Der rechtsterroristische Anschlag von Hanau erschüttert uns alle nach wie vor. Er steht aber keineswegs für eine neue Stufe der Gewalt, sondern ist vielmehr Ausdruck einer Kontinuität rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik: Dazu zählen unter anderem die Brandanschläge zu Beginn der 1990er-Jahre, die NSU-Verbrechen, die Anschläge von München, Kassel und Halle. Wir fordern die Landesregierung daher in einem aktuellen Antrag auf, ein Gesamtkonzept gegen Rechtsterrorismus aufzulegen. Um Rechtsextremismus zu bekämpfen, ist es wichtig, dessen Strukturen zu kennen. Die Grüne Landtagsfraktion richtet daher eine Große Anfrage mit 228 Fragen an die Landesregierung, um rechtsextreme Strukturen in Nordrhein-Westfalen zu durchleuchten.
Die Tat von Hanau wiegt auch deshalb so schwer, weil sie zeigt, wie verletzlich Angehörige marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen tatsächlich sind. Der Anschlag von Hanau hätte an jedem Ort geschehen können, an dem die Vielfalt unserer Gesellschaft sichtbar ist, der von Migration geprägt ist. Rassistische und menschenverachtende Diskurse in der Gesellschaft werden als Legitimation für rechtsterroristische Taten genutzt. Daher sind die Verschiebung von Sagbarkeitsgrenzen und der aktuelle Rechtsruck eine ernsthafte Gefahr für unsere Gesellschaft. Nicht zuletzt die hohe Anzahl von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte in den Jahren 2015 und 2016 zeigt, dass die Hetze von Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen zu einer Radikalisierung von Personen, die den Behörden zuvor unbekannt waren, und letztlich auch zur Tatausübung geführt hat. Aktuell ist zu beobachten, dass die Anzahl flüchtlingsfeindlicher und islamfeindlicher Straftaten wieder steigt, obwohl die Gesamtzahl politisch rechts motivierter Straftaten insgesamt von 2018 auf 2019 leicht rückläufig war.
Der Schutz von Minderheiten vor Stigmatisierung, Diskriminierung und Übergriffen muss handlungsleitend bei allen gesellschaftlichen Debatten und politischen Maßnahmen sein. Der Landtag berät aufgrund der rechtsterroristischen Anschläge im vergangenen Jahr aktuell bereits über Maßnahmen gegen Rassismus, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt. Grundlage ist unter anderem ein Entschließungsantrag unserer Fraktion mit einem breiten Katalog an Gegenmaßnahmen. Unter anderem fordern wir die Landesregierung darin auf, eine Stelle auf Landesebene einzurichten, die Kommunen zum Thema Rechtsextremismus juristisch berät, zum Beispiel im Umgang mit rechtsextremen Immobilien oder Konzerten.
Schwarz-Gelb muss Lagebild Rechtsextremismus erstellen
Der Anschlag in Hanau hat eine Dimension rechtsextremen Terrors sichtbar gemacht, die weitere Maßnahmen notwendig macht. Wir fordern die Landesregierung daher darüber hinaus auf, ein Gesamtkonzept der Sicherheitsbehörden gegen Rechtsterrorismus aufzulegen und dabei auch die immer noch zu gering angesetzte Anzahl rechtsextremistischer Gefährder kritisch zu überprüfen. Offene Haftbefehle gegen Rechtsextreme müssen prioritär vollstreckt werden. Einrichtungen von migrantischen bzw. marginalisierten Communities, wie Moscheen, Synagogen, Kulturzentren sowie migrantisch geprägte Stadtteile müssen besser geschützt werden. Zudem muss die Landesregierung – mindestens solange wie es noch keine Landesantidiskriminierungsstelle gibt – eine oder einen Beauftragten gegen Rassismus auf Landesebene einsetzen.
Grüne Fraktion durchleuchtet Strukturen in NRW mit Großer Anfrage
CDU und FDP müssen des Weiteren Dunkelfeldstudien zu den Themen Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus, Frauen- und LGBTQI-Feindlichkeit in Nordrhein-Westfalen durchführen und dabei auch die Zusammenhänge zwischen den Phänomen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit untersuchen. Und wir fordern die schwarz-gelbe Landesregierung einmal mehr auf, die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses NRW endlich vollständig umzusetzen. Dazu gehört unter anderem, dass die Polizei Opfer rechter und rassistischer Gewalt proaktiv über die Angebote der spezialisierten Beratungsstellen informiert, ihre Daten bei Einverständnis weitergibt und so den Opferschutz stärkt.
Wer den Rechtsextremismus bekämpfen will, muss dessen Strukturen kennen. Wie im Bereich Salafismus, muss die Landesregierung ein Lagebild „Rechtsextremismus“ aufstellen, das jährlich über die Entwicklungen im rechtsextremen Spektrum berichtet. Da ein solches Lagebild noch nicht vorliegt, Informationen über die rechtsextremen Strukturen und ihre Strategien aber wichtig für die Öffentlichkeit sind, hat die Grüne Fraktion eine Große Anfrage an die Landesregierung gestellt. Mithilfe von 228 Fragen wollen wir die rechtsextremistischen Strukturen in NRW durchleuchten. In einem Video hat Verena Schäffer, unsere Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus unsere Initiativen vorgestellt.