Verena Schäffer: „Deshalb gebührt diesen Personen Respekt und Anerkennung“

Antrag der

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon gestern darüber gesprochen, wie furchtbar die Missbrauchstaten von Lügde, Münster und Bergisch Gladbach sind, aber auch darüber, dass es eine viel höhere Dunkelziffer gibt. Was einen an diesen Taten so schockiert, ist zum einen natürlich die Brutalität, aber auch die Tatsache, dass diese Taten in den allermeisten Fällen von Vertrauenspersonen der Kinder begangen werden, also von den Eltern, den Großeltern, von der Tante oder dem Onkel. Dabei wird das Urvertrauen, das Kinder gerade in ihre Eltern haben, massiv verletzt, und das führt bei den allermeisten Kindern auch zu psychischen Verletzungen.
Wenn man sich das vor Augen führt, muss man sagen, dass die Auswerterinnen und Auswerter der Polizei eine, wie ich finde, unfassbar wichtige Aufgabe haben. Ich muss dabei immer an ein Interview denken, das meines Wissens Herr Wünsch – ich bin mir aber nicht ganz sicher – Anfang des letzten Jahres gegeben hat. Er hat gesagt, dass die Polizei so eine Art Strategiewechsel vollzogen habe, also weg von der reinen Strafverfolgung, weg vom Sammeln von Beweisen gegen einen Täter und hin zu der Aufgabe und zu dem Ziel, einen anhaltenden Missbrauch von Kindern zu beenden, also diese Kinder, die auf diesen Bildern zu sehen sind, zu finden und aus dieser Situation zu befreien.
Das führt dazu, dass diejenigen, die sich diese Videoaufnahmen anschauen müssen, nicht nur Beweise sammeln, sondern auf das allerkleinste Detail achten müssen, um herauszufinden, wo sich das Kind befinden könnte. Gerade deshalb müssen diese Videos immer und immer wieder angesehen werden, und das Schlimmste dabei – ich glaube, Herr Katzidis hat das schon gesagt – ist wohl das Abhören der Tonspur; das wurde uns auch bei unserem Termin beim LKA vermittelt.
Ich habe im Sommer eine ARD-Reportage gesehen, in der es um die Arbeit von Ermittlerinnen und Ermittlern und darum ging, was es eigentlich psychisch bei denjenigen bewirkt, die sich diese Bilder angucken müssen. Ich fand das hochspannend, weil erklärt wurde, dass man normalerweise so reagieren würde, dass man sich solche Bilder nicht anschauen möchte. Das heißt, die eigene Psyche schützt einen selbst davor, sich solche Bilder anzugucken, weil man sie eigentlich nicht ertragen kann.
Deshalb müssen die Ermittlerinnen und Ermittler sozusagen den Schutzmechanismus ihres Körpers überwinden, um sich diese Bilder anschauen zu können, und gerade weil sie diese psychische Überwindung vollziehen müssen, ist es eine solch große Belastung und kann auch psychische Spuren bei den Auswerterinnen und Auswertern hinterlassen. Deshalb – das ist schon mehrfach gesagt worden; ich kann mich da nur anschließen – gebührt diesen Personen Respekt und Anerkennung. Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, weil es eine enorm schwierige Aufgabe ist. Aber wir sind uns einig, und daher werden auch wir diesen Antrag unterstützen.
Ich möchte auf eines eingehen. Ich finde es wichtig, in dieser Debatte zu betonen, dass das Land eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat. Eine Fürsorgepflicht kann man sich aber nicht durch eine Zulage erkaufen; das ist allerdings kein Widerspruch. Fürsorgepflicht bedeutet meiner Meinung nach, möglichst gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, um die Arbeit zu erleichtern. „Erleichtern“ ist eigentlich das falsche Wort, aber Sie wissen, was ich meine.
Diese Arbeitsbedingungen müssen wir schaffen. Wir müssen es ermöglichen, dass Pausen eingelegt werden können, dass es ein gutes, freundlich gestaltetes Arbeitsumfeld gibt, dass jederzeit Seelsorge und Supervision in Anspruch genommen werden können. Fortbildungen müssen angeboten werden, an denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilnehmen können. Ich weiß, in dem Bereich hat sich schon einiges getan, aber meiner Ansicht nach sind die Arbeitsbedingungen vielleicht sogar wichtiger als die monetäre Anerkennung. Zumindest sind sie gleich wichtig. Denn ich denke auch, dass diejenigen, die diesen Job machen, so sehr intrinsisch motiviert sind, das zu tun, dass sie es wahrscheinlich nicht wegen des Geldes machen, sondern weil sie den Kindern helfen wollen und der Kinderschutz bei ihnen an erster Stelle steht.
Ich meine aber, dass wir auch darüber reden müssen – deswegen ist es gut, dass der Antrag überwiesen wird –, ob es noch andere Bereiche in der Polizei gibt, in denen Zulagen gewährt werden sollten. Ich finde es immer schwierig, nur ein Feld herauszugreifen, sondern wir müssen die gesamte Polizeiarbeit betrachten und auch schauen, wie es auf den anderen Felder aussieht.
In dem Zusammenhang möchte ich den Bereich der Todesermittlungen aufmachen. Ich will keine Hierarchisierung von Arbeitsfeldern vornehmen und sagen, das eine sei schlimmer als das andere. Das steht mir überhaupt nicht zu. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir den Blick im Sinne der Gerechtigkeit ein bisschen weiten und uns das Zulagenwesen insgesamt noch einmal anschauen müssen. Auch das ist kein Widerspruch zu dem Antrag, den wir, wie gesagt, unterstützen.
(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)
Ich will nur dafür werben, sich das Feld ein bisschen breiter anzugucken. Alles andere wäre aus meiner Sicht nicht angemessen. Insofern unterstützen wir den Antrag, für den ich mich auch bedanken möchte. Lassen Sie uns die weitere Diskussion dazu gerne im Ausschuss führen. – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

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