Johannes Remmel: „Das ist nicht die Diskussion, die wir in Europa führen“

Anträge der Fraktionen von CDU, FDP und SPD zu EU-Förderprogrammen

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen, die uns jetzt zuschauen, werden vielleicht denken, eine Debatte über eine europäische, landespolitisch gesteuerte Fördermittelvergabe sei vielleicht etwas für Feinschmecker. Auf der anderen Seite geht es um sehr viel Geld, und es geht auch um sehr viele Möglichkeiten der Entwicklung und der Innovation. Deshalb verbindet sich an dieser Stelle der Grundgedanke, sich europäisch gemeinsam zu orientieren, mit den Notwendigkeiten zur Weiterentwicklung unserer Städte, aber auch der Ökonomie in unserem Land.
Nun haben wir heute zwei Anträge zu beraten. Der eine wird an den Ausschuss überwiesen, über den anderen soll heute direkt abgestimmt werden. Insofern lautet meine Kritik am Verfahren direkt an erster Stelle: Herr Minister Pinkwart, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wovor haben Sie eigentlich Angst, weshalb Sie das heute direkt abstimmen lassen wollen? Herr Bergmann, Sie haben eben davon gesprochen, dass es einen sehr ausführlichen, tiefgehenden Antrag der Koalitionsfraktionen gibt. Wenn er tatsächlich diese Tiefe hat, warum lassen Sie über diesen Antrag heute direkt abstimmen, sodass wir darüber nicht im Ausschuss diskutieren können?
Im Übrigen, Herr Minister Pinkwart, ist Ihre Vorlage, die Sie an den Landtag gegeben haben und zu der Sie schon nach der Sommerpause angedeutet haben, in welche Richtung sie geht, bisher ausschließlich im Wirtschaftsausschuss diskutiert worden. Im Europaausschuss ist sie noch nicht diskutiert worden. Ich glaube, dass der SPD-Antrag Anlass genug ist, dieses Thema auch im Ausschuss zu vertiefen, weil sich tatsächlich noch einige Fragen ergeben. Sie wollen Fördersystematiken verändern, Sie wollen aber auch inhaltlich bestimmte Vorgaben, die die EU uns gemacht hat, akzeptieren und nicht mehr hinterfragen.
Ich will das einmal deutlich machen: Wir hatten bisher vier Achsen im Gesamtgeschehen. Die vierte Achse, nachhaltige Stadtentwicklung, ist vonseiten der EU-Kommission als für Deutschland entbehrlich empfunden worden. Offensichtlich sind unsere Städte aus Sicht der EU schon nachhaltig entwickelt. Dem würde ich widersprechen. An vielen Stellen diskutieren wir zurzeit, wie wir uns auf die Zukunft der Mobilität, des Wohnens, der Innenstädte, der europäischen Stadt, der nachhaltigen grünen Infrastruktur einstellen. Deshalb lohnt an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der Kommission dahin gehend, dass wir diese vierte Achse auch zukünftig brauchen.
Sie machen dann den Trick, dass Sie das so ein bisschen in den nachfolgenden Spezialisierungsgebieten – die heißen nicht mehr Leitmärkte – verstecken, aus denen Sie es dann wieder hervorholen. Aber die Auseinandersetzung mit dem Fördergeber EU bezogen auf Deutschland wollen Sie offensichtlich nicht führen. Das ist bedauerlich und bedürfte eigentlich der tieferen Debatte.
Zudem wollen Sie die Fördersystematik verändern, und zwar von den Leitmärkten weg. Aber wohin soll es denn gehen? Wie soll es denn funktionieren? Wir stehen schließlich nicht am Anfang einer Förderdiskussion, sondern befinden uns schon in einer Entwicklung, die so gestaltet worden ist, um von einer vielleicht der politischen Klientel orientierten Förderung wegzukommen und hin zu einer objektiven Förderung und auch zur einer Qualifizierung zu kommen.
Sie aber wollen offensichtlich wieder zurück zur Klientelförderung. Sie wollen die Qualifizierung abschaffen. Wofür brauchen wir denn diese Instrumente? Wenn Sie sich einmal ein bisschen mit der Materie beschäftigt hätten, wüssten Sie, dass viele Förderanträge der Qualifizierung bedürfen, um überhaupt in die Förderung zu kommen. Diese Systematik wollen Sie schleifen. Sie wollen zurück zur Bedienung einer politischen Klientel, Sie wollen zurück zur Gießkanne. Ja, was denn sonst?
Wir haben doch eine Entwicklung, und Sie müssten sagen, was an der jetzigen Entwicklung falsch läuft. Da gibt es einiges zu diskutieren, insbesondere die Zeitläufe. Es gilt beispielsweise das Beihilferecht zu diskutieren – aber da sind Sie nicht konsequent genug –, um vielleicht einige Erleichterungen herbeizuführen. Sie stellen das in Berlin vor, aber hier im Antrag taucht es nicht auf.
Und dann zum Stichwort „De-minimis-Beihilfe“. Auch da könnte man das eine oder andere in den Systematiken verändern.
Verräterisch allerdings – und das ist meine größte Kritik – sind die Überschriften, die Sie wählen. Sie sprechen von einem CO2-armen Europa. Das ist nicht die Diskussion, die wir in Europa führen.
(Ralf Witzel [FDP]: Doch!)
– Nein.
(Ralf Witzel [FDP]: Sicher!)
– Nein. Es ist die CO2-Neutralität.
(Ralf Witzel [FDP]: Ach!)
– Ja, nicht ach. Sie sprechen von CO2-arm und nicht von CO2-neutral. Sie sprechen auch nicht vom Green Deal, obwohl Sie es in anderen Anträgen wiederum tun. In diesem tun Sie es allerdings nicht.
Mir scheint es – und, Herr Witzel, ich glaube, ich habe getroffen –, dass dieser Antrag vor allem von der liberalen Fraktion und vom liberalen Wirtschaftsminister ein Stück mitgeprägt ist.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Die CDU hat Federn lassen müssen.
(Lachen von der FDP – Ralf Witzel [FDP]: Nicht schlecht!)
Sonst müssen Sie mir erklären, warum Sie an dieser Stelle der Politik der Kommission nicht folgen, nämlich CO2-Neutralität in Europa zu erreichen und einen Green Deal zu machen, was eine bedeutende Veränderung insbesondere auch der nordrhein-westfälischen Industrie bedeuten würde.
Stellen Sie sich mal vor, wir würden es schaffen, die chemische Industrie in einem Kreislauf zu führen. Ein gewaltiges Vorhaben! Jedenfalls hat das die Kommission vor.
Sie folgen dem leider nicht, und darüber müssten wir eigentlich in der Tat im Ausschuss und vor allem im Begleitausschuss intensiver diskutieren. Stellen Sie sich dieser Diskussion. Seien Sie offen, hier noch zu Veränderungen zu kommen. So, wie Sie es heute vorgelegt haben, ist es jedenfalls nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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