Ziele der Volksinitiative ernst nehmen – ein Fahrradgesetz für NRW zügig auf den Weg bringen

Entschließungsantrag der GRÜNEN im Landtag

I.          Ausgangslage
Die erfolgreiche Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ hat 206.687 Unterschriften gesammelt mit dem Ziel, den Radverkehrsanteil am Modal Split von derzeit 8 Prozent auf 25 Prozent bis 2025 landesweit zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich die Verkehrspolitik der Landesregierung deutlich ändern.
Die Menschen in NRW sollen so einfach wie möglich ihre Ziele schnell, zuverlässig und bequem, klima- und umweltfreundlich erreichen, deshalb soll mit einer Verkehrswende echte Alternativen zum Autoverkehr geschaffen werden. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Förderung des Fahrradverkehrs. Andere Bundesländer wie beispielsweise Berlin machen vor, wie das funktionieren könnte. In dem im letzten Jahr verabschiedeten Mobilitätsgesetz Berlin ist der Fahrradverkehr ein wichtiger Baustein der neuen Mobilität. Dabei geht es vor allem darum, die Voraussetzungen für eine Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten eines attraktiven Radverkehrs zu schaffen und die Radinfrastruktur sicherer, leistungsfähiger und komfortabler zu machen. Ziel ist dabei eine signifikante und dauerhafte Erhöhung des Radverkehrsanteil am Modal Split. Während in Münster bei allen Wegen mehr als 35 Prozent das Fahrrad genutzt wird, sind es in Essen nur etwa 5 Prozent. Die großen Unterschiede in der Radnutzung sind vor allem der mangelnden Radinfrastruktur geschuldet. Hier wäre durch einen konsequenten Ausbau in allen Städten und Kreisen in NRW eine deutliche Zunahme des Radverkehrs möglich.
Die ebenso dringlichen Investitionen in den Öffentlichen Nahverkehr beanspruchen lange Zeiträume für Planung und Umsetzung und kosten in der Regel viel Geld. Im Vergleich dazu kann die Fahrradinfrastruktur relativ schnell und kostengünstig erstellt oder angepasst werden

II.         Der Landtag stellt fest:

Folgende Eckpunkte soll das Radverkehrsgesetz NRW beinhalten:

Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr

Das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer ist ein entscheidender Faktor für die Entscheidung, das Fahrrad im Alltag für möglichst viele Wege zu nutzen. Nur in ganz wenigen Städten in NRW sind Radwege und –verbindungen so gut ausgebaut, dass sich die Radfahrenden durchgehend auch auf mittleren und längeren Strecken rundum sicher fühlen können. Oft sind breite Radfahrstreifen, die der aktuellen Norm von mindestens 150 cm genügen, nur wenige hundert Meter lang. Vielfach gibt es entweder überhaupt keine Radverkehrsanlagen oder nur gemeinsame Geh- und Radwege, schmale bauliche Radwege auf Gehwegen oder sogenannte Schutzstreifen auf der Fahrbahn. Dies führt zu gefährlichen Situationen zum Beispiel durch kreuzende Fußgängerinnen und Fußgänger – gerne auch mit Hund an der Leine -, plötzlich aufgehende Autotüren oder fehlende Sichtbeziehungen an Kreuzungen. Diesen Konflikten und unfallträchtigen Situationen kann nur durch eine konsequente Neuaufteilung des Straßenraums begegnet werden. Dabei muss für Radfahrende genügend Abstand zu parkenden und fahrenden Fahrzeugen geschaffen werden, Überholvorgänge und Ausweichmanöver ermöglicht und freie Sichtbeziehungen zwischen den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer hergestellt werden. An Hauptverkehrsstraßen sind sogenannte „protected bikelanes“, also baulich abgegrenzte breite Radfahrwege die beste Wahl, um eine möglichst hohe Sicherheit für Radfahrerinnen und Radfahrer zu schaffen.
Ein Radverkehrsgesetz NRW sollte dazu folgende Punkte beinhalten:
·         Knotenpunkte sind nach dem aktuellen Stand der Technik einzurichten oder anzupassen
·         optimale Sichtbeziehungen an Knotenpunkten sind herzustellen
·         in Zusammenarbeit mit den Kommunen soll an innerörtlichen mehrspurigen Straßen sogenannte „protected bikelanes“ eingerichtet werden
·         „Vision Zero“, also keine Verkehrstoten mehr, wird als gesetzliches Ziel definiert und jährlich ein Bericht der Landesregierung über die Fortschritte zur Zielerreichung veröffentlicht

