Arndt Klocke: „Das Fahrrad ist das Verkehrsmittel der Zukunft“

Volksinitiative "Aufbruch Fahrrad"

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Middeldorf! Fürwahr: Es ist eine neue Verkehrspolitik der Koalition. Ich habe mir nämlich bei der Vorbereitung meiner Rede eine Debatte angeschaut, die wir hier im Herbst 2017 zum Thema „Radverkehr“ geführt haben. Da war diese Landesregierung schon im Amt. Damals habe ich am Ende meiner Rede gesagt – mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich mich selber –:
Das Fahrrad ist das Verkehrsmittel der Zukunft. Wir müssen den Modal Split ändern, und wir müssen deutlich mehr Radverkehr im Modal Split zulassen.
Das Protokoll verzeichnet hier Zwischenrufe und Lachen bei den Fraktionen von CDU und FDP.
(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
Das ist gerade einmal zwei Jahre her. Da waren Sie auch schon in der Regierungsverantwortung. Jetzt klingt das alles ganz anders.
(Jochen Ott [SPD]: Schneller Lernprozess!)
Wir Grüne, die wir es schon vor 10, 20 oder 30 Jahren gefordert haben, unterstützen das eindeutig. Aber der Dank geht in diesem Fall natürlich an die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“, die das Ganze mit einer wirklich brillanten Unterschriftensammlung auf den Weg gebracht hat.
(Beifall von den GRÜNEN und Carsten Löcker [SPD])
Ich meine, dass diese über 200.000 Unterschriften, die engagiert gesammelt worden sind, hier im Plenum etwas größerer Präsenz bei der Debatte würdig gewesen wären.
Mehrere Initiatoren sitzen heute auch auf der Zuschauertribüne. Sie haben bei Wind und Wetter und zu jeder Tages- und Nachtzeit Unterschriften gesammelt. Über 200.000 Unterschriften für diese Initiative zusammenzubekommen, ist eine große Leistung. Offensichtlich brauchte es diese Leistung, um die Koalitionsfraktionen anzuschieben.
Ich war ja einige Wochen lang krankheitsbedingt abwesend. Es hat mich wirklich überrascht, was man dann auf einmal liest. Vor meiner Abwesenheit war alles noch ganz offen. Auf einmal liest man dann, diese Landesregierung wolle zustimmen.
Wir haben einen Entschließungsantrag vorgestellt, der aus dem, was in der Volksinitiative formuliert worden ist, wirklich reale Politik macht. Dafür braucht es nämlich Umsetzungsschritte. Und für Umsetzungsschritte braucht es Stellen und Geld. Offensichtlich gibt es Signale aus Berlin, dass dort mehr kommt.
Ich möchte aber gerne einer Behauptung entgegentreten, die heute schon mehrfach aufgestellt wurde, unter anderem vom Ministerpräsidenten – nämlich, dass in rot-grüner Zeit zu wenig getan worden sei und Schwarz-Gelb es jetzt finanziere. 2010, im letzten Regierungsjahr von Schwarz-Gelb, und auch in den Jahren zuvor waren es 3,6 Millionen Euro für den Ausbau des Radverkehrs an Landesstraßen. Das ist in rot-grüner Zeit auf 12 Millionen Euro aufgestockt worden. Es gab auch den Aktionsplan Nahmobilität, den Sie jetzt fortschreiben. Das sind alles wichtige Projekte, bei denen Sie – jetzt auch mit mehr Geld in der Kasse – draufsatteln. Das ist auch zu unterstützen. Aber jetzt den Ball der ehemaligen Landesregierung zuzuspielen und zu sagen, dass da gar nichts gelaufen sei, ist falsch.
In den letzten Jahren ist zwar grundsätzlich mehr gelaufen. Wenn das umgesetzt werden soll, was jetzt ansteht, muss aber noch mehr geschehen. Angestrebt ist ein Radverkehrsanteil von 25 %. Aktuell liegen wir bei 8 %. Die Steigerungsquote war in den letzten Jahren ausgesprochen gering. Wenn wir 2025 bei 25 % sein wollen, muss jetzt nicht nur Gas gegeben werden, sondern der E-Bike-Turbo eingelegt werden, damit wir diesen Wert erreichen.
Ich habe überlegt, warum die Landesregierung so gnädig ist, was diese 25 % angeht. Viel- leicht liegt es daran, dass Sie überlegt haben: 2025 sind wir schon gar nicht mehr an der Regierung; dann muss die nachfolgende Landesregierung erklären, warum sie noch nicht bei den 25 % angekommen ist.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wunschdenken!)
Nein, es wird nicht ohne Personalaufstockung, Mittelausbau und Planungsbeschleunigung gehen.
(Beifall von den GRÜNEN und Carsten Löcker [SPD]) Das ist klar und eindeutig. Hier muss mehr getan werden.
So sehr ich es begrüße, dass Sie sich auf den Weg machen und die Volksinitiative unterstützen – wahrscheinlich werden wir gleich alle zustimmen –, halte ich Ihren Entschließungsantrag für ausgesprochen dünne Suppe. Darin müssten konkretere Zahlen und konkrete Projekte stehen.
Die Frage ist, was bei den Radschnellwegen passiert. Bisher gibt es in diesem Land sieben Projekte, die nur mühsam vorankommen. Die Frage ist: Was kommt noch hinzu? Wird es einen neuen Radschnellweg geben? Was ist bei den Radstationen vorgesehen? Was ist im Bereich der Digitalisierung zu erwarten?
Um den Entschließungsantrag zustimmungsfähig zu machen, hätten Sie also deutlich mehr Inhaltliches liefern müssen. So können wir nicht mitgehen, sehr geehrte Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kurz vor Weihnachten mit der Nachricht nach draußen zu gehen, dass – nachdem das Land Berlin ein Radverkehrsgesetz auf den Weg gebracht hat – das erste Flächenland diese Volkinitiative unterstützt, ist natürlich ein guter Schritt.
Wir sind als Grüne sehr gespannt, wann es wirklich ein reales Gesetz geben wird. Möglicherweise arbeiten die Fachabteilungen im Ministerium ja schon daran. Aber natürlich ist die reale und zentrale Forderung: Es braucht ein Radverkehrsgesetz in Nordrhein-Westfalen. Es braucht eine verbindliche Festschreibung über eine gesetzliche Regelung.
Entschließungsanträge sind schön und gut; aber wir wollen ein Gesetz. Da richtet sich an die Koalitionsfraktionen und an den Minister natürlich die Frage: Wann können wir ein solches Gesetz erwarten?
Von jetzt an bis 2025 haben wir noch fünf Jahre Zeit, um diese Verdreifachung des Anteils des Radverkehrs zu erreichen. Die Frage ist also ganz konkret: Mit welcher Beschleunigung, mit welchen Schritten, mit welcher Mittelaufstockung wollen Sie das auf den Weg bringen?
Wir sind gespannt und werden es in jedem Fall konstruktiv begleiten. Aber wir sehen in den jetzigen Festlegungen und im jetzigen Entschließungsantrag von Ihnen, lieber Herr Kollege Voussem,
 (Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
noch zu wenig Substanz, um dem Glauben schenken zu können.
Wir wollen nicht hoffen, dass man es der nächsten Landesregierung überlässt. Die Schritte müssen jetzt gegangen werden. Wir sind gespannt, ob Sie den Mut haben, entsprechend umzuschichten. Diesen Mut hatten Sie beim Haushalt nicht. Wir meinen, dass man beim Stra- ßenbau noch etwas wegnehmen und beim Radwegebau draufsatteln kann. Wir sind ge- spannt, ob Sie den Mut dafür haben. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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