Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung weiterentwickeln – Betroffene unterstützen und stärken

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

I.       Ausgangslage
Am 25. Mai 2020 wurde George Floyd durch einen Polizeieinsatz in Minneapolis/USA grausam getötet. Der Mord an George Floyd geht nicht auf eine Fehlentscheidung innerhalb weniger Sekunden zurück. Acht Minuten und sechsundvierzig Sekunden lang kniete der Polizist auf dem Nacken von Floyd, wenige Minuten später starb er.
Die Grausamkeit der Tat schockierte weltweit viele Menschen. Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd gingen Tausende von Menschen in den USA, weltweit und auch in Deutschland auf die Straße, um unter dem Postulat „Black Lives Matter“ gegen Rassismus zu demonstrieren.
Die gesellschaftliche Situation sowie die Strukturen, Befugnisse und Ausbildung der Polizei in den USA können nicht mit der Situation und der Polizei in Deutschland gleichgesetzt werden. Das ändert jedoch nichts daran, dass auch in Deutschland Rassismus existiert, wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der aktuellen Debatten feststellte mit folgenden Worten: "Dieser Mord an George Floyd ist schrecklich. Er ist Rassismus. Und wir wissen selber, dass wir auch bei uns so etwas wie Rassismus kennen. Deshalb haben wir auch bei uns alle Hände voll zu tun. Das will ich ganz ausdrücklich sagen.“ (ARD-Sendung „Farbe bekennen“ am 4. Juni 2020)
Perspektive der Betroffenen ernst nehmen
Auch in Nordrhein-Westfalen nahmen bereits Zehntausende Menschen an verschiedenen Versammlungen gegen Rassismus teil. Von Rassismus betroffene Menschen, also u.a. Schwarze Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Musliminnen und Muslime, Roma und Romni, Sinti und Sintize, (Menschen, die von Rassismus betroffen sind, nutzen auch die Selbstbezeichnungen People of Co- lour (PoC), Back and People of Colour (BPoC) und Black, Indigenous and People of Colour (BIPoC). https://glossar.neuemedienmacher.de/?s=bipoc&post_type=encyclopedia) artikulieren dabei ihre Forderungen nach Gerechtigkeit für Opfer rassistischer Gewalt sowie nach Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz. In diesen Forderungen kanalisieren sich die unzähligen Rassismuserfahrungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen und Situationen, mit denen Schwarze Menschen und People of Colour täglich konfrontiert sind. Die gesellschaftliche Bewegung „Black Lives Matter“ will, dass gegen rassistische Diskriminierung überall vorgegangen wird.
Der Tod von George Floyd und die „Black Lives Matter“-Demonstrationen haben dazu geführt, dass auch in Deutschland eine Debatte über die Verbreitung von rassistischen Einstellungen in der Gesellschaft sowie einem institutionellen Rassismus angestoßen wurde. Schwarze Menschen und People of Colour berichten von ihren Diskriminierungserfahrungen, denn ras- sistische Diskriminierung und Gewalt findet auch in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen statt. Rassistische Deutungsmuster durchziehen unsere gesamte Gesellschaft. Die Berichte handeln von argwöhnischer Beobachtung beim Einkaufen, von Abweisungen bei Wohnungsbesichtigungen, von rassistischen Beleidigungen auf offener Straße, von wiederholten Kontrollen und auch von tätlichen Angriffen. Es ist wichtig, dass diese Erfahrungsberichte gehört und ernstgenommen werden. Denn Schwarze Menschen und People of Colour begegnen immer wieder rassistischen Stereotypen. Ihnen wird damit vermittelt, sie seien anders und damit nicht gleichwertig.
Daher ist es wichtig, gegen Alltagsrassismus vorzugehen, und vor allem auch das Empowerment von Schwarzen Menschen und People of Colour zu unterstützen. Dafür ist Einbeziehung der Perspektive der Betroffenen und ihrer Bedürfnisse unerlässlich. Deshalb braucht es einen regelmäßigen Austausch zwischen der Landesregierung mit der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD-Bund e.V.) sowie weiterer Interessensverbände Schwarzer Menschen und People of Colour zu Maßnahmen gegen rassistische Diskriminierung und Empowerment.
