Mehrdad Mostofizadeh: „Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite der Bundesliga-Fußball rollt und auf der anderen Seite die Oma und der behinderte Bruder in den Heimen verkümmern“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Corona-Teststrategien

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! So präzise und freundlich, wie wir den Antrag formuliert haben, gehe ich mal davon aus, dass der Minister den Koalitionsfraktionen gleich empfehlen wird, diesem Antrag zuzustimmen
(Heiterkeit von der SPD)
oder wahlweise zu sagen: Wir machen das schon alles. Deshalb bedarf es dieses Antrags nicht.
Ich werbe ausdrücklich für diesen Antrag.
Gut acht Wochen – ich kann mich noch gut erinnern: Anfang März –, nachdem wir intensiv über die Pandemie gesprochen haben, unterscheidet sich die jetzige Entwicklung deutlich von dem Anfang, und zwar nicht nur aufgrund der Infektionszahlen, sondern auch aufgrund des sonstigen Geschehens.
Viele diskutieren darüber, wie der Ministerpräsident die Öffnungsdiskussion angelegt hat, und man kann darüber unterschiedlicher Auffassung sein.
Am Anfang hat das RKI allen empfohlen, sich mit den Tests zurückzuhalten und nur diejenigen zu testen, die sozusagen symptomatisch sind – ich will das nicht im Einzelnen aufrollen –, damit die Tests ausreichen und nicht die Situation entsteht, dass den Leute in den Krankenhäusern auf den Gängen gesagt werden muss: Geht wieder nach Hause. Wir können nicht einmal euch testen.
Dafür habe ich Verständnis. In einer solchen Phase sehr sorgsam damit und insgesamt sorg- sam mit Material umzugehen, ist klug und richtig.
Jetzt ist die Lage aber eine völlig andere. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Menschen sich mehr begegnen; und Sie begegnen sich mehr.
Gleichzeitig gibt es in dieser Situation Absurditäten. Auf der einen Seite spielt die Fußballbundesliga mittlerweile wieder, und man begegnet sich in Parks oder anderswo. – Das ist erlaubt ist, ist im Übrigen kein Zugeständnis einer Regierung. Vielmehr müssen wir erklären, warum wir Freiheitsrechte einschränken.
Und deswegen müssen wir auf der anderen Seite den Menschen, die im Pflegeheim leben, die in den Behindertenwerkstätten arbeiten oder in die Kita gehen wollen, erklären, warum eine Begegnung nicht möglich ist.
Wenn durch Testungen und dadurch, dass man es manchen Menschen freistellt, sich testen zu lassen, Abhilfe geschaffen werden kann und Begegnung wieder möglich ist, dann ist es wohl auch unser verfassungsrechtlicher Auftrag, dies zu tun.
Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die damit belastet werden – nämlich die Erzieherinnen und Erzieher, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die, die im Pflegeheim und woanders arbeiten –, die Gelegenheit bekommen, auch dann, wenn sie nicht symptomatisch sind, auf freiwilliger Basis getestet zu werden oder der Arbeit fern zu bleiben.
Wenn wir das systematisch wollen – der Bundestag wollte es; der Bundesgesundheitsminister hat das gepredigt; es gibt Papiere verschiedenster Bundesländer und Aussagen von allen Bundestagsfraktionen, dass sie eine solche Strategie wollen –, dann müssen wir das in den Ländern realisieren. Die Länder sind dafür zuständig, eine solche Strategie umzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Spahn kann da allenfalls Hinweise geben.
Über die Kostentragungspflicht kann man sich streiten. Ich würde die Finanzierung eher als Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ansehen, aber die Finanzierungsfrage ist durch eine Ansage von Minister Spahn gelöst: Es wird über die GKV finanziert.
Und es wird auch nicht pauschal getestet, wie immer erzählt wird. – In Essen haben wir eine Auseinandersetzung mit dem dortigen Gesundheitsdezernenten, der behauptet, wir würden Massentests anordnen. Das ist falsch. Darum geht es nicht.
(Zuruf von Fabian Schrumpf [CDU])
Herr Schrumpf, es geht darum, sich sehr präzise die Situation in den Kitas und den Pflegeheimen anzuschauen und sich vor Augen zu führen, wie die Situation beim Auftreten von Infektionen sein wird.
Gesundheitsminister Laumann hat – das fand ich richtig – nach dem Ausbruch in Coesfeld selbst gesagt: Offensichtlich ist das ein Hotspot, also müssen wir sehr genau darauf achten, dass auch alle anderen getestet werden.
Schwuppdiwupp – ein Drittel der Beschäftigten, also jeder dritte Beschäftigte war mit COVID-19 infiziert. Deswegen war es richtig, dort sehr substanziell hineinzugehen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht auch der Familienminister Folgendes: Er führt eine Teststudie in den Kitas in Düsseldorf durch, um herauszufinden, wie denn die Ausbreitungsgrade sind.
Ich fasse zusammen: Unser Antrag gibt eigentlich das vor, was das gesamte Plenum – bis auf eine Truppe, die ich nicht ansprechen will – eigentlich gemeinsam verabreden müsste. Wir wollen sehr gezielt dafür sorgen, dass der Gesundheitsschutz gewahrt ist, dass die Menschen in den Einrichtungen geschützt werden, dass wir für Schutzkleidung sorgen und dass wir auf der anderen Seite auch das tun, was unsere Gesellschaft ausmacht, nämlich miteinander auf Augenhöhe zu leben.
Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite der Bundesliga-Fußball rollt und auf der anderen Seite die Oma und der behinderte Bruder in den Heimen verkümmern. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir uns nicht erlauben; und deswegen dieser Antrag zu sehr gezielter Testungsstrategie, für den ich um Zustimmung und Unterstützung bitte. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)