Attraktive, sichere und schnelle Verbindungen

Insbesondere für Pendlerinnen und Pendler ist die Entscheidung für oder gegen das Fahrrad unmittelbar abhängig von der Attraktivität der zu fahrenden Strecke. Gut ausgebaute, sichere und schnelle Verbindungen sind deshalb die Voraussetzung für einen signifikanten Anstieg des Radverkehrsanteils an den Pendlerströmen. NRW hat dazu mit der Planung von bislang sieben Radschnellwegeverbindungen einen ersten wichtigen Schritt getan. Bis zu einem durchgängigen und flächendeckenden Radschnellwegenetz ist es jedoch noch ein weiter Weg. Nur der Radschnellweg Ruhr ist in den letzten Jahren in manchen Teilen schon baulich umgesetzt, die weiteren sechs Radschnellwege stecken seit Jahren in der Planung fest. Hier muss unbedingt mehr Dampf hinter und die Planung und Umsetzung beschleunigt sowie baldmöglichst neue Radschnellwegeverbindungen auf den Weg gebracht werden.
Ein Radverkehrsgesetz NRW sollte dazu folgende Punkte beinhalten:
·         Radschnellwege werden grundsätzlich nach den Vorgaben des Arbeitskreises Radschnellwege geplant und umgesetzt
·         bei Radschnellwegen innerhalb von bebauten Gebieten werden durchgehende und ausschließlich für Radverkehr nutzbare und ausreichend breite Anlagen geschaffen
·         Es werden keine gemeinsamen Geh- und Radwege angelegt oder Radschnellwegverbindungen dem Auto- oder Fußverkehr untergeordnet
·         dem Radverkehr wird auf den Radschnellwegen Bevorrechtigung und wo möglich planfreie Führung an Knotenpunkten eingeräumt sowie die Priorisierung durch Lichtsignalanlagen (grüne Welle)
·         es wird ein Gutachten in Auftrag gegeben, welche Radschnellwegeverbindungen kurz-
, mittel- und langfristig umgesetzt werden könnten. Das Gutachten wird alle fünf Jahre evaluiert und fortgeschrieben. Ziel ist der Aufbau eines Radschnellwegenetzes von bis zu 1000 Kilometern bis zum Jahr 2030.
·         es werden keine Bundes- oder Landesstraßenbaumaßnahmen mehr durchgeführt, ohne dass gleichzeitig ein baulich abgetrennter Radweg für beide Richtungen entlang der Straßen geführt wird. Dafür wird bei Straßen.NRW entsprechend finanzielle Mittel und Personal zur Verfügung gestellt. Bis 2025 sollen so mindestens 300 Kilometer neue Radwege entlang von überörtlichen Straßen entstehen.
·         bei Brückenneubauten oder –sanierungen werden beidseitige Radverkehrsanlagen im Radschnellwegestandard mit umgesetzt und vom Land finanziert. Dafür wird eine eigene Haushaltsstelle geschaffen und bei Straßen.NRW entsprechend Personal zur Verfügung gestellt.
·         die Kommunen werden aufgefordert, einen Radverkehrsplan für ihr Gebiet zu entwickeln und ein Vorrangnetz für wichtige Verbindungen mit gesamt- oder überörtlicher Bedeutung auszuweisen. Das Land fördert die kommunale Radverkehrsplanung dabei finanziell und beratend.
·         im Verkehrsministerium wird eine eigene Abteilung geschaffen, die die Kommunen bei der Planung und Umsetzung von Radverkehrsmaßnahmen unterstützt.
·         Nebenstraßen werden in die Radverkehrsplanung der Kommune aufgenommen und schmale Straßen und Einbahnstraßen wo immer möglich als Fahrradstraßen ausgewiesen und in beide Richtungen für den Radverkehr geöffnet. Dabei sind insbesondere Nebenstraßen, die als Schulwege dienen können, prioritär in Fahrradstraßen umzuwandeln.

