Dr. Ruth Seidl: „Die Verantwortung für die Schulzeitverkürzung und den doppelten Abiturjahrgang tragen der Bund und die Länder gemeinsam“

CDU-Antrag zum doppelten Abiturjahrgang

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kaiser, man hatte eben das Gefühl, dass Sie sich nicht getraut haben, die dreisten Behauptungen, die in diesem Antrag zu finden sind, vorzutragen. Zumindest haben Sie nicht so viel darüber gesprochen.
Ich möchte auf die im Antrag der CDU beschriebene Ausgangssituation zurückkommen, in der die Maßnahmen der damaligen Landesregierung zur Vorbereitung auf den doppelten Abiturjahrgang 2013 dargelegt werden. Ich finde es großartig, dass Sie mir an dieser Stelle die Gelegenheit geben, Ihnen detailliert aufzuzeigen, wie wir Sie fünf Jahre lang regelrecht zum Jagen getragen haben. Es wurde ja behauptet, dass wir überhaupt nichts gemacht und Sie damals eigentlich alles auf den Weg gebracht hätten.
Seit 2006 haben wir kontinuierlich Druck gemacht, um dafür zu sensibilisieren, dass wir mit G8 auch die Konsequenzen im Hochschulbereich tragen müssen.
Ich kann dazu noch einmal die Anträge aufzählen: der erste Antrag vom 5. September 2006 „Zukunftschancen sichern – NRW braucht eine Offensive für mehr Studienplätze“, Antrag vom 27. Februar 2007 „Zugangsbeschränkungen sind keine Lösungen – die NRW-Hochschulen brauchen eine echte Studienreform“, Antrag vom 11. September 2007 „NRW braucht eine Hochschuloffensive gegen den Fachkräftemangel“, Antrag vom 11. November 2008 „Landesregierung versagt bei der Vorbereitung von Hochschulen und Ausbildungsmarkt auf den doppelten Abiturjahrgang“, Antrag vom 9. Dezember 2008 „Nicht versprechen, sondern handeln: Hochschulbauten jetzt sanieren!“, Antrag vom 19. Mai 2009 „Hochschulpakt II darf nicht scheitern – genügend Studienplätze für die nächste Generation schaffen“, der Antrag vom 4. Mai 2007 – auch ein Antrag der SPD-Fraktion – „Weniger Zukunft war nie – Studiengebühren abschaffen – Hochschulpakt umsetzen – Verantwortung übernehmen“ und der Antrag vom 13. November 2008 – auch ein Antrag der SPD-Fraktion – „Abiturjahrgang 2013 braucht eine klare Perspektive – Zweiter Hochschulpakt darf kein zweiter Reinfall für NRW werden.“ – Dies nur, damit Sie einen Eindruck bekommen, wer die eigentlichen Antreiber in Sachen Studienplatzaufbau auch in der 14. Legislaturperiode waren, damit hier kein falsches Bild entsteht.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
Wenn Sie dann noch bei Ihrem historischen Rückblick die Abschaffung der Studiengebühren als ein Dilemma für den Aufwuchs der Studienplätze darstellen – das haben Sie ja eben wieder gesagt –, dann kann ich nur entgegnen, Herr Kaiser: Sie haben es immer noch nicht verstanden – genau wie Ihre Fraktion insgesamt. Die Qualitätsverbesserungsmittel, die zur Kompensation der Studiengebühren an den Hochschulen zur Verfügung gestellt wurden, können gar nicht für den Aufwuchs an Studienplätzen genutzt werden. Sie dienen doch alleine der Qualität der Lehre. Da bringen Sie immer etwas durcheinander. Also hören Sie doch endlich auf, diese Falschnachricht ständig zu wiederholen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es ist auch eine freche Behauptung, dass wir die zwischen 2005 und 2010 auf den Weg gebrachten Maßnahmen jetzt nicht fortsetzen würden.
Natürlich haben wir den Hochschulpakt fortgeführt, und zwar über das mit den Hochschulen bislang verabredete Maß hinaus. Insbesondere im letzten Jahr, in 2011, hat es eine deutliche Aufstockung gegeben, um die Auswirkungen der ausgesetzten Wehrpflicht abzufedern.
Für das stark nachgefragte Studienfach Medizin – darüber haben wir gestern gesprochen – sind wir dabei, kontinuierlich 1.000 zusätzliche Studienplätze aufzubauen, und zwar nur alleine aus unseren Mitteln. Der Bund hat sich da versagt.
Wir setzen den Ausbau der vier neuen Fachhochschulen fort und ziehen auch deren Endausbau zeitlich vor.
Geradezu zynisch ist es, dass Sie heute behaupten – das steht in Ihrem Antrag –, dass wir uns erst jetzt um den Wohnraumbedarf für Studierende kümmern würden und nicht vorher. – Wer hat denn eigentlich in den Jahren zuvor die Zuschüsse an die Studentenwerke im Jahr 2006 um 8 Millionen € – also um sage und schreibe 20 % – gekürzt? – Das waren Sie zu Ihrer Regierungszeit.
Was wir derzeit brauchen – auch vor dem Hintergrund der Demografie – sind in der Tat flexible Lösungen. Deshalb stellt das Land aus dem sozialen Wohnungsbau zusätzliche Mittel bereit, um zum Beispiel quartiersbezogene Konzepte zu unterstützen und auch Impulse für brachliegende Stadtquartiere auszulösen.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie bitte, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kollege Ellerbrock zulassen?
Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Ja, gerne.
Holger Ellerbrock (FDP): Frau Kollegin, darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass – unabhängig von der Kürzung der Gelder für die Studentenwerke im Jahre 2006; das habe ich zwar nicht mehr präsent, aber ich glaube Ihnen das, wenn Sie das sagen – Schwarz-Gelb 2008, 2009 und 2010 damals mit Flexibilisierung im experimentellen Wohnungsbau gerade auch für Studenten eine Menge getan hat? Hatten Sie das vergessen?
Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Wir haben nicht vergessen, dass es ein umfangreiches Konzept gegeben hat und auch mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II saniert worden ist. Das ist richtig, das fanden wir auch gut. Das haben wir auch unterstützt. Nichtsdestotrotz sind die Mittel verloren gegangen, die wir damals zur Verfügung gestellt haben, damit die Studentenwerke Kredite aufnehmen und zusätzlichen Wohnraum schaffen konnten. Das haben Sie damals zurückgefahren, und zwar massiv.
Unser Ziel ist es, jährlich 750 zusätzliche Plätze zu schaffen. Damit erreichen wir so viel, wie andere Flächenländer auch.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es wäre schön, wenn Sie sich in diese Debatte konstruktiv einbringen und anstatt Nordrhein-Westfalen schlechtzureden, sich für eine angemessene Aufstockung des Hochschulpaktes bei Ihrer Bildungsministerin einsetzen würden. Denn die Verantwortung für die Schulzeitverkürzung und den doppelten Abiturjahrgang tragen der Bund und die Länder gemeinsam. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)