Matthi Bolte-Richter. „Wir haben an dieser Stelle eine großartige Chance, diesen Strukturwandel auch mit neuen Partizipationsformen zu gestalten“

Antrag der SPD-Fraktion zu Strukturwandel im Rheinischen Revier

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir diskutieren heute zu Recht erneut über den Kohleausstieg und den Strukturwandel im Rheinischen Revier. Nicht zuletzt weil in Berlin in diesen Tagen die entsprechenden Gesetze auf den Weg gebracht werden, ist es richtig, dass auch wir hier im Landtag uns vor der Sommerpause noch einmal mit diesem Thema befassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie fokussieren in Ihrem Antrag auf den Strukturwandel. Das ist Ihr gutes Recht. In diesen Fragen war der Dissens zwischen den demokratischen Fraktionen dieses Hauses in den vergangenen knapp zwei Jahren eher überschaubar.
Wir sollten uns dennoch den Auslöser des Strukturwandels vor Augen führen, den Kohleausstieg, der in diesem Antrag ausgeklammert wird. Ich erinnere mich an die letzte Plenarrunde, in der meine Kollegin Wibke Brems sich einer doch wütenden Kohlekonsensfront gegenübersah, weil sie es einfach nur auszusprechen wagte, wo der Kohleausstieg herkommt, nämlich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.
Wir müssen doch festhalten, dass fast ein Drittel der ehemaligen Mitglieder der Kohlekommission den Anfang 2019 ausgehandelten Kohlekompromiss mit dem vorliegenden Kohleausstiegs- und Strukturstärkungsgesetz als aufgekündigt erachtet. Diese Mitglieder sind jetzt der Meinung – das sehen wir Grüne ganz genauso –, dass die Empfehlungen zum Klimaschutz, zum Umweltschutz und zur Partizipation, um es vorsichtig auszudrücken, weniger konsequent umgesetzt wurden als andere Aspekte.
Bevor wir über die Details des Strukturwandelprozesses sprechen, sollten wir das doch wenigstens vorausschicken. Denn wenn der gesamtgesellschaftliche Konsens in der Frage des Kohleausstiegs nicht mehr da ist, dann besteht eben die Gefahr, dass auch der Strukturwandelprozess an Legitimität und Rückhalt in der Region verliert. Dessen sollten sich die Verantwortlichen in der Landesregierung, aber natürlich auch in der Bundesregierung bewusst sein, wenn sie dieser Tage final über die Gesetze beraten.
Davon unabhängig ist der Strukturwandel aus unserer Sicht eine große Chance für die Region, um die Weichen in Richtung einer in allen Belangen lebenswerten Zukunft zu stellen.
Sie fokussieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auf die Rolle der Kommunen bei diesen Prozessen – die ist wichtig –, unter anderem auf die Frage, ob Kommunen Eigenanteile bei Projekten werden leisten müssen oder nicht. Soweit ich informiert bin, hat Herr Minister Professor Pinkwart in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses bereits zugesagt, dass die Landesregierung keine guten Projekte an dieser Frage scheitern lassen wird. Das unterstützen wir Grüne ausdrücklich. Ich würde sagen, dass damit eine wesentliche Forderung Ihres Antrags bereits ein Stück weit erledigt ist, jedenfalls wenn es dann tatsächlich so kommt, wie der Minister es angekündigt hat.
Darüber hinaus fordern Sie von der SPD mehr Geld für Personal und andere konsumtive Aufgaben in den Kommunen. Es ist vollkommen richtig, dass gerade die kleinen Kommunen im Revier Gefahr laufen, aufgrund von mangelndem Personal vom Strukturwandel abgehängt zu werden. Aus unserer Sicht ist es aber wenig realistisch, in jedem einzelnen Dorf im Rheinischen Revier einen schlagfertigen Planungsstab aufbauen zu können. Unsere Idee ist es, beispielsweise eher bei der Bezirksregierung eine Taskforce einzurichten, auf deren Kapazitäten die einzelnen Kommunen dann zugreifen können. Das ist nicht nur realistischer, sondern auch weitaus effizienter.
Aus unserer Sicht deutlich zu kurz springen Ihre Forderungen im Bereich der Partizipation für die Zivilgesellschaft. Die Menschen in der Region müssen nicht nur in Revierbegleitausschüssen mitdiskutieren dürfen, sie müssen umfassend informiert werden.
Vor allem müssen sie auch mitentscheiden können, in welche Projekte die Strukturmittel fließen. Ein paar Bürgermeister als Gäste im Aufsichtsrat der ZRR reichen dafür nicht aus.
Wir haben an dieser Stelle eine großartige Chance, diesen Strukturwandel auch mit neuen Partizipationsformen zu gestalten und im Rheinischen Revier eine Musterregion dafür entstehen zu lassen, neue Partizipationsformen auszuprobieren und so auch die Demokratie insgesamt zu stärken.
Wenn wir diese Chancen nicht nutzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann wird der Enthusiasmus, den viele in der Region spüren, schnell Frust und Resignation weichen. Das sollten wir nicht riskieren.
Wir stimmen der Überweisung selbstverständlich zu und freuen uns auf die Diskussionen in den Ausschüssen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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