Das Problem heißt Rassismus
Rassismus beschränkt sich nicht auf eine rechtsextremistische Szene. Das belegt unter anderem die aktuelle Mitte-Studie „Verlorene Mitte – Feindselige Zustände“ (Andreas Zick / Beate Küpper / Wilhelm Berghan: „Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19“.) für das Jahr 2018/2019. Die Studie misst bei 7,2 Prozent der Befragten „Rassismus“, bei 18,8 Prozent „Fremdenfeindlichkeit“, bei 5,8 Prozent „klassischen Antisemitismus“, bei 24,2 Prozent „israelbezogenen Antisemitismus“, bei 18,7 Prozent „Muslimfeindlichkeit“, bei 25,8 Prozent „Abwertung von Sinti und Roma“ und bei 54,1 Prozent „Abwertung asylsuchender Menschen“. Diese repräsentative Studie zeigt – wie viele weitere Studien auch – seit fast zwei Dekaden schon in erschreckender Weise die weite Verbreitung menschenverachtender Haltungen in unserer Gesellschaft.
Für Personen, die aufgrund bestimmter Merkmale Diskriminierungen erfahren, steht die Anti-diskriminierungsstelle des Bundes als eine Anlaufstelle zur Verfügung. Der erst kürzlich vorgestellte Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt erneut einen Anstieg der Beratungsanfragen fest. Dabei stieg im Jahr 2019 insbesondere der Anteil an Anfragen aufgrund rassistischer Diskriminierung. Sie machen mit 33 Prozent aller Anfragen den größten Anteil der Fälle aus. Gleich darauf folgen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts mit 29 Prozent und Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung mit 26 Prozent. Besonders viele Fälle treten mit 36 Prozent aller Beschwerden im Bereich des Arbeitslebens ein. An zweiter Stelle stehen mit 26 Prozent verschiedene Bereiche des Alltagslebens, wie bei der Wohnungssuche oder beim Einkauf. Die weiteren 38 Prozent der Beschwerdefälle betreffen Bereiche, in denen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht greift. Hierunter trete besonders häufig das Handeln staatlicher Institutionen auf. (https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Jahresberichte/2019.pdf? blob=publicationFile&v=2).
Rassismus äußert sich zum einem als „individueller Rassismus“ von einzelnen Personen, die rassistische Einstellungen und Stereotype verinnerlicht haben und diese entweder offen oder auch subtil und unreflektiert äußern. Rassistische Äußerungen und Handlungen sind jedoch für die Betroffenen immer diskriminierend.
Neben dem „individuellen Rassismus“ gibt es jedoch auch einen „strukturellen/institutionellen Rassismus“, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wie folgt definiert: „Struktureller oder auch institutioneller Rassismus ist in den Organisationsstrukturen einer Gesellschaft verankert. Dabei geht es um ein regelmäßiges – bewusstes oder unbewusstes – Verhalten von Beschäftigten in Behörden, in der Polizei, an Schulen usw., das die Auslegung und Anwendung von Vorschriften gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen betrifft. Wie bei anderen Formen des Rassismus auch erfahren Betroffene Benachteiligungen und Ausgrenzung. Institutioneller Rassismus ist schwieriger zu erkennen und zu bekämpfen als persönliche rassistische Beleidigungen oder Übergriffe. […]“ (https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Ethnische_Herkunft/Themenjahr_2014/fra- gen_antworten_Rassismus/faq_rassismus_node.html, „Was ist struktureller bzw. institutioneller Rassismus?“)
Ziel von Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen der unterschiedlichen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Stellen ist es, der Verbreitung rassistischer und anderer menschenverachtender Einstellungen entgegenzuwirken. Artikel III Abs. 3 des Grundgesetzes macht deutlich, dass niemand aufgrund bestimmter Merkmale benachteiligt werden darf. Dieses im Grundgesetz verankerte Diskriminierungsverbot macht es unerlässlich, dass Maßnahmen ergriffen werden, um institutionellen Rassismus in staatlichen Stellen zu verhindern.

