Solo-Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler sowie Sozialunternehmen in der Corona-Krise nicht alleine lassen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.       Ausgangslage
Während die Fallzahlen der Corona-Pandemie in Nordrhein-Westfalen im Juni 2020 rückläufig sind, haben die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Nach wie vor gibt es in Nordrhein-Westfalen unter anderem abgesagte Messen, Konzerte und Veranstaltungen und diese können für betroffene Solo-Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen existenzbedrohend sein. Großveranstaltungen sind beispielsweise noch bis Ende August 2020 untersagt. Über die Hälfte der Beschäftigen bei Großveranstaltungen sind selbständige Dienstleister. Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende, aber etwa auch Ton-, Licht-, und Videotechnikerinnen und -techniker sowie Kameraleute – sie alle sind in der Folge in besonderer Weise betroffen. Viele Solo-Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen sind in der aktuellen Situation auf Soforthilfen angewiesen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Doch trotz milliardenschwerer Hilfspakete auf Bundes- und Landesebene gibt es bislang keine ausreichenden Hilfen für diese Betroffenen.
Corona-bedingte Einnahmeausfälle von Solo-Selbstständigen, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen können derzeit nicht durch die Bundes- und Landeshilfen kompensiert werden. Die Corona-Soforthilfe ist aufgrund der Auslegung des Bundes nicht zur Deckung des privaten Lebensunterhalts zu verwenden. Damit geht sie an der Lebenswirklichkeit vieler Solo-Selbstständiger, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen vorbei, die zum Beispiel keine Büroräume für die Ausübung ihrer Tätigkeiten angemietet haben. Wie die Landesregierung am 12. Mai 2020 bekanntgegeben hat, können Solo-Selbstständige für die Monate März und April einmalig je 1.000 Euro der Soforthilfe für private Ausgaben nutzen. Allerdings können Betroffene in NRW bereits im Mai keine Unterstützung des Landes mehr erwarten und werden insofern auf das Arbeitslosengeld II verwiesen.
Auch das durch den Koalitionsausschuss auf Bundesebene am 03. Juni 2020 beschlossene Konjunkturpaket sieht trotz immenser Ausgaben in Höhe von 130 Milliarden Euro und 57 beschlossener Einzelmaßnahmen keine Veränderung bei den Hilfen für Solo-Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen vor. Nach wie vor bleibt die Verwendung von Soforthilfen für den privaten Lebensunterhalt ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist vielen Antragsstellerinnen und Antragstellern bis heute unklar, ob, wann und in welcher Weise Rückforderungen auf sie zukommen können. Tausende Solo-Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen fürchten neben neuen Liquiditätsproblemen vor allem, dass sich die Erfahrungen bei der schwierigen und bürokratischen Kreditvergabe durch viele Hausbanken, bei der Rückabwicklung der Soforthilfen wiederholen werden. Entgegen dem ursprünglichen Hinweis des MWIDE, dass für die Soforthilfen kein Verwendungsnachweis zu führen sei, sind die inzwischen angewandten Regelungen zur Begleichung von Lebenshaltungskosten ohne einen solchen Verwendungsnachweis kaum umsetzbar. Aus dem einstmals angekündigten unbürokratischen, nicht rückzahlbaren Zuschuss für Solo-Selbstständige, ist so im Ergebnis allenfalls eine bürokratische Kostenbeihilfe, für viele Antragsstellerinnen und Antragsteller gar eine Rückzahlungsfalle geworden.
Damit die Soforthilfen also nicht im Nachhinein zu einem neuen Geschäftsrisiko für viele Antragsstellerinnen und Antragsteller werden, muss die Landesregierung weiterhin mit aller Macht darauf drängen, hier zu rechtssicheren und praktikablen Lösungen zu gelangen. Der wohl unbürokratischste Weg, wäre eine Verrechnung der Soforthilfen über die Gewinn- und Verlustrechnung zur Einkommenssteuer. Betriebskosten könnten so gewinnmindernd geltend gemacht werden, während Lebenshaltungskosten als zu versteuernder, aber weiterhin nicht rückzahlbarer Zuschuss behandelt werden könnten. Gleichzeitig entfiele die nach geltender Rechtslage so notwendige, wie aufwendige Rückabrechnung der ausgezahlten Hilfen.
Sozialunternehmen sind auf die Schaffung eines gesellschaftlichen Mehrwerts ausgerichtet und tragen damit zur Lösung eines klar benannten gesellschaftlichen Problems bei. Social Entrepreneurship hat damit ein enormes Potenzial für die Lösung von aktuellen sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Insbesondere in der Corona-Krise haben Sozialunternehmen eine besondere Bedeutung, sie leiden jedoch auch in besonderem Maße an den wirtschaftlichen Folgen der Krise.
Laut einer aktuelle Umfrage, die das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V.(SEND) in Kooperation mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht durchgeführt hat, geben 46 Prozent der Sozialunternehmen an, dass sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen höchstens noch sechs Monate überleben. Durch wegbrechende Erlöse aus dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen, fällt derzeit die wichtigste Finanzierungsquelle weg. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die Existenz weiterer Sozialunternehmen durch verzögerte Einnahmeeffekte, durch Ausbleiben von institutionellen oder privaten Spenden, bedroht werden könnte. Gleichzeitig können sie in der Regel nicht auf die staatlichen Soforthilfen zugreifen, weil sie in ihrer Rechtsform oft weder Unternehmen noch der Wohlfahrt zugeordnet werden können. Da sie oft ein Hybrid sind und die Vorteile von Unternehmertum und Wohlfahrt verbinden, fallen sie durch das Raster der meisten Förderprogramme. So gaben zum Beispiel nur 3,2 Prozent der Social Entrepreneurs an, dass sie auf entsprechende Programme der KfW-Bank zugreifen können. Auch auf Landesebene sieht es nicht viel besser aus.

