Horst Becker: „Ich habe ein gewisses Verständnis für Wahlkampf, aber das, was Sie hier abliefern, ist wirklich eine dünne Suppe“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Erhaltung von Flächen im Ruhrgebiet

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben seit 2010 in Nordrhein-Westfalen 36.000 ha Fläche verbraucht. Das sind – um das einmal zu übersetzen – immerhin rund 50.000 Fußballfelder, die wir mit Verkehrsflächen, Wohngebieten und eben auch Gewerbeflächen bebaut haben.
Insofern ist die Frage von Brachflächen und Industriebrachen durchaus relevant. Das will ich ganz ausdrücklich sagen. Herr Hovenjürgen – Sie haben das ja mit der üblichen Emphase vorgetragen –, schauen wir aber einmal in den Beschlusstext:
„Der Landtag beauftragt die Landesregierung:
–   alle landesrechtlich zur Verfügung stehenden Instrumente verstärkt zu nutzen, um Brachflächen zu entwickeln, Unternehmen anzusiedeln und Arbeitsplätze im Ruhrgebiet zu generieren.“
So zieht sich das auch durch die nächsten Punkte – mit Beauftragungen nach mehr als drei Jahren. Insofern stellt sich die Frage: Was haben Sie eigentlich in den letzten drei Jahren gemacht?
Ich will einmal sagen, was in Ihrem Antrag überhaupt nicht vorkommt. Die Worte „Kohle“ und „Kraftwerke“ stehen zwar vorne in der Einleitung. Sie kommen aber nicht mehr vor, wenn es um die Frage geht, wo denn Brachflächen demnächst zu entwickeln sind. Ich hätte also gedacht, Sie würden sich einmal mit der Frage beschäftigen, was demnächst an Standorten, zum Beispiel bei Kraftwerken, für Industriepolitik zur Verfügung stehen würde. Nichts davon kommt in Ihrem Antrag vor.
Stattdessen beschäftigen Sie sich mit den üblichen ideologischen und entfesselungspolitischen Grundsätzen. Das ist nicht angebracht, glaube ich.
Sie haben gerade gesagt, Opel sei ein schlechtes Beispiel. Ich bin ganz anderer Meinung. Ich glaube, dass Opel ein gutes Beispiel für die Entwicklung von Gewerbebrachen ist.
Etwas Weiteres muss man im Auge haben. Wenn man das tut, geht es tatsächlich immer auch um eine In-Wert-Setzung des Umfeldes und um städtebauliche Prinzipien, die man dann auch bis in die Wohnbebauung in der Umgebung hinein verwirklichen muss. Alles das kommt in Ihrem Antrag nicht vor.
Meine Damen und Herren, Sie lassen auch die gesamten Fragen, die mit dem Flächenverbrauch in Wahrheit verbunden sind, völlig außen vor.
Sie führen zum Beispiel newPark auf. newPark ist keine Industriebrache und keine Brachfläche. newPark ist schlicht und einfach ein landwirtschaftliches Gebiet. Es stellt sich die Frage, was Sie eigentlich in den letzten drei Jahren mit diesem Gebiet gemacht haben,
(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
das ja dafür vorgesehen ist, besondere, große, wertvolle Industrievorhaben anzusiedeln.
Ich sehe von diesem Wirtschaftsminister und von diesem Vorsitzenden der RVR-Versammlung nichts – außer hohlen Phrasen.
(Zuruf)
Es kommen nur hohle Phrasen.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz deutlich: Was Sie hier in diesem Antrag fordern, ist letztlich Misstrauen gegenüber Ihren eigenen Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern im Ruhrgebiet.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist nämlich der eigentliche Gegenstand dieses Antrags. Es geht überhaupt nicht um die Frage der Brachflächenkonversion, sondern darum, dass Sie ihnen offensichtlich nicht zutrauen, die Städte vernünftig zu entwickeln.
Ein Beispiel ist Essen. Der dortige Oberbürgermeister steht Ihnen parteipolitisch, so hört man, theoretisch noch nahe. Dort sind 80 % der Flächen inzwischen in der Konversion bearbeitet worden. Sie sind so bearbeitet worden, dass genau das passiert ist, was ich eben gesagt habe. Es sind industriepolitische Fragen gelöst, städtebauliche Fragen gelöst und wohnungspolitische Fragen gelöst, aber auch Grünflächen dazugekommen. So stellt man sich eine vernünftige wohn- und industriepolitische Darstellung vor.
Lassen Sie mich am Schluss noch sagen – bei Herrn Minister hebe ich mir immer gerne noch eine Minute auf –: Was Sie nicht tun, ist, die eigentlichen Probleme des Ruhrgebiets, zum Beispiel die Zukunftsfragen rund um die Kraftwerksstandorte, anzugehen und sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Sie für die Umwelt und die Ökologie vernünftige Industrie ansiedeln.
Weil Sie das alles nicht tun, ist Ihre Einladung scheinheilig – übrigens auch deswegen, weil Sie unserer Bitte, den Antrag vernünftig im Ausschuss beraten und möglicherweise eine Anhörung durchzuführen, nicht nachgekommen sind, sondern heute mit dem Kopf durch die Wand wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hovenjürgen, ich habe ein gewisses Verständnis für Wahlkampf. Aber das, was Sie hier abliefern, ist wirklich eine dünne Suppe.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Erstens. Sie wollen uns weismachen, dass Wald das Gleiche wäre wie Flächenversiegelung, und wenn mehr Wald da ist, wäre es nicht so, dass mehr Fläche versiegelt worden wäre. Das ist falsch. Es gibt zwar mehr Wald, aber es gibt eben auch eine um 50.000 ha höhere Flächenversiegelung.
Zweitens. Herr Minister, Sie sagen, Sie werden newPark entwickeln,
(Zuruf von der CDU)
aber irgendwann in der Zukunft, weil das, was Sie übernommen haben, so kompliziert gewesen sei.
Diese Fläche ist eine Sonderfläche für besondere Industrievorhaben. Sie haben es ja in diesem Zusammenhang noch nicht mal geschafft, beispielsweise Tesla anzuwerben. Sie reden seit drei Jahren von solchen Dingen. Mehr als die Hälfte Ihrer Regierungszeit ist um,
(Zurufe von der CDU)
und Sie haben nichts von alledem geschafft. Es sind immer nur Worthülsen und heiße Luft.
Drittens. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal sagen, Herr Hovenjürgen, wenn Sie es mit der Brachflächenentwicklung ernst meinen würden, wie Sie es uns und der SPD sagen, dann hätten Sie keine so dünne Suppe vorgelegt wie diese vier Punkte. Die lese ich Ihnen jetzt nicht noch mal vor. Es steht aber nichts anderes drin, als dass bestehende Instrumente genutzt werden sollten. Mein Gott, wo sind wir denn? Nach drei Jahren wollen Sie bestehende Instrumente nutzen. Sie haben fünf Regionalpläne, Sie haben diese Brachflächen. Die sind verankert. Warum haben Sie die denn in den letzten drei Jahren nicht genutzt? Was haben Sie denn eigentlich in den letzten drei Jahren gemacht?
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Mein Gott! Sie sind der Meister der politischen Empörungsrhetorik und haben null Substanz.
(Zurufe von der CDU)
Null Substanz haben Sie!
(Zurufe von der CDU)
Null Substanz. Deswegen sind Sie auch zu Recht nichts in dieser Landesregierung geworden. Wenn Sie jetzt wieder Vorsitzender der Regionalversammlung werden sollten, dann müssen Sie mal ein bisschen Substanz in die Anträge bringen, statt so eine dünne Suppe vorzulegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU und der FDP)

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