DS 16/1266 Weiterhin keine Genehmigung von Fracking-Technologie bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas – Wasserschutz sichern – Informations- und Wissensdefizite beseitigen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Eine Erdgasgewinnung in NRW erfolgt bislang nicht. In Nordrhein-Westfalen befassen sich jedoch mehrere Unternehmen mit konkreten Überlegungen, ob auch hier Erdgas aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten einen Beitrag zur Gasversorgung leisten könnte.
Bei den unkonventionellen Erdgas-Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen handelt es sich um vermutete Kohleflözgas- und Schiefergas-Vorkommen. Die Bergbehörde in Nordrhein- Westfalen hat einigen Unternehmen in den letzten Jahren bergrechtliche Erlaubnisse zur Aufsuchung erteilt. Diese verleihen den jeweiligen Unternehmen zunächst nur das Recht, in ihrem jeweiligen Gebiet exklusiv Betriebsplanzulassungen für Bohrungen zur Aufsuchung von unkonventionellem Erdgas beantragen zu dürfen, gestatten aber noch keinen Eingriff in den Untergrund. Mittelfristig ist es allerdings Ziel der Unternehmen, Anträge zur Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas – ggfls. unter dem Einsatz der Frackingtechnik stellen zu wollen. Die Erkundung der potenziellen Erdgas-Vorkommen steht somit in NRW noch am Anfang.
Die Besonderheit bei der Nutzung unkonventioneller Gaslagerstätten ist es, zunächst Wegsamkeiten zu schaffen, damit das im Gestein gebundene Gas auch gefördert werden kann. Dabei könnte die sogenannte Fracking-Methode zum Einsatz kommen, bei der eine Frackflüssigkeit, nach heutigem Stand der Technik ein Gemisch aus Wasser, Chemikalien und Stützmitteln (Sand, Ton, chemische Additive), unter hohem Druck an bestimmten Stellen einer Bohrung in das gasführende Gestein gepresst würde, um es aufzubrechen, Wegsamkeiten zu schaffen und die Risse offen zu halten. So könnte das Gas aus dem Gestein entweichen, der Bohrung zuströmen und gewonnen werden. Dieses Verfahren, die zum Einsatz kommenden Zusatzstoffe und deren Auswirkungen auf die Umwelt – insbesondere das Grundwasser und das Trinkwasser – müssen kritisch betrachtet werden. Das kann zu der Beurteilung führen, dass das „Fracking“ nicht mit unseren Umweltstandards vereinbar ist und daher nicht zulassungsfähig wäre.
SPD und GRÜNE haben in ihrem Koalitionsvertrag 2012 im Zusammenhang mit der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten u.a. vereinbart:
„Unkonventionelles Erdgas mit giftigen Chemikalien zu suchen und zu gewinnen, halten wir für nicht verantwortbar. Wasser ist unser Lebensmittel Nummer 1. Deshalb dürfen Trink- und Grundwasser nicht gefährdet werden.“
Für Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten sind in Nordrhein-Westfalen bisher zwar Aufsuchungserlaubnisse, jedoch keine Gewinnungsberechtigungen erteilt.
Da es in Nordrhein-Westfalen kaum Erfahrungen mit der Erdgas-Förderung gibt und die Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit diversen Risiken verbunden ist, hat die rot-grüne Landesregierung nach ihrer Wahl im Jahre 2010 frühzeitig angemessene Maßnahmen in die Wege geleitet:

  1. Sie hat bereits am 29. Juni 2011 einen Bundesratsantrag (DS 388/11) eingebracht, der die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte Vorhaben der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten und insbesondere für den Einsatz der Fracking-Methode zur Pflicht und eine transparente öffentliche Beteiligung unerlässlich macht. Die Durchsetzung dieser Forderungen scheitert bislang noch an der Ablehnung durch CDU-/FDP-regierte Landesregierungen.
