Arndt Klocke: „Hier wird ein Menschenbild deutlich, welches zumindest vier Fraktionen in diesem Hause nicht teilen“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu Wohnungsleerständen

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, die Rede des Kollegen Paul hätte mehr Applaus verdient gehabt. Denn sie hat die zentralen Argumente gegen diesen Antrag sehr gut und sehr sachlich dargestellt.
Lieber Stephen Paul, ich muss ehrlich sagen: Ich bewundere deinen sachlichen Vortrag zu diesem Antrag. Inhaltlich ist das komplett richtig, aber man hätte natürlich auch andere Worte für das finden können, was die AfD uns da vorgelegt hat.
Es ist in der Sprache eindeutig feindlich gegenüber Zugewanderten, die unsere Unterstützung dringend verdient haben. Hier wird ein Menschenbild deutlich, welches zumindest vier Fraktionen in diesem Hause nicht teilen.
Die Idee ist, dass man Geflüchtete in Regionen gibt, in denen überhaupt keine vernünftige Infrastruktur vorhanden ist und in denen Städte auch überfordert sind, Menschen, die geflüchtet sind, entsprechend zu helfen. Es braucht ja gerade eine funktionierende Infrastruktur bei den Hilfsstrukturen, Sprachkurse sowie Communities, die sich um die Geflüchteten kümmern. Dafür braucht und gibt es einen vernünftigen Verteilschlüssel in diesem Land.
All das stellt die AfD mit diesem Antrag infrage und will mit einem sehr seltsamen Menschenbild und einer seltsamen Vorstellung von Stadt- oder Landesentwicklung, die einem mir absolut fremden Menschenbild und Zeitgeist entspricht, Flüchtlinge über das Land verteilen. Diesen Antrag lehnen wir selbstverständlich klar ab.
Ich möchte an dieser Stelle die Chance nutzen, etwas zur letzten Plenarsitzung zu sagen. Bei einer Debatte mit der AfD bin ich in eine Situation gekommen, die mir deutlich gemacht hat, wie Sie hier im Parlament aufgestellt sind und wie Sie arbeiten – auch in der Öffentlichkeit.
Einige werden sich sicherlich daran erinnern, dass wir eine Debatte zu Kinder-Sexpuppen hatten; zu einem Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion, dem wir Grüne klar und mit Überzeugung zugestimmt haben. Die AfD-Abgeordnete Dworeck-Danielowski hat dann eine Rede gehalten, und in dieser Rede hat sie einen Kausalzusammenhang hergestellt zwischen den Liberalisierungswünschen der LGBT-Community sowie der Queer-Bewegung und Kindesmissbrauch und Päderastie.
(Regina Kopp-Herr [SPD]: Genau!)
Ich habe mit mehreren Zwischenrufen darauf reagiert, weil es mich kaum auf meinem Stuhl hielt.
(Andreas Keith [AfD]: Das war heuchlerisch!)
Dass das versucht wird, ist ein Geistesbild, das in den 30er-Jahren von den Nationalsozialisten angewandt wurde, um den § 175 im Jahr 1935 zu verschärfen,
(Andreas Keith [AfD]: Das ist unanständig, was Sie hier machen!)
was weit über 100.000 Menschen in KZs gebracht hat. Deswegen habe ich dazwischengerufen.
(Andreas Keith [AfD]: Das ist unanständig!)
Wir haben eine glasklare Haltung, was das Thema Kindesmissbrauch angeht. Wir haben ja auch den Antrag von CDU und FDP hier klar unterstützt.
Ich will Ihnen einmal sagen, was passiert ist. Sie haben die Rede von Frau Dworeck-Danielowski am Tag danach ins Internet gestellt: AfD kämpft gegen Kindesmissbrauch – Grüner rastet aus. – Ich habe in den Tagen danach Morddrohungen bekommen.
(Zuruf von der AfD: Quatsch!)
– Ja, ich habe das angezeigt,
(Zuruf von der AfD: Hören Sie auf!)
und die Ermittlungsbehörden, die wir zum Glück in diesem Land haben, ermitteln. Aufgrund dieser AfD-Rede bin ich bei Twitter von einem Shitstorm mit übelsten Unterstellungen überrollt worden, dass ich Päderast wäre und dass ich Kindesmissbrauch unterstützen würde.
(Andreas Keith [AfD]: Das hat sie nicht gesagt! Das wird auch nicht besser, wenn Sie es wiederholen! Wenn Sie es wiederholen, wird es nur noch schlimmer!)
Das ist nur diesem Video und dem Titel des Videos geschuldet, den Sie …
(Christian Loose [AfD]: Sie sind Täter! – Weitere Zurufe von der AfD)
– Ich bin kein Täter. Wenn Sie mir unterstellen, ich sei Täter, werde ich Sie dafür anzeigen; davon können Sie fest ausgehen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Loose [AfD]: Sie sind Täter!)
– Lieber Herr Loose, überlegen Sie sich noch einmal genau, was Sie da eben gesagt haben. Überlegen Sie es sich genau. Ich hoffe, das Protokoll hat genau festgehalten, was Sie hier dazwischenrufen.
(Zuruf von der AfD)
Ich sage Ihnen ganz klar: In der Sprachwahl dieses Antrags wird ein Menschenbild deutlich, das verachtend ist gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten, das Flüchtlinge diskriminiert.
(Andreas Keith [AfD]: Das interpretieren Sie da hinein! Das ist das Problem!)
Das hat der Kollege Paul eben sehr sachlich auf den Punkt gebracht. Ich mache das hier mit mehr Leidenschaft. Ich sage Ihnen, ich bin in den letzten Wochen aufgrund dessen, wie Sie die Rede auf Ihrem AfD-Kanal untertitelt haben, überzogen worden mit Schmähbriefen, mit Hassmails, mit Morddrohungen. Ich möchte an dieser Stelle einmal klar sagen: Das ist die Art und Weise, wie Sie das gesellschaftliche Klima in diesem Land vergiften. Dafür sind Sie verantwortlich!
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Andreas Keith [AfD]: Sie haben das zu verantworten! Das hat sie nicht gesagt! – Weitere Zurufe von der AfD)
Wissen Sie, ich halte das aus, und ich bin als Abgeordneter in einer privilegierten Situation. Aber andere aus gesellschaftlichen Minderheiten, Flüchtlinge, LGBT, gehandicapte Menschen, die von Ihnen verachtet und geschmäht werden, brauchen unsere Unterstützung, und sie haben unsere Solidarität. Sie haben die Solidarität der CDU-Fraktion, der FDP-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen. – Und Sie sollten sich schämen, solche Texte hier vorzulegen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Sie sollten sich schämen, mit solchen Dingen Werbung zu machen!)

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