Europas Agrarpolitik für Bauern, Umwelt und Natur ökologisch ausgestalten – Landesregierung muss starke Eco-Schemes unterstützen!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Norwich Rüße

I.     Neuausrichtung der GAP
Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) ist das Kernstück der Europäischen Einigung und stellt mit ca. 58 Mrd. Euro bis heute den größten Einzelposten im EU-Haushalt dar. Die Direktzahlungen der 1. Säule machen dabei etwa drei Viertel der gesamten der GAP-Agrarförderung aus und beeinflussen somit neben den Marktregeln maßgeblich, für welche Art der Landwirtschaft sich Europas Bäuerinnen und Bauern entscheiden.
Mit dem Jahr 2020 endet die aktuelle Förderperiode der GAP. Die jetzt anstehende Neuaufstellung bietet die Möglichkeit, eine Agrarförderung zu implementieren, die sich EU-weit gleichermaßen auf Umwelt, biologische Vielfalt, Tierschutz und wirtschaftliche Perspektiven für bäuerliche Betriebe ausrichtet. Im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Deutsch­lands stehen auch die Bundesländer mit in der Verantwortung, jetzt eine zukunftsorientierte Ausrichtung der GAP auf den Weg zu bringen.
Die Förderkulisse der GAP muss sich mehr denn je an den zentralen Herausforderungen der Landwirtschaft orientieren. Dazu zählen Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz als zentrale Felder, in denen Fortschritte dringend notwendig sind. Die jüngsten Berichte machen den Handlungsbedarf sowohl im ökologischen Bereich als auch bei einer sozial gerechteren Mittelverteilung noch einmal deutlich: Zum wiederholten Male hat der Europäische Rechnungshof die GAP in ihrer Zielorientierung und Wirksamkeit massiv in Frage gestellt. Bereits in 2018 hat der Europäische Rechnungshof festgestellt, dass die Struktur der GAP den Umwelt- und Klimaanforderungen nicht ausreichend Rechnung trage. Zuletzt kommt ein am 05. Juni vom Präsidenten des Europäischen Rechnungshofs Klaus-Heiner Lehne veröffentlichter Bericht zu dem Schluss, dass die von der EU finanzierte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dem Artenschwund nicht entgegen wirkt, sondern ihn sogar weiter befördert. Doch weder die EU-Kommission noch die Bundes- oder die Landesregierung haben bisher angemessen darauf reagiert.
Bisher wurde die GAP elementar von dem Gedanken getragen, dass die Direktzahlungen der 1. Säule maßgeblich sind, um pauschal pro Hektar als Einkommensunterstützung zu dienen. Der bisherige Ansatz hat sich jedoch als wirkungslos erwiesen, alleine von 2005 bis 2013 hat mehr als ein Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe in Europa den Betrieb aufgegeben. Die neue Förderperiode muss dementsprechend bessere Perspektiven für klein- und mittelbäuerliche Betriebe schaffen, die in der bisherigen Förderlogik stark benachteiligt wurden. Aber auch
die biologische Vielfalt ist in der letzten GAP-Periode weiter zurückgegangen, das heißt die zarten Ansätze der Ökologisierung der GAP über das sogenannte Greening waren in der Flä­che weitestgehend erfolglos. Vor diesem Hintergrund lassen sich die bisherige Zahlung nicht mehr länger gegenüber der Gesellschaft rechtfertigen, die zu Recht Leistungen im Bereich des Natur- und Klimaschutzes sowie des Biodiversitätserhalts einfordert.
Zur nachhaltigen Weiterentwicklung können – richtig ausgestaltet – Eco-Schemes (sogenannte „Öko-Regelungen“) einen wichtigen Beitrag leisten. Mit Beginn der neuen Förderperiode in 2021 sollen die Eco Schemes das Greening ersetzen. Dabei handelt es sich um eine Vorgabe der EU-Kommission, Gelder der 1. Säule für eine umweltverträgliche Landwirtschaft einzusetzen. Diese Anreizstruktur muss jetzt vorbereitet werden, damit sie genutzt werden und nachhaltige Effekte entfalten kann.
II.       Eco-Schemes vielfältig und attraktiv ausgestalten
Aus dem Scheitern des Greenings gilt es nun, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und ein Angebot an die Landwirtschaft zu machen, das gleichzeitig den Betrieben eine praktikable Umsetzung ermöglicht, sowie spürbar positive Auswirkungen auf Umwelt und Natur hat. Aus einem national aufgestellten, breiten Katalog an Maßnahmen, sollen die Betriebe optimalerweise die für sich passende Auswahl treffen können. Es bedarf daher eines vielfältigen Angebots für alle Standorte, für alle Betriebstypen und Agrarstrukturen zur Verbesserung der Umweltsituation, welches nun bereitgestellt werden muss. Es ist nun die Aufgabe der Landes- und Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass Eco-Schemes keine weitere Belastung für Betriebe darstellen, sondern ein Gewinn für Umwelt, Natur und Klima sind.
