Kritik an der schwarz-gelben Landesbauordnung

Kommunalinfo

+++ Die Landesregierung missachtet Interessen der Kommunen und Menschen mit Behinderungen +++
Liebe Freundinnen und Freunde,
in den Plenarsitzungen im Juli wurde auch das Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG) verabschiedet. Vorausgegangen waren in den zurückliegenden zwölf Monaten Kontroversen über die inhaltliche Ausrichtung des Bauordnungsrechts in NRW.
Rot-Grün hatte bereits eine moderne Grundlage für das Bauen in NRW geschaffen
Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte mit der Ende 2016 vom Landtag beschlossenen Landesbauordnung (LBO) eine innovative und nachhaltige Grundlage für das Bauen in NRW geschaffen, die ursprünglich am 28.12.2017 in Kraft treten sollte. Dabei wurde vor allem der Einsatz von Holz als Baustoff deutlich vereinfacht, die Stellplatz-Regelung in kommunale Hände gelegt und das Thema des barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnens angepackt. Die LBO 2016 enthielt wesentliche Verbesserungen im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung. Hierzu zählten unter anderem eine Aufzugspflicht ab vier Geschossen, die Verpflichtung zur Barrierefreiheit für alle Wohnungen in Häusern mit Aufzug sowie die verbindliche Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen (R-Quote). Diese sah vor, dass beim Bau von acht Wohnungen mindestens eine rollstuhlgerecht sein muss; bei 15 Wohnungen sollten es mindestens zwei sein.
Statt die neue LBO, der monatelange Beratungen vorausgegangen waren, in ihrem Sinne zu überarbeiten und ansonsten in Kraft treten zu lassen, setzte die schwarz-gelbe Landesregierung ein einjähriges Moratorium durch. Mit der Folge, dass die Regelungen für das Bauen wieder auf den Stand der Bauordnung von 2000 zurückgesetzt wurden. Viele Kommunen, die sich bereits auf die neuen Bestimmungen eingestellt hatten, wurden damit ebenso wie die Investor*innen unnötig verunsichert.
Zudem wurde die nun verabschiedete Bauordnung  – anders als die Vorgänger-Version –nicht  in einem transparenten Verfahren erarbeitet und diskutiert, sondern im Ministerium hinter verschlossenen Türen geschrieben und dann im Schnellverfahren und gegen den ausdrücklichen Wunsch der kommunalen Vertreter*innen durchgeboxt. Diese hatten im Vorfeld der Beratung und Beschlussfassung des federführenden Bauausschusses massive Kritik an den von den Regierungsfraktionen gestellten Änderungsanträgen geäußert. Aus ihrer Sicht wurden damit die städtebaulich wichtigen Festsetzungen der Geschosszahlen in Bebauungsplänen ad absurdum geführt und somit die kommunale Planungshoheit massiv beeinträchtigt. Es wird befürchtet, dass umfangreiche Überprüfungen von Bebauungsplänen mit erheblichen Kosten für die Kommunen erforderlich werden und bei den Abstandsflächen einerseits erhebliche Rechtsunsicherheiten produziert und andererseits auch wichtige Abstandsflächen nicht mehr rechtssicher gestaltet werden können.
Obwohl solche grundlegenden Veränderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf nach der Geschäftsordnung des Landtags eigentlich eine neue Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände nötig machen, haben sich CDU und FDP einer zusätzlichen Beratung zur Ausgestaltung des Gesetzes verweigert. Diese schwarz-gelbe Beratungsresistenz ist alles andere als kommunalfreundlich.

Kontroverse zur Verpflichtung von Barrierefreiheit und R-Wohnungen

Mit ihrer Novelle verzichten CDU und FDP auf entsprechende Regelungen, mit denen Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden kann. Die Landesregierung erkennt in der allgemeinen Darstellung zum Gesetz zwar die große Bedeutung der Barrierefreiheit an, sieht aber in dem Gesetz nicht die hierzu notwendigen Regelungen vor, um diese auch durchzusetzen. So werden die im § 2 Abs. 10 der Bauordnung NRW beschriebenen Anforderungen an die Barrierefreiheit im BauModG nicht ausreichend berücksichtigt. Auch sollen öffentlich zugängliche Gebäude nur „im erforderlichen Umfang" barrierefrei sein müssen (§ 49 Abs.2). Erläuterungen des unklaren Rechtsbegriffs „im erforderlichen Umfang" und eine Definition des Begriffs „öffentlich zugänglich" fehlen. Schließlich fehlen auch verbindliche Vorgaben für die Schaffung von rollstuhlgerechten Wohnungen. Diese wären allerdings dringend notwendig, denn Anreize alleine haben in der Vergangenheit die Wohnungswirtschaft nicht ausreichend zum Bau von R-Wohnungen motiviert.
Insbesondere Sozial- und Behindertenverbände haben deutliche Kritik daran geübt, dass auf konkrete Vorgaben zur Schaffung von rollstuhlgerechten Wohnungen vollständig verzichtet wird. Der bereits heute bestehende Nachfrageüberhang wird in den kommenden Jahren noch weiter deutlich steigen.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat ebenfalls auf die gravierenden Mängel des BauModG insbesondere im Bereich der Barrierefreiheit hingewiesen. In seiner Erklärung empfiehlt es, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen und stellt fest: „Die UN-Konvention schreibt verbindlich vor, dass Menschen mit Behinderung selbst entscheiden können, wo sie leben wollen. Wenn barrierefreie Wohnungen fehlen, gibt es faktisch keine Wahlmöglichkeiten“.
Das Institut begleitet und überwacht u.a. die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. In NRW übernimmt das Institut die Arbeit der Monitoringstelle und ist hierzu im nordrhein-westfälischen Inklusionsstärkungsgesetz  verankert.

