Matthi Bolte-Richter: „Einen großen Nachholbedarf haben wir auch nach wie vor bei der digitalen Infrastruktur und bei der digitalen Verwaltung“

Abschlussbericht der Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt"

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Arbeitswelt, die Welt um uns herum verändert sich durch die Digitalisierung grundlegend, und sie verändert sich rasend schnell. Die Veränderungen zeigten sich bereits vor der Coronakrise. Es war insofern gut und ein Stück weit auch weitsichtig, dass der Landtag vor über zwei Jahren diese Enquetekommission zur digitalen Transformation eingesetzt hat.
Wir haben über viele der Entwicklungen und Trends mehr als zwei Jahre lang miteinander verhandelt, etwa dass es mehr Homeoffice geben wird, dass es eine Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen geben wird, dass es eine größere Vielfalt von Beschäftigungsformen geben wird. Als wir als Kommission dann den größten Teil unserer Arbeit eigentlich abgeschlossen hatten, kam die Coronapandemie und hat gezeigt, dass das, was wir als Trends am Horizont gesehen und verhandelt haben, plötzlich in rasender Geschwindigkeit Realität wird. Insofern war unsere Arbeit vielleicht ein bisschen wegweisend. Auf jeden Fall war sie eine gute Vorbereitung auf das, was wir in den letzten Monaten miteinander als neuen Normalzustand erlebt haben.
Unsere Arbeit als Kommission war davon geprägt, dass wir die Chancen der Digitalisierung gemeinsam in den Mittelpunkt gestellt haben. Viele der lange erkämpften und bewährten Schutzstandards aus der Arbeitswelt geraten durch die Digitalisierung unter Druck. Sie werden herausgefordert. Wir waren uns in der Kommission im Grundsatz immer darin einig, dass diese Schutzstandards auch in einer sich wandelnden Welt Bestand haben müssen und dass wir in einer sich wandelnden Welt auch schauen müssen, wie wir Flexibilität an den Stellen erreichen, an denen es notwendig ist, ohne die Schutzwirkung dieser Standards infrage zu stellen.
Das ist uns als Kommission, wie ich meine, mit einem sehr weitreichenden Kompromiss auch gelungen. Dieser wird in Bezug auf die Frage der Arbeitszeit auch eine weitreichende Wirkung entfalten. Ich glaube, dass wir darüber noch an vielen weiteren Stellen sprechen werden. Wir werden anhand von Experimentierspielräumen schauen, wo wir etwas anpassen müssen. Diese Diskussion führen wir natürlich gemeinsam mit den Sozialpartnern, damit wir zu für alle Seiten befriedigenden Lösungen kommen.
Wir sind an vielen Stellen weitergekommen, etwa auch bei den rechtlichen Klärungen zu Cloudwork, Clickwork und Gigwork. Wer das nicht versteht, dem seien verschiedene Grafiken empfohlen, anhand derer wir das alles noch einmal wunderbar aufbereitet haben. Die haben auch vielen von uns im Bearbeitungsprozess geholfen. An vielen Stellen sind wir weitergekommen, aber vielleicht nicht ganz bis zum Schluss. Wir haben uns etwa bei der Frage „Homeoffice“ darauf verständigen können, dass wir Homeoffice stärken wollen.
Das ist im Übrigen auch ökologisch sinnvoll. Wir haben kürzlich eine Greenpeace-Studie präsentiert bekommen, aus der hervorgeht: Wenn diejenigen, die es können, an zwei Tagen in der Woche im Homeoffice arbeiteten, könnten wir in Deutschland 5,2 Millionen t CO2-Emissionen einsparen. Insofern wird die Digitalisierung einen klaren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten.
Aber wir sind an dieser Stelle nicht so weit gekommen, dass wir uns auf das verständigt hätten, was wir eigentlich bräuchten, nämlich ein echtes Recht auf Homeoffice, und zwar ein Recht auf Homeoffice, das so ausgestaltet ist, dass die Beschäftigten wirklich davon profitieren, dass Homeoffice freiwillig und auch alternierend, als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz, begriffen und angeboten wird. Es ist natürlich notwendig, dass das alternierend funktioniert, damit die Beschäftigten auch weiterhin in die Betriebskultur eingebunden sein können.
Selbstverständlich darf Homeoffice auch nicht zu unbezahlter Mehrarbeit führen. Arbeit muss dokumentiert und am Ende auch bezahlt werden. Homeoffice darf nicht zu einer Entgrenzung führen, so wie wir es im Shutdown teilweise faktisch erlebt haben, dass neben dem Homeoffice auch noch Kinderbetreuung anstand, sondern wir brauchen einen klaren Grundsatz: Home ist Home, und Office ist Office.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben in der Kommissionsarbeit festgestellt, dass Nordrhein-Westfalen in vielen Sektoren gut aufgestellt ist, dass wir viele Studierende haben und dass wir auch in Zukunftsbranchen stark sind. Aber wir haben natürlich einen Nachholbedarf bei Expertinnen und Experten im IT-Bereich und auch im MINT-Bereich. Eine Herausforderung bedeutet es für uns, die vielen Patentanmeldungen, die wir bei uns im technischen und digitalen Bereich haben, an den Markt zu bekommen. Einen großen Nachholbedarf haben wir auch nach wie vor bei der digitalen Infrastruktur und bei der digitalen Verwaltung.
Eine Erkenntnis ist wirklich sehr wichtig. Das ist auch etwas, was wir in der Kommunikation über diesen Bericht immer wieder mit nach vorne stellen müssen, nämlich dass die Gesamtarbeitsplatzbilanz der Digitalisierung wahrscheinlich positiv sein wird. Wir können insofern auch Ängsten entgegenwirken, allerdings nur dann, wenn wir uns das Thema Bildung und Weiterbildung jetzt vornehmen und das auch entsprechend gestalten.
Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, mich zum Schluss gerne bedanken. Ich hoffe, dass das noch drin ist, auch wenn meine Redezeit schon abgelaufen ist.
(Vizepräsidentin Angela Freimuth räuspert sich.)
Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen ganz herzlich bedanken, die bekanntermaßen die zentrale Rolle bei der Entwicklung eines solches Berichtes und auch in der Vorbereitung der Debatten spielen. Mein Dank gilt Frau Meyer und Frau Beydeda für die Begleitung der Enquetekommission seitens der Landtagsverwaltung. Wir haben Sachverständige bei uns gehabt, die uns mit ihrer Expertise bereichert haben.
Lieber Dietmar, du hast uns als Vorsitzender wirklich richtig gut durch diesen Prozess geführt. Dafür ganz, ganz herzlichen Dank. Das war richtig gut. Wir haben etwas richtig Gutes vorgelegt. Das muss jetzt alles noch umgesetzt werden. Aber du hast uns auf dem Weg sehr gut unterstützt und sehr gut da durchgeführt. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)