Verena Schäffer: „Ich bezweifele, dass das zu mehr Effizienz führt“

Entwurf der Landesregierung für ein Polizeiorganisationsgesetz - zweite Lesung

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es der letzte Tagesordnungspunkt ist und auch wenn es ein bisschen trocken klingt, wenn man sich den Titel des Gesetzes anguckt, bin ich trotzdem sehr froh, dass wir heute darüber diskutieren.
Dass es einen Änderungsbedarf bei der Fachaufsicht der Polizei gibt, ist, glaube ich, unbestritten. Das hat aus meiner Sicht auch die Ermittlungsarbeit der Polizei im Fall Lügde gezeigt. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum wir heute darüber sprechen.
Ich bin überzeugt davon, dass es nicht ausreicht, nur dann Fachaufsicht bei der Polizei durchzuführen, wenn es gerade brennt, wenn es einen Fall mit großer Aufmerksamkeit gibt. Es muss vielmehr sichergestellt sein, dass in allen Kreispolizeibehörden nach einheitlichen Standards gearbeitet wird und dass diese Standards auch anlassunabhängig regelmäßig von einer Fachaufsicht überprüft werden.
Ja, es gibt Änderungsbedarf; den sehe ich definitiv. Trotzdem können wir Grüne dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten, eine kraftvolle Enthaltung, denn wir haben nämlich auch Kritik.
Wir haben Kritik bezogen auf die große Führungsspanne. Damit sind unsere vielen Polizeibehörden gemeint. Wir haben 47 Kreispolizeibehörden im Land, die trotz der Aufteilung der Fachaufsicht nicht weniger werden. Wir werden trotzdem weiterhin 47 Kreispolizeibehörden in Nordrhein-Westfalen haben. Das Grundproblem, über das wir eigentlich reden müssten, wird mit diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht angegangen. Es wurde hier auch überhaupt noch nicht richtig angesprochen. Ich halte das für notwendig.
Wenn man wissen will, woher das Streichen der Mittelbehörde, der Bezirksregierung kommt, warum man das 2007 gemacht hat, dann muss man in der Historie ein bisschen zurückgehen. Dann muss man sich noch mal das Scheu-Gutachten aus dem Jahr 2005 ansehen. Viele von Ihnen werden das Scheu-Gutachten kennen. Es ist zentral für die Debatte über die Struktur der Polizei in Nordrhein-Westfalen.
Ich habe schon angekündigt, es wird dröge werden, aber es ist eine wichtige Diskussion. Die Scheu-Kommission hat 2005 den dreistufigen Aufbau der Polizei kritisiert und Vorschläge gemacht, wie man das ändern und die Polizei effizienter aufstellen könnte.
Sie hat gesagt, man müsse wegkommen von den Mittelbehörden, man müsse die Bezirksregierungen streichen. Das ist auch geschehen. Das Scheu-Gutachten hat aber auch gesagt, dass zwingende Voraussetzung für den Abbau der Mittelbehörden die Reduzierung der Anzahl der Kreispolizeibehörden ist. Das ist nicht gemacht worden. Man hat das eine gemacht, und das andere hat man gelassen. Die damalige schwarz-gelbe Regierung hat genau diese Empfehlung nicht umgesetzt. Deshalb haben wir jetzt das Problem der großen Führungsspanne.
Ich muss ehrlicherweise sagen – ich habe das hier schon mal angesprochen –, ich finde es sehr schade, dass die heutige schwarz-gelbe Landesregierung wieder nicht den Mut aufbringt – Sie können ja kritisieren, dass wir das in der letzten Legislaturperiode auch nicht gemacht haben, dessen bin ich mir voll bewusst, aber die politischen Mehrheiten dafür haben gefehlt –, das Grundproblem anzugehen. Wir haben es in Nordrhein-Westfalen mit einer völlig zersplitterten Behördenstruktur zu tun. Über dieses Grundproblem müssen wir reden.