Am Bedarf orientierte Fahrradabstellmöglichkeiten

Gut zugängliche, sichere und möglichst wetterfeste Fahrradabstellanlagen sind vor allem in dicht bebauten Gebieten Mangelware. Viele Menschen besitzen hochwertige Fahrräder und E-Bikes, die aber im Alltag kaum genutzt werden, weil es an entsprechend geschützten Abstellmöglichkeiten fehlt. Dabei spielt nicht nur der Schutz vor Diebstahl, sondern auch die Sorge vor Beschädigungen durch Vandalismus und Unachtsamkeit eine große Rolle. Fahrradstationen an Bahnhöfen sind zwar mittlerweile vielfach im Land vorhanden, aber noch längst nicht jeder Nahverkehrsbahnhof oder ÖPNV-Haltepunkt weist eine ausreichende Anzahl an sicheren und geschützten Stellplätzen auf. Dabei ist gerade eine gute Verknüpfung zwischen Radverkehr und ÖPNV zentral für eine Verkehrswende, denn nur wenn Mobilitätsketten gut funktionieren, lassen die Menschen ihr Auto stehen und steigen um.
In den Großstädten führt häufig die Vielzahl auf dem Bürgersteig abgestellten Privaträdern, Leihrädern und Lastenrädern zu Behinderungen vor allem für die Fußgängerinnen und Fußgänger. Deshalb ist es notwendig, vorhandene Flächen und Räume auf ihre Eignung als größere Fahrradabstellanlagen zu überprüfen und im öffentlichen Raum zum Beispiel durch die Umwandlung von Autoparkplätzen ausreichend Kapazitäten für parkende Fahrräder zu schaffen.
Ein Radverkehrsgesetz NRW sollte dazu folgende Punkte beinhalten:
·         an allen Haltepunkten des Schienenregionalverkehrs werden Fahrradstationen – bewirtschaftet oder automatisiert – eingerichtet, die eine sichere und wetterfeste Unterbringung auch von hochwertigen Fahrrädern und E-Bikes gewährleisten
·         In Zusammenarbeit mit den Kommunen wird an allen Stadt- oder Straßenbahnhaltepunkten in unmittelbarer Nähe eine ausreichend hohe Zahl an Fahrradabstellmöglichkeiten geschaffen
·         es werden wetterfeste und diebstahlsichere zentralen Fahrradparkhäuser in Wohngebieten geplant und eingerichtet
·         es wird flächendeckend eine Ladeinfrastruktur für E-Bikes angestrebt
·         die baurechtlichen Vorschriften werden dahingehend angepasst, dass auch Tief- und Hochgaragen für das Abstellen von Fahrrädern geöffnet werden und die Eigentümer verpflichtet werden können, dort entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen
·         die Kommunen werden zur Umsetzung der o.g. Ziele aufgefordert und entsprechend landesseitig unterstützt

Umsetzung der Radverkehrsstrategie des Landes

Das Land Nordrhein-Westfalen soll Fahrradland Nr. 1 werden. Die Stadt Münster gilt immer noch bundesweit als Vorbild einer fahrradfreundlichen Stadt, hat aber 2019 den Spitzenplatz im Städteranking des ADFC-Klimatests an Karlsruhe verloren. Andere NRW-Großstädte wie Köln und Düsseldorf liegen abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Deshalb bedarf es einer landesweiten Strategie zur Erhöhung des Radverkehrsanteils, damit NRW auch flächendeckend das fahrradfreundlichste Bundesland wird. Dafür bedarf es nicht nur Infrastrukturmaßnahmen und eine Umverteilung von Investitionsmitteln zugunsten des Radverkehrs, sondern es muss sich vor allem an der Haltung der im Ministerium, bei Straßen.NRW und den Kommunen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas verändern. Viel zu oft wird dort noch das Bild der autogerechten Verkehrsinfrastruktur gepflegt. Immer noch werden Landesstraßen ohne Radwege geplant und gebaut, immer noch wird auf Radfahrstreifen verzichtet, weil es ggfs. zu Staus kommen könnte, kommunale Radverkehrskonzepte verschwinden ohne Umsetzung jahrelang in Schubladen. Die Brücken in NRW wie beispielsweise die A40 Neuenkamp oder die A1 Leverkusen werden ohne ausreichenden Radweg geplant und neu gebaut. Niemand ist in den Planungsbüros und Entscheidungsgremien auf die Idee gekommen, dass das nicht zukunftsweisend und nachhaltig sein könnte. Ein Kulturwandel in den Verwaltungen ist dringend notwendig, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Lokalpolitik vor Ort sind hier deutlich weiter und beklagen zurecht die fehlende Umsetzung bereits seit Jahren beschlossener Maßnahmen. Die Umsetzung scheitert auch vor allem daran, dass es nicht ausreichend Personal speziell für die Aufgaben im Bereich Fahrradinfrastruktur gibt.
Ein Radverkehrsgesetz NRW sollte dazu folgende Punkte beinhalten:
·         die Einrichtung einer eigenen Abteilung bei Straßen.NRW, die bei allen Planungen für Maßnahmen an Bundes- und Landesstraßen für eine Umsetzung der Fahrradinfrastruktur im Sinne des Radverkehrsgesetzes NRW sorgt.
·         Landesfördermittel werden künftig verstärkt danach gewährt, ob die jeweiligen kommunalen Projekte mit dem Leitbild einer nahmobilitätsfreundlichen Stadt im Einklang stehen
·         verbindliche Öffentlichkeitsarbeit zur Information der Bürger*innen über geplante Maßnahmen, Zeithorizonte und Umsetzung

III.        Der Landtag beschließt:

·         Dem Anliegen der Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“ wird gefolgt.
·         Die Ziele der Volksinitiative werden verbindlich in ein Fahrradgesetz für NRW aufgenommen.
·         Die im Entschließungsantrag genannten Eckpunkte zur Umsetzung dieser Ziele werden in das Fahrradgesetz für NRW eingearbeitet.
·         Die im Fahrradgesetz NRW genannten Maßnahmen und Ziele zur Erhöhung des Radverkehrsanteils am Modal Split sollen jährlich evaluiert und der Landtag über die Ergebnisse der Evaluation unterrichtet werden.