II.      Konkrete Maßnahmen ergreifen

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den „Black Lives Matter“-Versammlungen ebenso wie jene Schwarzen Menschen und People of Colour, die ihre Rassismuserfahrungen mit der breiten Bevölkerung teilen, fordern zurecht konkrete politische Maßnahmen ein. Solidarität mit den Betroffenen von Diskriminierung ist wichtig, aber Politik sollte nicht bei Solidaritätsbekundungen bleiben, sondern ist gefordert, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen und in die Wege zu leiten.
Schutz vor Diskriminierung ausbauen
Das im Jahr 2006 beschlossene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein wichtiger Baustein, damit Betroffene gegen Ungleichbehandlung und Diskriminierung vorgehen können. Jedoch enthält das AGG juristische Schutzlücken in Bezug auf die Behörden in Zuständigkeit der Länder. Diese Schutzlücken müssen durch ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz für Nordrhein-Westfalen geschlossen werden, um einen Diskriminierungsschutz gegenüber allen Behörden in Nordrhein-Westfalen zu schaffen.
Ebenso wichtig ist eine Landesantidiskriminierungsstelle, die als Interessenvertretung der vorhandenen Beratungsstellen und Betroffenen an der Weiterentwicklung der Antidiskriminierungspolitik in Nordrhein-Westfalen mitwirkt. Diese Stelle soll außerdem die registrierten Fälle dokumentieren und ein regelmäßiges Monitoring zum Thema Diskriminierung erarbeiten.
Die bereits vorhandenen 13 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen wie auch die beiden spezialisierten Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt leisten eine unverzichtbare Arbeit in der Beratung und Unterstützung von Betroffenen. Die Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit sind derzeit jedoch nicht flächendeckend über Nordrhein-Westfalen verteilt, sodass hier eine Ausbau der Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit erfolgen soll.
Das von der rot-grünen Landesregierung im Jahr 2016 vorgestellte „Integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ benennt neben der Bekämpfung des Rechtsextremismus ausdrücklich Maßnahmen gegen Rassismus und andere menschenverachtende Einstellungen in der Gesellschaft. Darunter wird als Ziel auch die Sensibilisierung von Verwaltungen und Organisationen für Aspekte des institutionellen bzw. strukturellen Rassismus beschrieben. Das Handlungskonzept und auch das kommunale Förderprogramm NRWeltoffen sollten weiterentwickelt und ausgeweitet werden. Ein regelmäßiges wissenschaftliches Monitoring zu Rechtsextremismus, Rassismus und anderen menschenverachtenden Einstellungen in Nordrhein-Westfalen kann eine gute Grundlage hierfür sein.
Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Diskriminierungsmerkmale ist es wichtig, herauszustellen, dass Menschen nahezu immer gleichzeitig von Diskriminierungen aufgrund mehrerer Merkmale betroffen sind. Sexistische, LSBTIQ-feindliche, rassistische, antisemitische, antimuslimische, antiziganistische etc. Ressentiments wirken zusammen, sodass die Betroffenen gleichzeitig auf mehreren Ebenen verletzt werden. Eine tragfähige Antidiskriminierungsarbeit muss diese Intersektionalität mitdenken. Sie muss Strukturen entwickeln, in denen verschiedene Beratungsstellen vernetzt sind und intersektional arbeiten.
Polizei ist in besonderer Verantwortung
Aufgrund des gewaltsamen Todes von George Floyd durch einen Polizeieinsatz in Minneapolis/USA richten sich viele Forderungen der „Black Live Matters“-Bewegung auch in Deutschland an die Polizei. Zwar ist die amerikanische Polizei hinsichtlich ihrer Struktur, Ausbildungsinhalte, Befugnisse, Ausrüstung und Einsatztaktik nicht vergleichbar mit unserer deutschen Polizei. Dennoch kann auch unsere Polizei weder von einem individuellem Rassismus in Bezug auf einzelne Polizeibeamtinnen und -beamte noch von einem strukturellen Rassismus, wie es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes definiert, grundsätzlich ausgenommen werden. Das heißt keinesfalls, dass Polizeibeamtinnen und -beamte pauschal unter einen Generalverdacht gestellt werden. Es ist vielmehr Ausdruck einer demokratisch ausgerichteten und dem Grundgesetz verpflichteten Polizei, selbstkritisch die eigenen Strukturen und ihre Wirkungsweisen zu hinterfragen.
Bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen kam es in den vergangenen zwei Jahren zu einer Reihe von Verdachtsfällen rechtsextremer Gesinnung von Polizeibeamten auf. Neben den Ermittlungen gegen Polizeibeamte im sogenannten Nordkreuz-Prozess, den mehrfachen Bedrohungen gegen eine Nebenklageanwältin im Gerichtsprozess gegen den NSU ist auch an die Beteiligung eines Polizeiverwaltungsbeamten des Polizeipräsidiums Hamm an der rechtsterroristischen „Gruppe S.“ zu denken. Hinzu kommen bis zum 25. Mai 2020 bereits 15 Ermittlungsverfahren zu rechtsextremen Verdachtsfällen bei der Polizei in Nordrhein-Westfa- len (https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/polizei-extremismusbeaufragte-nrw-start-100.html)
Vor diesem Hintergrund ist die Einführung der sogenannten Extremismusbeauftragten in den 47 Kreispolizeibehörden der NRW-Polizei ein erster sinnvoller Schritt. Denn rechtsextreme, rassistische und verfassungsfeindliche Haltungen durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte stellt einen Widerspruch zum Auftrag der Polizei dar, für Schutz und Wahrung von Grundrechten zu sorgen. Es reicht jedoch nicht, wenn die Extremismusbeauftragten lediglich polizeiinterne Hinweise auf Verdachtsfälle entgegennehmen und diese bearbeiten. Eine zentrale Aufgabe der Beauftragten muss es sein, für mehr Bewusstsein und Wissen in der Polizei über Rassismus, Antisemitismus, und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu sorgen, zum Beispiel über Fortbildungen, Veranstaltungen und Ausstellungen in den Kreispolizeibehörden.
Dass strukturell verankerte Stereotype fatale Folgen haben können, zeigen die Ermittlungen der Polizei zu den Verbrechen des rechtsterroristischen NSU. Durch die Vermutung, dass die Motive für die Anschläge und Morde aufgrund der Migrationshintergründe der Opfer im Bereich der Drogenkriminalität oder Schutzgelderpressungen zu finden sind, wurden die Opfer jahrelang verdächtigt und kriminalisiert. Die Polizei ist nicht die einzige staatliche Institution, in der Formen des strukturellen Rassismus existieren. Aber die Polizei ist ein besonders sensibler Ort, denn die Polizei hat zum einen als Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols erhebliche Eingriffsbefugnisse, zum anderen trägt sie die Verantwortung für die Sicherheit aller Menschen. Das bedeutet auch, dass alle Menschen – einschließlich Schwarze Menschen und People of Colour – darauf vertrauen können müssen, dass die Polizei dieser Verantwortung nachkommt.
Die aktuelle Debatte um strukturellen Rassismus fokussiert die Rolle der Polizei. Dabei kann struktureller Rassismus in allen staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen vorhanden sein. In Bereichen wie Schule, Hochschule, Ausländerbehörden, kommunalen Meldebehörden oder auch in privaten Unternehmen erfahren Menschen Diskriminierung, die nicht allein auf individuelle Haltungen von Einzelpersonen zurückgeführt werden können, sondern auf etablierte Strukturen, die besondere Hürden für Menschen mit bestimmten Merkmalen bedeuten. Auch wenn dies nicht intendiert ist, wirken sich bestimmte etablierte Strukturen und Verfahrensweisen nachteilig gegenüber Menschen aus, die ohnehin in der Gesellschaft marginalisiert sind.
Kolonialgeschichte auf dem heutigen Gebiet Nordrhein-Westfalens aufarbeiten
Eine wichtige Forderung Schwarzer Menschen, die auch jetzt im Zuge der „Black Matter Lives“-Bewegung artikuliert wird, ist die Schaffung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für die Kolonialgeschichte Deutschlands und die Ungerechtigkeiten gegenüber den Menschen in den Kolonien. Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte ist bislang noch zu wenig erfolgt und die deutsche Verantwortung in den Kolonien im öffentlichen Gedächtnis wenig präsent. Die Expansion europäischer Staaten auf anderen Kontinenten geschah auf Grundlage grausamster Unterdrückung und Versklavung von Menschen. Europa beutete Länder auf den amerikanischen Kontinenten, in Afrika und Asien systematisch aus. Auch wenn die deutsche Beteiligung am Kolonialismus sich auf eine vergleichsweise kurze Zeit begrenzt, hat sie nicht minder Leid hervorgebracht. Noch heute befinden sich Kunstwerke in nordrhein-westfälischen Museen, die aus den ehemaligen deutschen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinenten als „Beutekunst“ entwendet wurden.
