Mehrdad Mostofizadeh: „Es muss eine einheitliche Linie des Bundes mit den Ländern geben“

Antrag der SPD-Fraktion zur Coronapandemie

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja immer Rednerinnen, die meinen, die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Da vorne steht einer! – Weitere Zurufe von Marc Lürbke [FDP] und Bodo Löttgen [CDU])
und hier auch Nebenkriegsschauplätze aufmachen zu müssen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Impfungen, die in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland durchzuführen sind
(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Auf der ganzen Welt!)
– und meinetwegen auf der ganzen Welt –, sind eine Aufgabe, die es in diesem Umfang so noch nicht gegeben hat. Vor dem Hintergrund zu sagen, es sei schon alles klar, finde ich schon einigermaßen vermessen. Das sage ich sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Herr Minister, ich komme gleich auch zu den Punkten, bei denen wir vielleicht unterschiedlicher Auffassung sind, aber ich sage zunächst sehr deutlich: Sie haben unsere volle Unterstützung dabei, dieses Impfprogramm so gut und so intensiv wie möglich durchführen zu können. Sie haben uns auch an Ihrer Seite, wenn es um das Werben für eine Impfkampagne geht, wenn es darum geht, die Menschen kommunikativ mitzunehmen, aber auch das Vertrauen aufzubauen, dass diese Impfstoffe wirken, wenn es denn dann auch so ist, denn da ist ja noch einiges an Forschung zu tun. Das kann ich Ihnen ausdrücklich vonseiten der Grünenfraktion hier zusichern.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])
Das vorweggeschickt möchte ich hier noch ein paar Punkte deutlich machen.
Zunächst geht es jetzt vermutlich nur um diesen einen Impfstoff. Wir werden ja hoffentlich auch mehrere bekommen, aber BioNTech scheint ja am weitesten zu sein. Wenn man davon ausgeht, dass man – das sagen die Wissenschaftler – zweimal impfen muss, um den notwendigen Schutz zu erreichen, dann – das hat der WDR in einem Artikel mal hochgerechnet – würden die Impfungen über ein Jahr dauern, wenn man pro Tag einschließlich aller Samstage, Sonntage und Feiertage 60.000 Menschen impfen würde. Und dann hätte man nur 60 % der Bevölkerung geimpft.
Das ist schon ein Kraftakt, den es in der Medizin in diesem Maße in Nordrhein-Westfalen und auf der ganzen Welt noch nicht gegeben hat. Die Aufgabe ist riesig. Tun Sie nicht so, als ob das – wie Frau Schneider suggerieren wollte – schon alles auf dem Weg sei und schon alles geklärt sei. Das ist es definitiv nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich habe mich auch gefragt, ob man den Antrag hätte heute stellen müssen. Das gestehe ich zu. Wenn ich mir allerdings angucke, was jetzt bei den Testungen passiert, mache ich mir schon Sorgen. Da musste erst eine Bundesanordnung kommen, dass die Tests in den Pflegeheimen durchgeführt werden sollen, aber es steht kein Personal bereit. In der letzten Ausschusssitzung haben wir schon ein Stück weit darüber geredet. Da, Frau Schneider, konnte der Minister nicht beantworten, wo denn die Testzentren hinkommen. Aus guten Gründen konnte der Minister verschiedene Fragen nicht beantworten. Es ist Aufgabe des Parlaments, dem nachzugehen.
Herr Kollege Hagemeier, einen ganz wichtigen Punkt verstehe ich nicht. Ich gehe davon aus, dass nicht die Impfmüdigkeit das Problem sein wird, sondern die Masse wird das große Problem sein. Vielleicht wird später eine Impfmüdigkeit eintreten. Nach anderthalb Jahren müssen wir vielleicht über Aufklärungskampagnen diskutieren. Aber wenn das Impfen so schwierig ist, wird es Prioritätenentscheidungen geben müssen. Natürlich gibt es eine Vereinbarung auch mit dem Bund. Die Entscheidung der Gesundheitsministerkonferenz vom 6. November liegt uns ja vor. Es muss eine einheitliche Linie des Bundes mit den Ländern geben.
Aber, Herr Minister, es muss entschieden werden, ob zum Beispiel aufsuchende Impfungen in Pflegeheimen durchgeführt werden. Dafür bedarf es aber erheblicher logistischer Aufwendungen. Denn dieser Impfstoff ist eigentlich für Impfzentren gedacht. Man müsste sehr, sehr teure Geräte – Kühlkästen – kaufen, um diese Impfungen in den Heimen durchführen zu können.
Das sind alles politische Entscheidungen, an denen das Parlament nicht nur beteiligt werden muss, sondern es hat die Prioritätenentscheidungen zu treffen. Denn da wird möglicherweise über Gesundheit, über Leben und Tod und andere Dinge entschieden. Das hat nicht in irgendeiner Kommission, sondern im Parlament stattzufinden, entweder im Bundestag oder im Landtag von Nordrhein-Westfalen, wenn es denn unsere Kompetenz betrifft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und Heike Gebhard [SPD])
Deswegen werden wir auch – auch wenn der Punkt 8 möglicherweise nicht ganz mit dem korrespondiert, was in der Bund-Länder-Vereinbarung steht – dem Antrag der SPD jetzt zustimmen.
Wir haben ja für den Ausschuss eine umfangreiche Anfrage zu den Testungen gestellt. Wir werden dieses Thema sehr intensiv begleiten. Denn eines müssen wir in Nordrhein-Westfalen schaffen: Wenn der Impfstoff verfügbar ist, wäre es die größte Peinlichkeit überhaupt, wenn wir dann logistisch nicht in der Lage wären, den so zu verimpfen, wie es sein müsste.
Mir liegen auch schon zahlreiche Anfragen von Leuten vor: Kommt das Impfzentrum möglicherweise zu uns? Nach welchen Kriterien werden die Impfzentren eingerichtet? – Herr Minister, ich bitte Sie, dass wir das auch ausführlich im AGS diskutieren und dort auch politische Entscheidungen vorbereiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Wir werden dem Antrag der SPD hier zustimmen. Ich finde das Verhalten der Koalition, alles sei schon in Butter, alles sei schon klar und Sie machten das schon, angesichts der Sache und der Aufgabe unangemessen. Deswegen werden wir Grüne uns weiterhin sehr intensiv in die Debatte einbringen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)