bundesregierung gefordert, schnellstmöglich eine gesetzliche Grundlage im SGB III zu schaffen, damit auch die Sonderregelungen für die Kurzarbeit unbürokratisch und schnell per Verordnung im Bedarfsfall wieder in Kraft gesetzt werden könnten.

II.

Der Landtag unterstützt die Forderung von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden nach einer vorsorglichen Wiedereinführung des bewährten Instrumentariums eines konjunkturellen Kurzarbeitergeldes.
III.
Darüber hinaus fordert der Landtag die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, durch eine Änderung des SGB III eine unbefristete Wiedereinführung der Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld einzusetzen. Dabei sind folgende Regelungen zu schaffen:

  • Anhebung der auf sechs Monate gekürzten gesetzlichen Bezugsdauer für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld (KuG) auf 18 Monate. Im Bedarfsfall kann das KuG bei Vorliegen außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt durch Rechtsverordnung auf 24 Monate ausgeweitet werden.
  • Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 50 Prozent in den ersten sechs Monaten und von 100 Prozent ab dem siebten Monat.
  • Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 100 Prozent bei Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme, wenn der zeitliche Umfang der
  • Qualifizierungsmaßnahme mindestens 50 Prozent der Ausfallzeit beträgt.
  • Förderung von Kurzarbeit in Verleihunternehmen , wenn im Einsatzbetrieb, an den die Leiharbeiter verliehen sind, gleichzeitig Kurzarbeit für die entsprechenden
  • Produktionsbereiche durchgeführt wird durch entsprechende Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
  • Beibehaltung der Bedingung, dass mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem Entgeltausfall betroffen sein muss.
  • Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge für Betriebe des Gerüstbaugewerbes in der Schlechtwetterzeit in Höhe von 50 Prozent in den ersten sechs Monaten und von 100 Prozent ab dem siebten Monat.
  • Erleichterung des administrativen Aufwands für die Zulassung der Qualifizierungsmaßnahmen nach der „Anerkennungs- und Zulassungs-verordnung Weiterbildung“.

IV.
Der Landtag stellt fest, dass eine auskömmliche Finanzierung der Bundesagentur für Arbeit eine wichtige Voraussetzung ist, um im Fall konjunktureller Krisen Maßnahmen wie z. B. das konjunkturelle Kurzarbeitergeld zu finanzieren. In der Vergangenheit hat die Bundesregierung der BA in erheblichem Umfang Mittel entzogen, so dass die Rücklagen der Agentur von knapp 18 Milliarden Euro auf aktuelle ca. zwei Milliarden Euro zurückgegangen sind. Die Handlungsfähigkeit der BA zur Finanzierung von Maßnahmen zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen darf nicht eingeschränkt werden. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, eine ausreichende Finanzierung der Bundesagentur für Arbeit sicherzustellen.