Arndt Klocke: „Der vorgelegte Haushalt steht ganz klar für eine moderne ökologische Mobilitätspolitik.“

HH 2012 Stadtentwicklung und Verkehr

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um direkt einmal auf Herrn Moritz einzugehen: Sie werden es nicht glauben, aber wir als regierungstragende Fraktion freuen uns über den Beschluss der Bundesregierung, mehr Geld für die Straßeninfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wir Grünen hätten uns zunächst einmal gewünscht, wenn 750 Millionen € zur Verfügung gestellt worden wären, dass die nicht vollständig für den Straßenbau eingesetzt werden, sondern man hätte auch noch etwas für die Schiene und andere Verkehrsträger nutzen können. Aber wenn diese Mittel in die Straße gehen, braucht gar nicht der Verkehrsminister in Berlin anzuklopfen und zu sagen, wir brauchen in NRW etwas, sondern es gibt den Königsteiner Schlüssel, und eigentlich müssten 20 % dieser Gelder nach Nordrhein-Westfalen gehen.
(Reiner Breuer [SPD]: Was immer noch zu wenig ist!)
Ich kenne die Priorisierungsliste und habe den Prozess mitgemacht: Wir haben weit über zehn Jahre genug priorisierte, also mit höchster Planungsstufe durchgeplante Projekte, die man sofort angehen könnte. Diese Mittel in Nordrhein-Westfalen sind dringend notwendig. Wenn uns die Bundesregierung das Geld zur Verfügung stellt, werden der Verkehrsminister und Straßen.NRW rasch Projekte haben, die zügig umgesetzt werden können.
Von daher: Gut dass diese Mittel kommen. Es sind noch zu wenige Mittel. Das gilt vor allen Dingen für den Bereich der Schieneninfrastruktur. Sie wissen wahrscheinlich auch, dass bei den Mitteln für den Schieneninfrastrukturausbau nur 2 % der Gelder nach Nordrhein-Westfalen gehen, obwohl Nordrhein-Westfalen das größte Bundesland ist und hier 20 % der Menschen leben, wir eine große Fläche haben. Trotzdem gehen nur 2 % der Gelder nach Nordrhein-Westfalen. Da wäre Ihre Unterstützung in der Bundesregierung angebracht, dass nicht nur Geld für den Straßenbau, sondern auch für den Ausbau von Schieneninfrastruktur nach Nordrhein-Westfalen fließt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie uns da noch Kunde geben und positive Signale mitbringen könnten – es ist ja noch ein Jahr, bis Sie in Berlin abgelöst werden –, wären wir sehr froh, wenn sich bis dahin noch etwas bewegen würde.
(Beifall von Wibke Brems [GRÜNE])
Der vorgelegte Haushalt steht ganz klar für eine moderne ökologische Mobilitätspolitik. Wir geben in diesem Jahr 1,5 Milliarden € für ÖPNV und SPNV aus – das hat auch Kollege Breuer eben gesagt –, das sind knapp 30 Millionen € mehr als im Haushalt 2011. Nordrhein-Westfalen hat mittlerweile im Bundesländerindex, der jedes Jahr von der Allianz pro Schiene herausgegeben wird, Platz 1.
Und wir haben es insbesondere geschafft – da hat Kollege Christof Rasche recht –, in diesem Haushalt einen neuen Akzent zu setzen. Wir fördern aktiv nichtautomobile Mobilität, indem wir den Radwegeausbau hochgesetzt und den Aktionsplan Nahmobilität vorgestellt haben. Es gibt viele Menschen, die verstärkt aufs Fahrrad setzen, um eine reale Alternative in der Alltagsmobilität zu haben, wie sie zum Arbeitsplatz kommen, wie sie zum Einkauf kommen.
Wir waren doch, lieber Christof Rasche, beide zusammen bei dem Parlamentarischen Abend der Verkehrswacht, wo uns die ZEG, die Zentrale Einkaufsgenossenschaft der Fahrradhändler, die Zahlen vorgestellt hat. 1 Million Elektroautos haben wir noch lange nicht auf unseren Straßen. Trotz der vielen Fördergelder der Bundesregierung sind wir bei knapp 3.000. Aber wir haben Ende des Jahres 1 Million E-Bikes auf deutschen Straßen – ohne Fördergelder. Das ist eine Abstimmung, die die Leute beim Einkauf treffen, weil sie in ihrer alltäglichen Mobilität eine Alternative haben wollen.