Verbindliche Vorgaben zur Umsetzung der Barrierefreiheit notwendig

Für viele Betroffene ist die Situation heute bereits dramatisch. Sie müssen in für sie völlig ungeeigneten Wohnungen leben oder können die Heimeinrichtung mangels geeigneter Wohnungen nicht verlassen, obwohl sie selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben wollen. Bereits 2011 haben wissenschaftliche Bedarfsermittlungen aufgezeigt, dass in Deutschland bis zu 600.000 rollstuhlgerechte Wohnungen fehlen. Für NRW wäre dies ein Bedarf von rund 130.000 Wohnungen.
Deshalb benötigen wir verbindliche Vorgaben für die Schaffung von Wohnungen, die uneingeschränkt für Rollstuhlfahrer*innen geeignet sind. Ziel muss es sein, Menschen, die auf eine R-Wohnung angewiesen sind eine solche in ihrem Quartier anbieten zu können. Des Weiteren braucht es eine kommunalscharfe Erhebungen des Bedarfs an rollstuhlgerechten Wohnungen, damit die Kommunen gemeinsam mit Sozial- und Behindertenverbänden sowie der Wohnungswirtschaft funktionierende, verbindliche Lösungen erarbeitet können.

Symbolische „Ent-Bürokratisierung“ statt echter Verbesserungen

Natürlich durfte bei Schwarz-Gelb das ewige Mantra der „Ent-Bürokratisierung“ nicht als Begründung für die Neufassung der Landesbauordnung fehlen. Doch viele der Maßnahmen stellen sich auf den zweiten Blick nur als symbolische Maßnahme heraus oder bewirken sogar das Gegenteil. So wurde das sogenannte Freistellungsverfahren, dass in der rot-grünen LBO-Fassung abgeschafft wurde und mit dem die genehmigungsfreie Errichtung von Wohngebäuden geringer und mittlerer Höhe im Geltungsbereich eines Bebauungsplans zugelassen wird, nun wieder eingeführt. Dabei hatten so gut wie alle Sachverständigen davon abgeraten, diese Regelung wieder in Kraft zu setzen. In vielen Fällen würde ein nachgelagerter Aufwand durch nachträgliche Prüfungen entstehen, durch die unnötig Personal in den Aufsichtsbehörden gebunden werde. Ein echter Beitrag zum Bürokratieabbau ist hiermit nicht verbunden. Trotzdem zeigten sich CDU und FDP hier, wie auch in anderen Fällen, beratungsresistent.

Brandschutz: Sicherheit geht vor!

Die Landesbauordnung ist in erster Linie ein Regelwerk, das der Sicherheit dienen soll. So ist auch der Brandschutz ein wichtiges, wenn auch oft übersehenes oder als eher lästig und hemmend empfundenes Element. Umso alarmierender muss es klingen, wenn der Verband der Feuerwehren in NRW davon spricht, dass mit dem neuen Gesetz eine allgemeine Schutzniveauabsenkung einhergeht:  „Einzelne, wesentliche und grundsätzliche Sicherheitsanforderungen des Brandschutzes [wurden] nach Einschätzung der Feuerwehren bislang nicht hinreichend berücksichtigt. Die Anforderungen liegen in Teilen unterhalb der Anforderungen der bestehenden Landesbauordnung und der Musterbauordnung“. Vor diesem Hintergrund haben wir in unserem Änderungsantrag die Forderungen des VdF NRW aufgegriffen und Verbesserung beim Schutz des Treppenraums als wichtigstem Bestandteil des Rettungs- und Angriffswegs vor einer Brand- und Rauchausbreitung aus einer Wohnung, sowie der bauaufsichtlichen Zustimmung bei Bauvorhaben des Landes oder eines Landesverbandes angemahnt. Leider erfolglos.

Fazit: Das BauModG von CDU und FDP fördert weder Wohnraum für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen noch ist es kommunalfreundlich.
Die Änderungsanträge der GRÜNEN Landtagsfraktion zum Baurechtsmodernisierungsgesetz NRW (BauModG) findet Ihr hier.
Und hier findet Ihr unseren Entschließungsantrag UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen – Schaffung von barrierefreien Wohnraum und rollstuhlgerechte Wohnungen konsequent voranbringen
Für Rückfragen stehen Euch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Bauen und Wohnen, Bettina Tull (bettina.tull@landtag.nrw.de, 0211 884 2168) und unser wissenschaftlicher Mitarbeiter für Soziales, Gesundheit, Pflege und Alter, Harald Wölter (harald.woelter@landtag.nrw.de, 0211/884 2878) gerne zur Verfügung.

Viele Grüße

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