Auseinandersetzung mit Rassismus in der Polizei stärken – nachhaltige Maßnahmen einleiten!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

I.        Rechtsextremismus und Rassismus in der Polizei nachhaltig bekämpfen
Die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Verdachtsfälle auf rechtsextreme und rassistische Inhalte in Chatgruppen von Polizeibeamtinnen und -beamten haben zu einer größeren politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit für das Thema Rechtsextremismus und Rassismus in der Polizei geführt. Bereits lange vor dem Bekanntwerden dieser Chatgruppen gab es immer wieder Fälle rechtsextremer und rassistischer Haltungen von Polizeibeamtinnen und -beamten. Diese wurden fälschlicherweise als Einzelfälle betrachtet. Bei Betrachtung der über 100 Verdachtsfälle in Polizei und Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, der Ermittlungen im „Nordkreuz“-Verfahren und der Drohschreiben des „NSU 2.0“ muss jedoch von weiteren, bisher nicht bekannt gewordenen Fällen ausgegangen werden. Deshalb ist es wichtig, nachhaltige Maßnahmen in der Polizei zu etablieren, um Rechtsextremismus und Rassismus wirksam entgegenzuwirken.
Die Voraussetzung für den Erfolg von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus ist eine offene und ernsthafte Auseinandersetzung mit rechten, rassistischen und menschenfeindlichen Haltungen. Rassismus und andere Formen von Menschenfeindlichkeit sind gesamtgesellschaftliche Phänomene, die im jeweiligen sozialen und politischen Kontext betrachtet werden müssen. Die Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen ist eine gesellschaftliche Daueraufgabe, in der die unterschiedlichen Akteure zusammenarbeiten müssen. Für diese Auseinandersetzung ist der Austausch mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft wichtig. Die vielfältigen Problemstellungen, Erfahrungswerte, Entwicklungen und Perspektiven in der Gesellschaft müssen auch in die Debatten innerhalb der Polizei einfließen.
1.       Der Sonderbeauftragte für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei braucht einen Beirat
Der Sonderbeauftragte für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei hat inzwischen die Arbeit aufgenommen. Seine Aufgaben bestehen darin ein Lagebild zu Rechtsextremismus in der Polizei zu erstellen und ein Handlungskonzept zur Früherkennung und Prävention zu erarbeiten.
Zur Erledigung dieser Aufgabe reicht die alleinige Perspektive einer Sicherheitsbehörde nicht aus. Eine differenzierte fachliche Analyse der derzeitigen Strukturen, Funktionsweisen und Dynamiken in den Behörden muss auch wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Expertise einbinden. Dafür reicht es nicht nur eigene Sozialwissenschaftler und Sozialwissenschaftlerinnen zu beschäftigen oder sich punktuell externen Sachverstand hinzuzuziehen. Mit einer kontinuierlichen Begleitung der Arbeit des Sonderbeauftragten, die sowohl Beratung als auch kritische Reflexion umfasst, können beispielsweise Vergleiche zu anderen Organisationen gezogen oder die jeweiligen Vorgänge mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung eingeordnet werden. Dies ist am besten mit einem Beirat, der mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft besetzt ist, zu gewährleisten. Dieser Beirat kann wichtige Impulse für die Gestaltung der Untersuchung in den Polizeibehörden liefern, die Zwischenergebnisse kritisch reflektieren und weitere Vorschläge für Handlungsempfehlungen unterbreiten.
In Nordrhein-Westfalen haben wir eine über Jahre gewachsene Landschaft zivilgesellschaftlicher Initiativen, spezialisierter Informations- und Beratungsstellen und wissenschaftlicher Forschung im Themenfeld Rechtsextremismus und Rassismus. Auf die Expertise dieser Akteurinnen und Akteure zurückzugreifen, birgt ein großes Potenzial für die wichtigen Aufgaben des Sonderbeauftragten.
2.        Das Aufgabenspektrum der Extremismusbeauftragten erweitern
Ein Mitglied der rechtsterroristischen „Gruppe S.“ war als Verwaltungsbeamter im Polizeipräsidium Hamm beschäftigt und wurde ebenso wie die anderen Mitglieder der „Gruppe S.“ am 14. Februar 2020 festgenommen. Vor diesem Hintergrund wurde die Einführung der Extremismusbeauftragten in den Polizeibehörden beschlossen. Ziel war es, eine Stelle auf Leitungsebene zu schaffen, an die Hinweise zu rechtsextremen Bezügen bei Beschäftigten in der Polizei jenseits des Dienstweges gerichtet werden können. Hierdurch sollen diese Verdachtsfälle frühzeitig erkannt werden.
Die Aufgabenbeschreibung der Stellen sieht weder Maßnahmen im Umgang mit menschenverachtenden Haltungen noch einen Sensibilisierungs- und
Präventionsmaßnahmen vor. Aber nicht erst, wenn sich Einstellungen zu einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild entwickelt haben, ist eine empfindliche Grenze für die Polizeiarbeit erreicht. Sondern auch rassistische, antisemitische, frauenfeindliche, homophobe und transfeindliche und andere menschenfeindliche Einstellungen – ohne dass dahinter ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild steht – sind inakzeptabel und können sich negativ auf die Arbeit der Polizei auswirken.
Die Extremismusbeauftragten sollten nicht nur bei Hinweisen auf Fälle , bei denen bereits ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild vorliegt, sondern bereits bei Hinweisen auf Rassismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen ansprechbar sein. Sie müssen frühzeitig und niedrigschwellig für solche Einstellungen in den Behörden sensibilisieren. Eine solche Sensibilisierungsarbeit ist am besten zu gewährleisten, wenn die Beauftragen sich auch mit externen Expertinnen und Experten austauschen. Auch hier bedarf es einer Öffnung in der Polizei für Perspektiven außerhalb der Behörden, um die demokratische Kultur und die Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt in der Polizei weiter zu stärken.
II.        Der Landtag beschließt:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.       einen Beirat zur Arbeit des Sonderbeauftragten für rechtsextreme Tendenzen in der Polizei NRW einzurichten, der mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft besetzt ist.
2.        das Aufgabenspektrum der Extremismusbeauftragten zu erweitern, sodass es auch die Entgegennahme von Hinweisen auf Rassismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen, Maßnahmen zur Sensibilisierung zu diesen Einstellungen in den Behörden sowie einen Austausch mit externen Expertinnen und Experten umfasst.