Leider gibt es bislang noch keine Vorgaben für die finanzielle Mindestausstattung des neuen Förderinstruments. Eine europaweit verbindliche Zweckbindung von mindestens 30 Prozent der Mittel der 1. Säule für Eco-Schemes wäre als Einstieg und zur Festlegung eines Mindestniveaus für die Genehmigung von Maßnahmen essentiell. Dies dient der Harmonisierung der Mittelverwendung im gemeinsamen europäischen Binnenmarkt und der Umsetzung umweltschützender Ambitionen in der Fläche. Zusätzlich sollte eine schrittweise Erhöhung der für Eco-Schemes ausgezahlten Mittel bis zum Ende der anstehenden Förderperiode auf mindestens 60 Prozent der Mittel der 1. Säule angestrebt werden. Eine regelmäßige Evaluation der Umwelt- und Einkommenswirksamkeit aller Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene muss damit einhergehen.
III.      Der Landtag stellt fest:
·           Die Natur zu bewahren, die Artenvielfalt zu schützen sowie Nutztiere artgerecht zu halten, müssen zu einer zentralen Aufgabe der Landwirtschaft werden, die den Bäu­erinnen und Bauern auch entsprechend vergütet wird.
·           Die bisherige Ausgestaltung der GAP war nicht zielführend, um die Bäuerinnen und Bauern über die Entschädigung für Ertragsausfälle hinaus auch für Umwelt-, Natur-, Klimaschutz- und Tierwohlleistungen zu entlohnen. Insbesondere die Maßnahmen des Greenings sind weitestgehend effektlos geblieben, hier muss in der nächsten Förderperiode nachgesteuert werden.
·           Attraktiv ausgestaltet können Eco-Schemes zur Versöhnung von gesellschaftlichen Ansprüchen und ökonomischen Notwendigkeiten der Landwirtschaft beitragen und das Prinzip „öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“ ausfüllen.
IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1.    Sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass bei der Neuaufstellung der GAP, Maßnahmen der 2. Säule zielgerichteter aufgestellt werden und insbesondere die Mittel der 1. Säule besser als bisher auf eine Förderung der Biodiversität, eine Verbesserung des Umweltschutzes und eine artgerechte Tierhaltung ausgerichtet werden.
2.    Einen vielfältigen und attraktiven Katalog für die Umsetzung von Eco-Schemes auf Bundesebene abzustimmen, der Maßnahmen zur Honorierung von Leistungen durch Bäuerinnen und Bauern zum Schutz von Biodiversität und Klima vorsieht.
3.    Sich zur Stärkung von kleinen und mittleren Betrieben für eine Umschichtung von mehr Direktzahlungen auf die ersten 50 Hektare je Betrieb und für eine Kappungsgrenze von 100.000 Euro einzusetzen, um eine vielfältige Agrarstruktur zu erhalten.
4.    Bei der Neuausgestaltung der GAP die Förderung des Ökolandbaus, gezielte Umwelt- und Artenschutzprogramme, Maßnahmen der Wasserwirtschaft zur Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), investive Maßnahmen, gebiets- und kulissenbezogene Maßnahmen, Maßnahmen mit Tierbezug sowie zur ländlichen Entwicklung über eine starke 2. Säule sicherzustellen.
5.    Sich auf europäischer Ebene für eine verbindliche Zweckbindung von mindestens 30 Prozent der Mittel der 1. Säule für Eco-Schemes einzusetzen. Zusätzlich soll eine Steigerung auf mindestens 60 Prozent bis zum Ende der Förderperiode umgesetzt werden. Falls nicht alle Mittel abgerufen werden, so sollten diese in die Zweite Säule fließen; ohne die Notwendigkeit einer Kofinanzierung, dafür muss sich Deutschland auf EU-Ebene einsetzen. So können regional angepasste Agrarumwelt- oder Tierwohlmaßnahmen der Bundesländer noch stärker unterstützt werden.
6.    Sich für die Einführung einer regelmäßigen Evaluation der Umwelt- und Einkommenswirksamkeit aller Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene einzusetzen, um rechtzeitig die Möglichkeit zur Nachjustierung schaffen zu können.
7.    sich dafür einzusetzen, dass für den Umbau der Tierhaltung dem Gutachten des WBA beim BMEL „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ von März 2015 und den Ergebnissen der Borchert-Kommission von Februar 2020 entsprechend, zusätzlich zu den Mittel der GAP, Sonderprogramme durch den Bund bereitgestellt werden.