Ich finde es sehr spannend, dass die Bosbach-Kommission offenbar kontrovers darüber diskutiert hat – immerhin kontrovers darüber diskutiert hat. Die alten Beharrungskräfte, die es immer gegeben hat, weichen momentan auf. Das ist gut.
Wolfgang Bosbach hat hier erklärt, dass er inzwischen auch sieht, dass wir mit dieser Vielzahl an Kreispolizeibehörden nicht mehr weiterkommen. Das finde ich gut. Ich bin da sehr bei Wolfgang Bosbach. Ich hätte nie gedacht, dass ich das hier im Plenum mal sagen würde, aber es ist so.
(Heiterkeit von der SPD – Sven Wolf [SPD]: Ja, man will das nicht übertreiben!)
Herr Sieveke, das war eine sehr selbstkritische Rede. Das finde ich super. Ich glaube, dass Selbstkritik auch angebracht ist und man nicht immer bei dem hängen bleiben sollte, was man mal vor 10 oder 20 Jahren oder wann auch immer gemacht hat, was vor allen Dingen Sie persönlich nicht gemacht haben. Ich war da auch noch nicht im Landtag. Aber – das ist mein Vorwurf an Sie – dieser Gesetzentwurf ist zu kurz gedacht.
Herr Sieveke – ich sehe Sie gerade nicht im Plenarsaal, aber Sie sind bestimmt noch hier und hören zu –, Sie haben gerade gesagt, unsere Polizei sei aufgrund der Strukturen so gut. Da möchte ich Ihnen ganz vehement widersprechen. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist so gut, weil wir so gute Beamtinnen und Beamten haben, aber die Strukturen sind absolut reformbedürftig. Da müssen wir heran.
Herr Minister, Sie sind sonst immer so hemdsärmelig unterwegs – ich schätze auch manchmal, dass Sie das sind –,
(Heiterkeit von Arndt Klocke [GRÜNE])
aber dass Sie diesen Mut nicht aufbringen, das mache ich Ihnen persönlich ein Stück weit zum Vorwurf. Ich würde mir da mehr wünschen. Sie haben ja noch anderthalb Jahre in dem Amt. Also bitte, gehen Sie das Thema an. Ich setze da auf Sie.
Ich könnte noch viel sagen. Aber ich habe leider zu lange über dieses Thema geredet, das mir wichtig ist.
Ich könnte noch etwas zum Thema „Personalbedarf“ sagen, aber das ist auch gerade schon genannt worden.
Zum Thema „Versäulung“: Die jetzt vorgesehene Änderung wird dazu führen, dass wir eine Versäulung der Fachaufsicht haben. Dessen muss man sich bewusst sein. Demnächst wird das LKA zuständig sein, das LZPD, das LAFP. Ich habe jetzt nicht genug Zeit, alle Abkürzungen hier auszuführen; die Innenpolitiker und Innenpolitikerinnen wissen, wovon ich spreche.
Es wird also zu einer Versäulung führen. Es wird dazu führen, dass sich die Aufsichtsbehörden mehr untereinander abstimmen müssen. Dann besteht die Gefahr eines ineffizienten Nebeneinanders. Bei Problemen, bei Zielkonflikten muss das Innenministerium entscheiden. Ich bezweifele, dass das zu mehr Effizienz führt, sondern glaube, dass das zu einer Verlangsamung von Entscheidungsprozessen führt Wie gesagt, wir sehen das Grundproblem, dass wir uns um die Fachaufsicht kümmern müssen. Das sehe ich definitiv. Ich habe auch keine einfache Lösung dafür in der derzeitigen Behördenstruktur. Wir müssen halt an die Behördenstruktur heran. Lassen Sie uns das doch gemeinsam angehen.
Wir enthalten uns bei dem Gesetzentwurf. Das soll dann für heute Abend auch reichen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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