Ich wundere mich immer: Die CDU setzt immer auf Straße, Straße, Autos, Autos. Wir brauchen auch vernünftig ausgebaute Straßen. Wir werden auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin immer Autos, LKWs etc. als wichtige Verkehrsträger haben. Aber die moderne Mobilität sieht anders aus. Die jungen Leute sind doch ganz anders unterwegs. Die haben ihr iPhone und gucken, wenn sie zu einer Party oder einer Veranstaltung wollen, auf die verschiedenen Apps: Fahre ich da mit der Bahn hin? Leihe ich mir ein Auto? Wo gibt es Carsharing? Wo gibt es ein DB-Bike? Das, was die Leute heutzutage nutzen, ist Mobilität 2.0.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Dazu kommt von Ihrer Seite leider gar nichts.
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Klocke, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rehbaum, CDU-Fraktion, zulassen?
Arndt Klocke (GRÜNE): Gerne.
Vizepräsident Daniel Düngel: Dann machen wir das. Herr Rehbaum, Sie haben das Wort.
Henning Rehbaum (CDU): Herr Kollege Klocke, wenn Ihnen die alternativen Mobilitätsformen so am Herzen liegen: der Schienenverkehr, der ÖPNV, der SPNV, warum wird dann die Investitionspauschale für Stadtbahnsysteme gekürzt, obwohl Sie genau wissen, dass dort bis 2016 ein Instandhaltungsrückstau von 1,4 Milliarden € herrscht?
(Beifall von der CDU und der FDP)
Arndt Klocke (GRÜNE): Ja, das ist mir bekannt. Dafür geben wir mehr im Bereich der Schieneninfrastruktur aus. Das ist eine Umschichtung. Im ÖPNV-Gesetz sind die Mittel umgeschichtet worden. Diese 30 Millionen € haben wir in einen anderen Bereich gesteckt; das wissen Sie auch.
(Zuruf von Arne Moritz [CDU])
– Das habe ich doch eben gesagt, wir geben das im Bereich der Schieneninfrastruktur, der Schieneninvestitionsmittel aus. Natürlich, das wissen Sie auch. Das ist eine Umschichtung im ÖPNV-Gesetz. Ich weiß, das ist in der Anhörung kritisiert worden, und wir diskutieren das auch entsprechend. Aber wir haben doch in diesem Bereich keine Kürzung, sondern eine ganz klare Umschichtung von Mitteln in einen anderen Bereich.
Die dringende Aufgabe, die vor uns steht – das ist Ihnen doch genauso bekannt wie mir –, ist, dass wir insgesamt mehr Geld im Bereich der Verkehrsinfrastruktur brauchen. Deswegen bin ich sehr gespannt, was bei der Daehre-Kommission herauskommt. Die Ergebnisse werden in den nächsten Wochen vorgestellt, und dann werden wir sie intensiv zu diskutieren haben. Wie geht man mit den Vorschlägen, zum Beispiel der Ausweitung der LKW-Maut, um? Wie geht man mit Vorschlägen nach einer City-Maut um? Wie geht man damit um, dass auch eine PKW-Maut im Gespräch ist?
(Christof Rasche [FDP]: Bürgermaut!)
– Ja, lieber Christof Rasche, die Frage stellt sich doch ganz konkret: Wie bekommen wir mehr Geld ins System. Auch die Bundesregierung sagt: In diesem Bereich fehlt uns im Jahr 1 Milliarde €. Es muss die Frage gestellt werden: Welche Mechanismen, welche Konzepte liegen vor? Da wird uns die Daehre-Kommission hoffentlich entsprechende Antworten geben. Ich bin gespannt, wie hier die Reaktionen von CDU und FDP auf die Vorschläge, die die eigene Regierung in Berlin macht, sind, ob sie mitgetragen werden oder ob dagegengehalten wird, wie das heute anklang.
Dieser Haushalt zeigt, dass wir Mobilität vielfältig denken, dass wir in die klassischen Verkehrsträger investieren, dass wir aber auch moderne Angebote fördern und ausbauen wollen. Für uns ist gelungene Mobilität auch wichtig für die Arbeitsplätze und für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen aber auch Alternativen anbieten. Wir wollen die Straßen entlasten. Wir wollen, dass die Leute hier im Land reale Umstiegsmöglichkeiten haben.
Deshalb ist für uns der Verkehrsmix die Perspektive für die Zukunft und nicht ein reines Setzen auf den alten Verkehrsträger Straße und Auto. Das wird in diesem Haushalt berücksichtigt. Es sind Gelder umgeschichtet worden. Deswegen unterstützen wir diesen Haushalt, haben keine Änderungsanträge und bitten Sie um Zustimmung. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)