Menschenunwürdige Situation in den griechischen Flüchtlingslagern spitzt sich zu – Landesregierung muss endlich handeln

Kommunalinfo

Die humanitäre Lage in den griechischen Flüchtlingslagern und an der türkisch-griechischen Grenze wird mit jedem Tag dramatischer. Der türkische Präsident Erdogan missbraucht die Flüchtlinge als Erpressungsmasse für seine eigenen innen- und außenpolitischen Interessen, während Griechenland mit dem Aussetzen des Rechts auf Asyl ganz klar europäisches Recht bricht. Dieses Chaos an der EU-Außengrenze war seit langem vorherzusehen und hat seinen Ursprung in dem mangelnden Willen der EU-Mitgliedstaaten, die eigenen Verpflichtungen einzuhalten und sich darüber hinaus auf einen funktionierenden Verteilmechanismus zu einigen.

Die erschütternden Bilder über die menschenunwürdigen Zustände sind längst bekannt, genauso wie das Leid und Elend der Schutzsuchenden in den hoffnungslos überfüllten Camps. Auf den griechischen Inseln finden mittlerweile rechtsextremistische Übergriffe statt und die humanitäre Situation ist so katastrophal, dass sich sogar NGOs aus den Camps zurückgezogen haben.

Wir unterstützen die zivilgesellschaftlichen Akteure und die solidarischen Kommunen, die sich bereit erklärt haben, Schutzbedürftige aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. So haben sich mittlerweile 140 deutsche Städte – darunter Köln, Bonn und Düsseldorf, dem Bündnis „Sichere Häfen“ angeschlossen. Die Forderungen, die sich zunächst nur auf die Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen fokussierten, wurden im Rahmen der Bielefelder Erklärung im Januar 2020 erweitert. So hat der Rat der Stadt Köln beschlossen, 116 zusätzliche Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen, Bielefeld will zusätzlich 100 Schutzsuchende aufnehmen, Düsseldorf über 500.

Erst vergangene Woche wurde ein Antrag der Grünen Bundestagsfraktion für Aufnahmekontingente von der Großen Koalition und den anderen Fraktionen abgelehnt. Es bräuchte ein gemeinsames europäisches Vorgehen, keinen deutschen Alleingang, so hieß es zur Begründung aus den Reihen der CDU, ähnliche Töne waren auch aus der SPD zu hören.

Wie eine solche „europäische Lösung“ aus Sicht der Großen Koalition aussehen soll, zeigte sich dann Anfang dieser Woche: In einem Beschluss des Koalitionsausschusses einigten sich CDU und SPD auf einen Minimalkompromiss, der ein humanitäres Armutszeugnis ist: Die Ankündigung, in einer europäischen Koalition der „Willigen“ 1.000 bis 1.500 Kinder aufnehmen zu wollen, kam nur aufgrund massiven gesellschaftlichen Drucks von Kirchen, Verbänden und Kommunen zustande und ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch ein konkreter Zeitplan fehlt.
In NRW drücken sich Ministerpräsident Laschet und Flüchtlingsminister Stamp weiterhin davor, Verantwortung zu übernehmen und weigern sich, die zahlreichen Kommunen zu unterstützen, die über ihre Aufnahmeverpflichtung hinaus Geflüchtete aufnehmen wollen. Dabei ist die Aufnahmebereitschaft der Kommunen groß und auch die Unterbringungskapazitäten in den Landesunterkünften noch nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft.

Mit unserem Antrag, den wir am Mittwoch in den Landtag einbringen und direkt abstimmen, fordern wir die Landesregierung zum Handeln auf.

Unsere Kernforderungen sind:

  • in Absprache mit aufnahmebereiten Kommunen ein bestimmtes Kontingent vornehmlich unbegleiteter minderjähriger Schutzbedürftiger und weiterer schutzbedürftiger Personengruppen aus Griechenland in NRW aufzunehmen.
  • Darüber hinaus soll sich die Landesregierung beim Bund für ein kurzfristiges Sofort-Programm einsetzen, mit dem ein Kontingent von 5.000 besonders schutzbedürftigen Geflüchteten – etwa unbegleitete minderjährige Geflüchtete und Menschen mit Behinderung – aus den Hotspot-Camps in Griechenland im Einklang mit der Dublin-III-Verordnung aufgenommen werden kann.
  • sich auf allen Ebenen, insbesondere auf der Bundesebene, dafür einzusetzen, dass an der EU-Außengrenze Erstaufnahmeeinrichtungen zur Versorgung und Registrierung der Geflüchteten aufgebaut werden, um dann die Verteilung der Geflüchteten über Kontingente in der EU zu organisieren. Die jeweiligen Asylverfahren sollen dann dort durchgeführt werden.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bielefelder Oberbürgermeister Pit Clausen und Johannes Gaevert von der Seebrücke haben wir bereits letzte Woche eindringlich auf die unhaltbare Situation der Schutzsuchenden in den griechischen Flüchtlingslagern und an der Grenze aufmerksam gemacht und an die Landesregierung appelliert, sich an die Seite der solidarischen Kommunen zu stellen und besonders Schutzbedürftige aufzunehmen.
Hier ein Video dazu: https://www.youtube.com/watch?v=T7IkRd5lJKA

Für weitere Fragen steht Euch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Freya Kuhn (freya.kuhn@landtag.nrw.de, Tel. 0211/884 -2276) gerne zur Verfügung.