Josefine Paul: „Möglicherweise ist es sinnvoller, ein solches Vorgehen bundesgesetzlich zu regeln“

Antrag der "AfD"-Fraktion zum Kinderschutz

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist eine zentrale gesamtgesellschaftliche und auch gesamtpolitische Verantwortung. Es ist unerträglich, dass Kinder täglich Opfer von Gewalt werden und sogar in der Folge von Misshandlung zu Tode kommen.
Besonders furchtbar ist, dass diese Gewalt zumeist im sozialen Nahbereich geschieht, also dort, wo Kinder Geborgenheit finden und wo sie vertrauen können sollten.
Das Dunkelfeld in diesem Bereich ist sehr groß. Die aktuelle Krise lässt uns leider befürchten, dass dieses Dunkelfeld noch größer geworden ist. Denn – wir haben bereits mehrfach darüber gesprochen – Meldewege über Institutionen wie Kitas oder Schulen, aber auch Hinweise aus Vereinen und über Ärzte stehen derzeit nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Insbesondere kleine Kinder haben aktuell wenig Chancen, sich Hilfe holen zu können.
Das Dunkelfeld aufzuhellen und Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen, ist eine zentrale Aufgabe auch und gerade politischen Handelns. Kinderschutz ist dabei eine Netzwerkaufgabe. Dieses Netz müssen wir – das zeigen die Fälle, die hier schon beschrieben worden sind – noch enger weben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen starke Strukturen. Das heißt zum einen, dass wir starke Fachberatungsstellen brauchen. Diese müssen ausgebaut werden, damit Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene niedrigschwellig Angebote und Hilfe finden. Diese Hilfsangebote muss es auch flächendeckend überall in NRW geben.
 (Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen gleichermaßen feste Strukturen der Kooperation aller am Kinderschutz Beteiligten. Das heißt aber auch, dass wir finanzielle Ressourcen brauchen, damit hier ein verlässlicher Rahmen geschaffen werden kann und die Koordinierung von Netzwerken, die wir so dringend vor allem vor Ort in den Kommunen brauchen, sichergestellt werden kann. Denn das Ganze darf nicht davon abhängig sein, ob in den einzelnen Institutionen engagierte Leute tätig sind. Daher müssen wir Strukturen schaffen, die das Zusammenwirken hier verstärken.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein wichtiger Teil des Kinderschutzes ist das Gesundheitswesen. Das Kompetenzzentrum Kinderschutz im Gesundheitswesen von NRW wurde bereits angesprochen. Das Land hat hier Strukturen gestärkt, um den Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen durch telefonische Beratung Unterstützung zu bieten. Zudem besteht die Möglichkeit einer anonymisierten gemeinsamen Beurteilung von Verletzungen durch ein Online-Konsilsystem. Des Weiteren wurde der Bereich Fortbildung – ich finde, auch der ist sehr wichtig – noch einmal gestärkt.
Wir stellen aber auch fest, dass es für den medizinischen Kinderschutz und damit auch für die Netzwerkarbeit, für die Fortbildung, für das gemeinsame Beurteilen und für das gemeinsame Voranbringen des Kinderschutzes nach wie vor keine ausreichende Refinanzierung gibt. Hier besteht dringend Nachholbedarf, weil es beim Kinderschutz auch eine Frage ist, über welche finanziellen Ressourcen er verfügt. Da müssen wir nacharbeiten; denn es kann nicht sein, dass Kinderschutz an mangelnden finanziellen Ressourcen scheitert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Antrag spricht konkret von der Frage des interkollegialen Austauschs von Kinderärztinnen und Kinderärzten beim Verdacht auf Misshandlungen. In der Tat ist das eine Frage, die durch das Bundeskinderschutzgesetz nicht geregelt ist. Es wurde angesprochen: Im Rahmen der Meldung eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung sind Kinderärztinnen und Kinderärzte sehr wohl von ihrer Schweigepflicht entbunden. Allerdings gibt es keinen gesetzlichen Rahmen für die Frage eines interkollegialen Austausches.
Es gilt daher zu prüfen, inwieweit ein solcher Austausch rechtssicher ermöglicht werden kann. Zu einer solchen Prüfung gehört aber auch die Frage nach der landesgesetzlichen Regelungskompetenz bzw. ob dies bundesgesetzlich geregelt werden muss. Allerdings – das ist, finde ich, auch ein wichtiger Punkt – muss neben der formaljuristischen Prüfung die Frage der gesetzlichen Verortung noch erweitert werden um die Frage: „Wo ist es eigentlich fachlich richtig angesiedelt?“
Der Fall aus Lügde zeigt uns sehr deutlich, dass es unterschiedliche Standards in unseren Jugendhilfeeinrichtungen und bei den Kinderschutzstrukturen gibt. Außerdem haben Schnittstellenprobleme zu diesem Behördenversagen beigetragen.
Es ist also die Frage, ob es sinnvoll ist, das landesgesetzlich zu regeln, womit ein weiterer Flickenteppich auch in den Kinderschutzstrukturen entsteht. Möglicherweise ist es sinnvoller, ein solches Vorgehen bundesgesetzlich zu regeln, damit es eben nicht so läuft, dass sich zwar Kolleginnen und Kollegen in NRW untereinander, nicht aber mit Kolleginnen oder Kollegen in Niedersachsen austauschen können.
Vor diesem Hintergrund müssen diese Fragen ernsthaft geprüft werden. Sie müssen formaljuristisch geprüft werden. Ebenso muss geprüft werden, wo aus fachlicher Sicht der richtige Ort ist, um den Kinderschutz mit einem Bündel von Maßnahmen zu stärken und die Kinder in Nordrhein-Westfalen besser vor Gewalt zu schützen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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