II.      Der Landtag stellt fest:

·           Viele Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen sind in der Folge der Corona-Krise aufgrund von immensen Einnahmeausfällen in ihrer Existenz bedroht.
·           Akute Liquiditätsengpässe erfordern unbürokratische Soforthilfen für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen, die zumindest teilweise für den privaten Lebensunterhalt genutzt werden können.
·           Die wiederholte Veränderung der Zugangsvoraussetzungen hat bei vielen Antragstellerinnen und Antragstellern zu zusätzlicher Verunsicherung und neuen Zukunftssorgen geführt.
·           Der Verweis auf das Arbeitslosengeld II ist unzureichend, da Solo-Selbstständige hier über die Überprüfung der Bedarfsgemeinschaft, Vermögensprüfungen und niedrige Zuverdienstgrenzen aus dem Raster fallen oder unverschuldet in eine Insolvenz getrieben werden können, obwohl sie nicht arbeitslos sind.
·           Die Bundesregierung hat sich wiederholt und endgültig dagegen entschieden, SoloSelbstständigen und Kleinstunternehmen in der Corona-Krise zu helfen. Daher ist das Land NRW nun in der Verantwortung, die dringend notwendige Hilfe zu leisten, um Existenzen und Arbeitsplätze in NRW zu sichern.
·           Die Hälfte der Social-Entrepreneur-Branche droht in den nächsten sechs Monaten durch Corona wegzubrechen. Nicht nur die Unternehmen gingen damit verloren, sondern auch eine enorme gesellschaftliche Innovations- und Gestaltungskraft und ökonomisches Potenzial.

III.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf

1.      Die Corona-Soforthilfe des Landes insofern weiterzuentwickeln, dass Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1.180 Euro pro Monat analog zur Regelung des Landes Baden-Württemberg geltend machen können.
2.      Sich auf Bundesebene für eine unbürokratische und dauerhaft liquiditätssichernde Abwicklung bzw. Rückabrechnung der Soforthilfen für Solo-Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Kleinstunternehmen über die Gewinn- und Verlustrechnung zur Einkommenssteuer einzusetzen, die auch die Finanzierung von Lebenshaltungskosten ermöglicht.
3.      Die ergänzenden Landeshilfen für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen vorläufig bis zum 31.08.2020 zu befristen und aus dem Sondervermögen zur Finanzierung aller direkten und indirekten Folgen der Bewältigung der Corona-Krise zu finanzieren.
4.      Sich weiterhin auf Bundesebene für eine vollständige Erstattung der Landeshilfen für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen einzusetzen.
5.      Ein Finanzierungsprogramm für Sozialunternehmen unabhängig ihrer Rechtsform aufzulegen, das sozial-ökologische Kriterien in den Vordergrund stellt und die Finanzierung von weiteren privaten und institutionellen Geldgebern hebelt.