  2. Sie hat bereits am 18. November 2011 sowie am 24. Februar 2012 die Bergbehörde per Erlasse angewiesen, in Nordrhein-Westfalen zunächst einmal grundsätzlich nicht über vorliegende Anträge für Erkundungsbohrungen mit Fracking zu entscheiden – es sei denn, der Unternehmer verpflichtet sich verbindlich, in seinem gesamten Aufsuchungsfeld dauerhaft auf jegliches „Fracking“ zu verzichten.
  3. Sie hat am 7. September 2012 die Ergebnisse des von der Landesregierung in Auftrag gegebenen „Gutachtens mit Risikostudie zur Exploration und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen (NRW) und deren Auswirkungen auf den Naturhaushalt insbesondere die öffentliche Trinkwasserversorgung“ vorgestellt. Im Zuge dieser Vorstellung haben die für Umwelt und für Wirtschaft zuständigen Minister gemeinsam erklärt,
  • bis auf Weiteres keine Genehmigungen für die Erkundung und Gewinnung unkonventioneller Erdgas-Lagerstätten unter Einsatz von schädlichen Substanzen (Fracking) zu erteilen;
  • Fracking-Aktivitäten in Wasserschutzgebieten, Wassergewinnungsgebieten der öffentlichen Trinkwasserversorgung, in Heilquellenschutzgebieten sowie im Bereich von Mineralwasservorkommen wegen der derzeit unsicheren Datenlage und der nicht auszuschließenden Umweltrisiken grundsätzlich auszuschließen;
  • keine Genehmigungen für Fracking-Maßnahmen zuzulassen, bis die nötigen Datengrundlagen zur Bewertung vorhanden sind und zweifelsfrei geklärt ist, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist (Besorgnisgrundsatz nach Wasserhaushaltsgesetz);
  • dass sie unter Einbeziehung der Wissenschaft in einem gemeinsamen Prozess mit den Unternehmen überlegen, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen letztlich liefern müssen, um die Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Dies soll in einem transparenten und breiten Prozess erfolgen. Im Dialog mit allen Beteiligten (Unternehmen, Behörden, Wissenschaft und den an der Thematik interessierten Bürgerinnen und Bürger) sollen unter Federführung der Wissenschaft Forschungsbohrungen ohne Fracking erörtert werden,
  • zu prüfen, ob geothermische Bohrungen ohne Fracking und Erkundungsbohrungen für Erdgas aus konventionellen Lagerstätten ohne Fracking sowie Untersuchungen mit geophysikalischen Methoden vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Risikostudie genehmigungsfähig sind.

Im nächsten Schritt sollen die Gutachten des Bundesumweltamtes und der Europäischen Union sowie des „Dialogprozesses der Firma Exxon Mobil“ sowie weiterer einschlägiger Gutachten oder Studien genau betrachtet werden. Darauf aufbauend soll ein Katalog der zu präzisierenden Fragestellungen erarbeitet und die Erkenntnisse im weiteren Entscheidungsprozess berücksichtigt werden.
Der Landtag stellt fest:
Die Landesregierung hat mit dem Bundesratsantrag, den Erlassen über Entscheidungen über Anträge zu Erdgasbohrungen mit Fracking und mit der Vergabe des Risikogutachtens sowie den daraus gezogenen Konsequenzen frühzeitig und angemessen auf die Herausforderungen und die vorhandenen Risiken reagiert.
Dabei wurde deutlich, dass es auf Grund der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage nicht verantwortbar ist, zu diesem Zeitpunkt Bohrungen zur Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas in Nordrhein-Westfalen mit dem Einsatz der Fracking- Technologie zu genehmigen. Über Anträge auf Genehmigung von Fracking-Maßnahmen zur Gewinnung unkonventionellen Erdgases kann somit erst dann entschieden werden, wenn die nötige Datengrundlage zur Bewertung vorhanden ist und zweifelsfrei geklärt ist, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist.