Mehrdad Mostofizadeh: „Da hätte ich mir deutlich mehr Austausch und eine fachliche Debatte gewünscht“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 - Arbeit und Soziales - zweite Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Sozialausschuss haben wir zahlreiche Anträge zum Regierungsentwurf gestellt, und Herr Schmitz, ich hätte erwartet, dass heute etwas dazu kommt, weil Sie im Ausschuss nichts dazu gesagt haben.
Es kam aber kein Wort dazu, und deshalb müssen Sie sich nicht wundern, dass wir den Einzelplan nicht nur ablehnen, sondern auch sehr erstaunt darüber sind, dass diese Regierungskoalition sich selbst feiert und keine Worte darüber verliert, wie eine alternative Arbeitsmarktpolitik aussehen kann. Das hat nur sehr überschaubar etwas mit einer sachlichen Auseinandersetzung zu tun.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will ein paar Punkte anführen, die aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung sind. Natürlich ist es gut, dass wir ein Gesetz auf Bundesebene haben, das sich um den sozialen Arbeitsmarkt kümmert. Da finde ich Ihre Einordnung für Nordrhein-Westfalen aber einigermaßen abenteuerlich. Wir haben einen sehr hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen, und zwar jenseits der Grenze von 300.000 Personen. Sie sagen, wir hätten eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit und seien ganz zufrieden damit.
Nein, ich bin nicht zufrieden damit – gerade weil ich aus einer Region komme, in der die Sockelarbeitslosigkeit viel zu hoch ist und die Menschen schon viel zu lange ohne Perspektive sind. Wir versuchen, den Menschen eine neue Perspektive zu vermitteln und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Man kann damit nicht zufrieden sein, Herr Kollege Schmitz.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der Kollege Neumann hat, wie ich finde, völlig zu Recht gesagt, dass man sich angesichts der Millionen- und teilweise Milliardenbeträge fragen muss, ob eine Ideologie dahintersteckt und nicht nur der Grund, dass gespart werden soll.
Bei den Betreuungsvereinen wären 2 Millionen Euro nötig, um sie wieder auf ein vernünftiges Maß zu bringen. Genau das haben wir, wie auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD, beantragt. Es wurde im Ausschuss von der Regierungskoalition aus CDU und FDP kommentarlos abgelehnt. Sie hätten doch heute mal erklären können, warum Sie das für falsch halten. Wir haben eine Gegenfinanzierung auf den Tisch gelegt.
(Zuruf von Marco Schmitz [CDU])
Auch beim Thema „inklusiver Arbeitsmarkt“ gibt es natürlich gute Ansätze im Bundesteilhabegesetz. Aber bundesweit ist Nordrhein-Westfalen leider im negativen Sinne spitze: Bei der Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung liegen wir deutlich über dem Durchschnitt. Da müssen wir doch Akzente setzen und nicht sagen, dass wir mit der stagnierenden Arbeitslosigkeit ganz zufrieden sind.
Menschen mit hoher Qualifikation, die eine Behinderung haben, werden in Nordrhein-Westfalen aber offensichtlich schlechter integriert, als es nötig ist. Das muss uns stören, da müssen wir ansetzen, und da müssen wir Gegenprogramme auf den Weg bringen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und ich stimme dem Kollegen Neumann auch zu, was die anderen Anbieter und das Budget für Arbeit anbetrifft. Wir haben im Ausschuss Vorschläge gemacht, denen Sie nicht gefolgt sind. Und heute sagen Sie, dass Sie ganz zufrieden mit der Gesamtsituation sind. Ich finde, das kann man nicht sein.
Herr Minister, ich will auch an Punkte anknüpfen, bei denen ich finde, dass Sie in Ansätzen nicht auf dem falschen Weg sind. Das gilt für das Thema „Wohnungslosigkeit“ und für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit insbesondere von Frauen. Ich finde das Programm richtig, mit welchem 20 Gebietskörperschaften – es sind ja Kreise und Städte – in besonderer Weise gefördert werden.
Aber wir brauchen mehr. Wir brauchen auch im ländlichen Raum Zufluchtsmöglichkeiten für Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind – gerade für Frauen. Deswegen haben wir einen entsprechenden Antrag im Ausschuss gestellt. Der wurde kommentarlos abgelehnt, und auch heute haben Sie nichts dazu gesagt, Herr Kollege Schmitz. Da hätte ich mir deutlich mehr Austausch und eine fachliche Debatte gewünscht. Aber offensichtlich ist die Regierungskoalition dazu heute weder bereit noch in der Lage.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der wichtigste Aspekt, den ich ansprechen möchte, hatte ebenfalls einen Antrag von uns zur Folge: die Arbeitslosenzentren und die Erwerbslosenberatungsstellen. Auf Bundesebene ist das Gesetz zum sozialen Arbeitsmarkt jetzt da, und wir haben seit elf Monaten Erfahrung damit.
Wir werden uns sicherlich noch intensiv dazu austauschen; denn so rosig, wie es geschildert wird, ist es im Einzelnen leider nicht. Gerade die Integration im Bereich der nichtöffentlichen Anbieter funktioniert zumindest meiner Kenntnis nach sehr unterschiedlich, um es vorsichtig auszudrücken.
Nachdem es 2008 schon ein Fehler war, meinen Sie nun, im Bereich der Erwerbslosenberatungsstellen und der Arbeitslosenzentren wieder an der Substanz schrauben und sie umetikettieren zu müssen. Sie sagen, dass die Beratungsstellen jetzt ranmüssen, weil es beim Arbeitsschutz hapert. Das ist eine faktische Kürzung, weil sie sich nicht mehr um die Arbeit, die sie eigentlich machen müssten, kümmern können: sich um die Menschen zu kümmern, zu beraten und für soziale Integration zu sorgen.
Dass Sie das wieder machen, kann ich nur noch als Ideologie bezeichnen. Denn um die Kohle, die paar Euro, die da notwendig sind, kann es nicht wirklich gehen. Deswegen werden wir den Einzelplan in Gänze ablehnen.
Warum wir das im Gesundheitsbereich tun, diskutieren wir gleich noch.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)