Johannes Remmel: „Wer auf Wasserstoff setzt, muss über eine aktive Nordafrikapolitik nachdenken“

Antrag der GRÜNEN im Landtag "Klimadiplomatie in der EU"

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht muss ich am Anfang mit einem Missverständnis aufräumen. Die Debatte ist zumindest von den Sprechern der Koalitionsfraktionen so angelegt worden, als würden wir irgendetwas kritisieren, was die Landesregierung derzeit tut – in der Fortführung dessen, was vorherige Landesregierungen begonnen haben. Keinesfalls. Wir kritisieren nicht das, was Sie tun. Vielmehr schlagen wir vor, mehr zu tun. Darum geht es. Es geht um die Prioritätensetzung und darum, was notwendig ist, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.
Deshalb ist alles gut und richtig, was die Landesregierung in dieser Sache tut – auch in der Folge vergangener Entscheidungen. Wir stehen aber vor neuen Herausforderungen. Deshalb ist es notwendig, neue bessere Prioritäten zu setzen und vielleicht sogar mehr zu tun als in der Vergangenheit.
Mein persönliches Erlebnis dazu, warum es wichtig ist, dass sich neben der nationalen Ebene auch die Regionen, Städte und Kommunen, also alle in eine bestimmte Richtung orientieren, war in der Tat, dass ich ein wenig habe mitverfolgen können, was im Zusammenhang mit der großen Klimakonferenz in Paris passiert ist.
Paris war auch deshalb erfolgreich, weil es neben den nationalen Anstrengungen und den Anstrengungen der Zivilgesellschaft auch eine breite Bewegung der Städte, Gemeinden und Regionen gegeben hat. Nordrhein-Westfalen war im Übrigen zusammen mit Baden-Württemberg und Kalifornien beteiligt – bei einer Initiative, die am Ende gut ein Drittel der Weltbevölkerung und mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung dazu zusammengefasst hat, zu sagen: Wir wollen unter 2 Grad bleiben.
Diese Grunderfahrung hat mich darin bestärkt, dass es Sinn macht, dies auch in der Politik eines föderalen Bundeslandes zu priorisieren.
Die aktuellen Herausforderungen sind in der Tat schon teilweise benannt worden. Ganz aktuell sind die anstehende Ratspräsidentschaft Deutschlands, inwieweit wir uns im Zusammenhang mit dem Recovery-Plan der EU einbringen und positionieren und die Frage der Ausgestaltung der Vorstellung der Europäischen Kommission zum Green New Deal.
Natürlich steht nach wie vor auch die Ausgestaltung von Handelsverträgen im Mittelpunkt auch unserer Interessenlage. Deshalb ist es mit dem Blick nach vorne notwendig, auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse Schwerpunkte zu setzen. Ich will das an drei Beispielen deutlich machen: zunächst am Emissionshandel.
Wer unsere heimische Industrie und Interessenlage über nationale Grenzen hinaus vertreten will, muss eigentlich für den Emissionshandel sein. Ansonsten wird es auf die in der Diskussion befindlichen CO2-Boarder-Tax hinauslaufen; ich will die nicht.
Wer Handelspolitik und freie Märkte will, muss dafür sorgen, dass die Bedingungen für Produktion noch an anderer Stelle entsprechend vertraglich diplomatisch gesichert werden. So etwas wie Emissionshandel muss auch mit anderen Herstellungsregionen kompatibel sein.
Ich will ein zweites Beispiel nennen. Wer die heimische Landwirtschaft schützen will, wer möchte, dass es hier auch in Zukunft noch nachhaltige ökologische Produktion gibt, muss darüber nachdenken, wie nachhaltige Standards in der landwirtschaftlichen Produktion international abgesichert gewährleistet werden.
Ein letztes Beispiel in Richtung der Landesregierung: Wer auf Wasserstoff setzt, muss über eine aktive Nordafrikapolitik nachdenken. Wir werden den Wasserstoff mit unseren erneuerbaren Energien schlicht nicht in Europa oder Deutschland produzieren können.
Wir brauchen eine Verbindung verschiedener Themen und Antworten auf Herausforderungen, beim Wasserstoff in der Tat die Migration des Klimaschutzes und den Umgang mit unseren unmittelbaren Nachbarn in Nordafrika. Das ist für zukünftige Herausforderungen zentral.
Deshalb bedaure ich, dass Sie selber keine eigene Vorstellung entwickelt haben und unseren Antrag einfach nur ablehnen. Es wäre schön, wenn Sie wenigstens Ihre eigene Vorstellung in die Debatte einbringen könnten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)