Corona-Teststrategie für Nordrhein-Westfalen: Infektionsgeschehen besser erkennen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Mehrdad Mostofizadeh

I.       Ausgangssituation:
Nach rund zwei Monaten des eingeschränkten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens zur Eindämmung der Corona-Pandemie werden etliche Maßnahmen im Mai 2020 wieder gelockert. Um sozial und wirtschaftlich schädliche Folgen so gering wie möglich zu halten, gleichzeitig aber die Bevölkerung zu schützen und das Gesundheitssystem nicht zu überfordern, müssen Hygiene- und Schutzmaßnahmen für die verschiedenen Bereiche erarbeitet werden.
Da weiterhin weder Impfstoff noch wirksame Therapien zur Verfügung stehen und eine Herdenimmunität noch lange nicht erreicht ist, ist es umso wichtiger, das Infektionsgeschehen genau zu beobachten, um auf lokale Ausbrüche schnellstmöglich reagieren zu können und dadurch eine zweite Infektionswelle zu verhindern.
Dabei kommt den Tests auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 eine besondere Rolle zu. Sie sind wichtig, um Neuinfizierte schnell zu identifizieren und anschließend Quarantänemaßnahmen durchführen zu können.
Laut NRW-Gesundheitsministerium (Vorlage 17/3338) sind die Kapazitäten in den in NRW ansässigen 18 vertragsärztlichen Laboren bei weitem nicht ausgeschöpft. So lagen die Kapazitäten in der 17. Kalenderwoche (20.04.-26.04.2020) bei 37.430 Tests pro Tag beziehungsweise 187.150 Tests pro Woche. In der gleichen Woche wurden 81.858 Tests durchgeführt. Auch das Bundesministerium für Gesundheit bestätigte schon Mitte April, dass
– trotz gelegentlich auftretender Lieferschwierigkeiten an Testinstrumenten, Einzelkits, Reagenzien und Verbrauchsmaterial – ausreichend Testkapazität „für alle Fragestellungen vorhanden ist und weiterhin breit angelegt getestet werden kann“ (Papier „‘Testen, testen, testen‘ – aber gezielt“ vom 17.04.2020).
Bisher gibt es keine landesweite Strategie in Nordrhein-Westfalen zur Testung auf SARS-CoV-
2. Testungen sollen „grundsätzlich nach geltenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts erfolgen“ und liegen in der Verantwortung der kommunalen Gesundheitsämter. Damit werden hauptsächlich Personen getestet, die akute respiratorische Symptome und/oder einen Verlust des Geruchs- beziehungsweise Geschmackssinns erleben.
Von der Landesregierung ist lediglich verfügt, dass Testungen von Bewohnerinnen und Bewohnern und Personal in Pflegeeinrichtungen sowie in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderungen, in denen Infektions- oder Verdachtsfälle bekannt werden, regelmäßig durchgeführt werden sollen. Medizinisches Personal wird entsprechend der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts getestet.
Asymptomatische Personen werden in der Regel nicht getestet.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forderten seit Mitte April die Ausweitung der Testungen (siehe beispielsweise die Stellungnahme der Leopoldina vom 13. April, in der esheißt, alle Verdachtsfälle, also auch asymptomatische Personen, sollten einer Testung unterzogen werden). Dies gilt umso mehr, seitdem die Kapazitäten der Labore stark angestiegen sind.
Gerade die Ausweitung der Testung auf asymptomatische Kontaktpersonen von Infizierten oder von Verdachtsfällen – wie in der Strategie Baden-Württembergs oder in Rheinland-Pfalz
– kann helfen, Infektionsketten zu unterbrechen. Bei einer erneuten Zunahme von Fällen, insbesondere, wenn sie wie gerade auf einigen Schlachthöfen im Kreis Coesfeld lokal gehäuft auftreten, sollte die gesamte Bevölkerungsgruppe getestet werden. Durch Testungen als Grundlage für Querschnittsanalysen können, zum Beispiel in der bisher oft diskutierten, aber wenig erforschten Frage der Infizierung von Kindern, auch Strategien der Risikoabschätzung verbessert werden.
Bisher werden vor allem sogenannte PCR-Tests eingesetzt, mit denen eine akute Infektion durch Nachweis von Viren im Rachenabstrich einer Person angezeigt wird. Antikörper-Tests zum Feststellen einer durchgemachten Infektion durch Nachweis von Antikörpern im Blut befinden sich in der Entwicklung.

II.      Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert,
1.      eine Strategie zur Testung auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 vorzulegen, deren Ziel es ist, Infektionsketten wirksamer zu analysieren und zu durchbrechen sowie Strategien der Risikoabschätzung zu verbessern. Teil dieser Strategie sollte unter anderem sein, über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hinaus eine Testung auch von asymptomatischen, engen Kontaktpersonen von Verdachtsfällen vorzunehmen, besonders sensible Bereiche wie Altenpflegeheime oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in bevorzugter Weise zu untersuchen, umfassende Testungen im Umfeld von Infektionsschwerpunkten zu veranlassen und Querschnittsanalysen zum Beispiel für Kindertagesstätten und Schulen und andere, bisher wenig erforschte Bereiche zu ermöglichen. Diese Teststrategie sollte unter Einbeziehung des Sachverstandes führender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erarbeitet werden;
2.      die Finanzierung für solche Tests bis zum Inkrafttreten der Verordnung zur Umsetzung des „Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ bereitzustellen;
3.      die Bevölkerung über die neue Strategie und insbesondere über die Notwendigkeit, auch asymptomatische Kontaktpersonen testen zu lassen, breit aufzuklären.