Der heutige Rassismus wurde im 19. Jahrhundert als wissenschaftliches Konstrukt entwickelt. Eine Einteilung der Menschen in vermeintlich höher- oder minderwertige Kategorien fungierte als Rechtfertigung für die Ausbeutung ganzer Kontinente. Dieses ideologische Konstrukt aus dem 19. Jahrhundert wirkt bis heute fort. Eine ernsthafte Debatte über Rassismus bedeutet daher auch eine Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte der Städte im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens.

III.     Der Landtag stellt fest:

Der Landtag unterstützt den wichtigen zivilgesellschaftlichen Protest gegen Rassismus. Er ist eine erneute Aufforderung an Politik und Gesellschaft, aktiv gegen Rassismus vorzugehen.
Der in Artikel 3 des Grundgesetzes formulierte Gleichheitsgrundsatz ist die Voraussetzung für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft. Ohne die Einlösung des Versprechens der Gleichheit aller Menschen ist auch das Versprechen der Demokratie nicht vollständig eingelöst. Die Arbeit gegen Rassismus ist damit ein zentraler Auftrag unseres demokratischen Rechtsstaates.

IV.    Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1.      einen Entwurf für ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz für Nordrhein-Westfalen in den Landtag einzubringen, der die juristischen Schutzlücken des AGG in Bezug auf die öffentlichen Behörden im Zuständigkeitsbereich Nordrhein-Westfalens schließt.
2.      eine Landesantidiskriminierungsstelle einzurichten, die als Interessenvertretung der vorhandenen Beratungsstellen und Betroffenen an der Weiterentwicklung der Antidiskriminierungspolitik in Nordrhein-Westfalen mitwirkt, die Öffentlichkeit zum Thema Diskriminierung informiert und hierzu eigene Untersuchungen durchführt oder in Auftrag gibt.
3.      die Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen weiter zu stärken und flächendeckend auszubauen.
4.      den Aufgabenbereich der Extremismusbeauftragten in den Polizeibehörden so zu erweitern, dass diese zur Aufgabe haben, für mehr Bewusstsein und Wissen in der Polizei über Rassismus, Antisemitismus, und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu sorgen, zum Beispiel über Fortbildungen, Veranstaltungen und Ausstellungen in den Kreispolizeibehörden.
5.      ein regelmäßiges wissenschaftliches Monitoring zu Rassismus und Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen einzuführen, das die Entwicklungen von Handlungsansätzen für wirksame Konzepte unterstützt.
6.      die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte auf dem heutigen Gebiet Nordrhein-Westfalens anzustoßen, mit dem Ziel die historische Verantwortung Nordrhein-Westfalens aufzuarbeiten.
7.      einen regelmäßigen Austausch zwischen der Landesregierung mit der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD-Bund e.V.) sowie weiterer Interessensverbände Schwarzer Menschen und People of Colour zu etablieren, um weitere Maßnahmen gegen rassistische Diskriminierung und für Empowerment zu definieren.
8.      das integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus weiterzuentwickeln und auszubauen sowie das kommunale Förderprogramm NRWeltoffen auf weitere Kommunen auszuweiten.
9.      die Handlungsempfehlungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses III zu den Verbrechen des NSU in Nordrhein-Westfalen der 16. Legislaturperiode des Landtags NRW (Drucksache 16/14400) vollumfänglich umzusetzen.
10.   eine Kommission zur Analyse rassistischer und diskriminierender Handlungsweisen bei der Polizei einzurichten, die zusammengesetzt ist aus Expertinnen und Experten der Wissenschaft sowie Angehörigen der Polizei.
11.   sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Begriff „Rasse“ aus Artikel III des Grundgesetzes gestrichen wird.