Mehrdad Mostofizadeh: „… weil das Gesetz notwendig ist, um die Kommunen überhaupt handlungsfähig zu halten“

Gesetzentwurf der Landesregierung zu coronabedingten Kosten der Kommunen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anknüpfen, was der Kollege Höne zuletzt gesagt hat. Dieser Gesetzentwurf beschäftigt sich im Wesentlichen mit den bilanziellen Fragen der Isolierung der coronabedingten Lasten, und er beschäftigt sich in Teilen auch mit weiteren Ausführungen, unter anderem was die Frage von Investitionen angeht.
Ich nehme es vorweg: Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil das Gesetz notwendig ist, um die Kommunen überhaupt handlungsfähig zu halten.
Die Anhörung hat gezeigt, dass man viele Punkte auch einfacher hätte gestalten können. Das ist geschenkt. Ich halte den Gesetzentwurf, was die bilanziellen Aspekte betrifft, so weit für in Ordnung. Sonst müsste man andere umfangreiche Änderungen vorschlagen. Das haben wir nicht getan, und insofern werden wir dem jetzt auch folgen.
Man könnte und man muss – der Kollege Höne hat es bereits angesprochen – auch auf die Dinge hinweisen, die nicht geregelt werden. Nicht geregelt wird die Frage, wie es in den nächsten Jahren mit den Gewerbesteuerkompensationen weitergeht.
Herr Kollege Löttgen, ich habe ein Zeitungsinterview aus der „Westdeutschen Zeitung“ mitgebracht, das Sie in Wuppertal gegeben haben. Darin haben Sie angekündigt, sobald die September-Steuerschätzung vorliegt, einen Vorschlag bzw. Aussagen zum Altschuldenfonds zu machen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Ja!)
Darauf sind wir selbstverständlich schon gespannt wie ein Flitzebogen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Sehen Sie!)
Schließlich ist das die wesentliche Last.
Sie sagen in dem Interview auch, dass die 63 Millionen Euro, die das Land Nordrhein-Westfalen dem Bund quasi per Suggestion aufgedrückt hat, also die KdU-Entlastung, jetzt dazu genutzt werden müssten, um Spielräume zu nutzen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Ja, sicher!)
Ich möchte Ihnen einmal Folgendes vorrechnen: In Essen treffen 63 Millionen Euro KdU-Entlastung auf 70 Millionen Euro Belastung, wenn man keinen Altschuldenfonds hat und die 2 Milliarden Euro somit aus dem eigenen Haushalt finanzieren muss. Wo Sie da Spielräume erkennen, ist für mich nicht so leicht nachzuvollziehen, zumal die Gewerbesteuer auch noch oben draufkommt.
(Lachen von Bodo Löttgen [CDU]: Das haben Sie doch gerade selber beantwortet! – Christian Dahm [SPD]: Das ist ja noch nicht einmal Dreisatz!)
– Herr Kollege Löttgen, Sie können sich gern ereifern.
Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der nicht geregelt wird. Es fehlt dringend eine Aussage zum Flüchtlingsaufnahmegesetz. Herr Minister Stamp hat schon im Mai dieses Jahres gesagt, man müsse quasi nur noch den Stift anspitzen, um zu unterschreiben. Mittlerweile haben wir September, aber es kommt nichts. Ich höre jedenfalls nichts. In jedem Kommunalausschuss wird uns vorgetragen, man sei kurz davor und müsse nur noch zumachen.
Es wäre ziemlich fair, zwei Jahre nachdem das Gutachten vorliegt, endlich auch eine Lösung auf den Tisch zu legen.
Ich sage Ihnen noch etwas: Wir werden spätestens Ende September den Haushalt zugestellt bekommen. Da werde ich sehr genau hinschauen. Sie haben das Stärkungspaktgesetz angesprochen. Das Stärkungspaktgesetz, das Sie in diesem Interview als Gewerbesteuererhöhungsgesetz diffamiert haben, hat dazu geführt, dass über 4,5 Milliarden Euro als direkte Landeszuweisung an die Kommunen gegangen sind. 440 Millionen Euro standen in diesem Haushalt noch als Zuweisung an den Stärkungspaktfonds drin. Wenn Sie kein Altschuldenfondsgesetz vorlegen, muss ich davon ausgehen, dass Sie 440 Millionen Euro zulasten der Kommunen einsparen wollen, obwohl die Kommunen nicht handlungsfähig sind. Das muss ich an dieser Stelle einmal feststellen.
Darüber hinaus stelle ich fest, dass Sie, obwohl Sie über 2 Milliarden Euro weniger für die Unterbringung der Geflüchteten ausgeben müssen als im Jahr 2016, auch noch dieses Geld einsparen wollen. Damit entlasten Sie sich um über 2,5 Milliarden Euro zulasten der Kommunen. Wie man dann von einem fairen Partner der Kommunen sprechen kann, entzieht sich meiner Kenntnis, und es wäre auch schlicht unverschämt, wenn Sie das weiter behaupten würden.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Ich komme auf den Gesetzentwurf zurück, der heute hier vorliegt. Frau Ministerin, sicherlich hätte man das eine oder andere anders betiteln können. Ob das zu mehr Transparenz führt, ist zumindest unter Bilanzforschern umstritten.
Sie haben allerdings klar angekündigt, die Kosten zu isolieren und als Maßstab die mittelfristigen Finanzplanung, die Zahlen zu nehmen. Das halten wir im Kern für in Ordnung. Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen.
Trotzdem muss die Arbeit jetzt beginnen. Sie müssen jetzt – und ich hoffe, das ist geschehen; schließlich wird der Haushalt gedruckt – die Vorbereitungen dazu treffen, was in den Jahren 2021, 2022 und 2023 geschehen soll. Sie haben selber diagnostiziert, dass die Kommunen ohne die Hilfe des Landes und des Bundes nicht in der Lage sein werden, ihre Haushalte zu führen. Die Kommunen – Stichwort: Gesundheitsämter – sind der wesentliche Schlüssel zur Bekämpfung der Pandemie.
Aber noch ein anderer Aspekt ist wichtig: Die gesamte öffentliche Daseinsvorsorge, also der öffentliche Nahverkehr, Kindertagesstätten, Schulen usw., wird nicht zu bestreiten sein, wenn das Land nicht seiner Verpflichtung nachkommt, seine Kommunen, Ihre Kommunen, anders aufzustellen. Das werden wir spätestens in der nächsten Sitzung wieder angehen müssen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)