Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich ausdrücklich in das Lob für den Mittelstand und das Handwerk einstimmen. Sie erinnern sich an die letzte Legislaturperiode, in der die Enquete-kommission, die hier schon mehrfach zitiert worden ist, gemeinsame Vorschläge gemacht hat. Die Debatte, die danach stattgefunden hat, hat auch deutlich gezeigt, dass wir große Übereinstimmung bei dem Lob für den Mittelstand und das Handwerk hatten.
Übrigens sorgt das Handwerk in Nordrhein-Westfalen dafür, dass wir nicht in eine Rezession geschlittert sind. Die Industriepolitik dieser Landesregierung tut das sicherlich nicht. Es ist in der Tat das Handwerk.
Lassen Sie mich trotzdem einige kritische Bemerkungen zu dem Antrag machen, weil der Antrag aus meiner Sicht – abgesehen von der richtigen Überschrift – mit wenig Substanz gekennzeichnet ist, und zwar deswegen, weil er sich unter anderem wieder einmal, wie bei dieser Koalition so oft, auch nach über zweieinhalb Jahren, also nach über der Hälfte der Legislaturperiode, mit Selbstlob und mit Aufforderungen an Dritte beschäftigt.
Ich will für das Selbstlob an dieser Stelle direkt ein Beispiel geben, weil es wiederum sehr interessant ist, daran zu sehen, wie Sie arbeiten. Sie sagen, von 171 Empfehlungen der Enquetekommission seien bereits 116 in Arbeit oder umgesetzt. Das hört sich zunächst gut an. Wenn man aber genauer hinschaut, stellt man fest, dass sie meistens in Arbeit und nicht umgesetzt sind.
Und wie sind sie in Arbeit? Ich zitiere einmal – das könnte man weiter fortsetzen; dann würde es aber die Redezeit sprengen – einige wenige Handlungsempfehlungen:
Handlungsempfehlung 2 – in Arbeit –: flächendeckender Ausbau der Netzinfrastruktur vorrangig für Gewerbestandorte und vorrangig mit Glasfasertechnik.
„Kommentar: Die Landesregierung NRW hat in einer entsprechenden Regierungserklärung angekündigt, Bundes-, EU- und Landesmittel einzusetzen, um hier den Ausbau zu erreichen.
Entsprechende neue Referate in den Ministerien mit der Zuständigkeit sind geschaffen.“
Handlungsempfehlung 3 – in Arbeit –: Netzneutralität muss für alle Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer bzw. Nutzerinnen und Nutzer gewährleistet werden.
„Kommentar: Gemäß Vereinbarung auf Arbeitsebene zwischen der Handwerksorganisation in Nordrhein-Westfalen und dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium soll diese Handlungsempfehlung im Zusammenhang mit dem Gutachten zur Handlungsempfehlung Nr. 4 aufgegriffen werden.“
Handlungsempfehlung 5:
„Kommentar: Gemäß Vereinbarung auf Arbeitsebene zwischen der Handwerksorganisation in Nordrhein-Westfalen und dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium soll diese Handlungsempfehlung im Zusammenhang mit dem Gutachten zur Handlungsempfehlung Nr. 4 aufgegriffen werden.“
Bei Handlungsempfehlung 6 steht dasselbe.
Schauen wir uns jetzt die Handlungsempfehlung 4 an. Sie ist noch nicht in Arbeit. Das Gut- achten zur Verbesserung wettbewerbsrechtlicher Rahmenbedingungen für digitale Wirtschaft ist noch nicht vergeben, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht.
Sie zitieren das. Das heißt: Sie haben allein dreimal „in Arbeit“ festgestellt mit dem Verweis auf einen Punkt, bei dem die Arbeit noch nicht einmal angefangen hat.
Das hier ernsthaft als Selbstlob vorzutragen, finde ich sehr mangelhaft.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich finde es im Übrigen auch mangelhaft, bei den Forderungen auf das Bundesregister zu verweisen. Das entsprechende Gesetz – das muss ich auch den Kollegen der Sozialdemokraten sagen – im Bundestag verweist auf ein Gesetz, das erst noch eingebracht werden soll, also überhaupt noch nicht da ist. In diesem Zusammenhang stellen Sie dann Forderungen.
Und kaum sind zweieinhalb Jahre vorbei, entdecken Sie dann auch weitere Maßnahmen, um insgesamt die Entbürokratisierung voranzutreiben. Ich teile ausdrücklich die Auffassung, dass zum Beispiel die Onlinebeantragung für Gewerbetreibende eine Erleichterung darstellt. Aber das haben Sie vor anderthalb oder zwei Jahren noch als den großen Durchbruch gelobt. Jetzt kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Sie weitere Punkte von der Landesregierung fordern, damit es tatsächlich einschlägig und wirkungsvoll ist. Sie stellen also auch selber fest, dass es letztlich bis jetzt nicht gewirkt hat.
Präsident André Kuper: Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Ge- statten Sie diese Zwischenfrage des Kollegen Rehbaum?
Horst Becker (GRÜNE): Ja, von Herrn Rehbaum immer. Das sind meistens gute Vorlagen. (Zurufe: Oh!)
Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Becker, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben vorhin in Ihrer Rede festgestellt, dass der Glasfaserausbau in Nordrhein-Westfalen nicht erfolge. Das ist falsch. Wissen Sie, dass es einen Glasfaserausbauprogramm des Bundes gibt und dass wir dieses Programm als Land nicht nur massiv mitfinanzieren, sondern dass hier bereits erste Förderbescheide überreicht worden sind und der Ausbau in den nächsten Wochen konkret erfolgt, womit wir eine flächendeckende Glasfaserversorgung hinbekommen, von der auch das Handwerk ganz deutlich profitieren wird?
Horst Becker (GRÜNE): Herr Rehbaum, Sie haben meine Erwartungen nicht enttäuscht. Ihre Frage ist in der Tat eine Vorlage. Denn ich weiß das nicht nur, sondern habe sogar daran mitgewirkt.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Hätten Sie damals entweder ein bisschen besser aufgepasst oder die Landespolitik nachvollzogen, wüssten Sie, dass die rot-grüne Landesregierung, die damals regiert hat, im Gegensatz zu der anderen Landesregierung nicht nur die Bundesmittel ordentlich verwaltet hat, sondern sie auch durch Landesmittel aufgestockt hat und zusätzlich eigene Landesmittel, unter anderem aus ELER umgewidmet, eingesetzt hat, die heute weiter bewirtschaftet werden. Das sind die gleichen Mittel, die wir damals bereitgestellt haben. Seinerzeit war in der Tat ein Kampf mit dem Finanzminister erforderlich, um zu erreichen, dass wir hier einen derartig hohen Anteil eingesetzt haben. – Das ist das Erste.
Das Zweite, auf das Sie abheben, ist der Kommentar, mit dem Sie sich darauf beziehen, 116 Maßnahmen seien in Arbeit oder abgeschlossen. Der Kommentar in diesem Papier lautet – ich sage es noch einmal –:
„Die Landesregierung NRW hat in einer entsprechenden Regierungserklärung angekündigt, Bundes-, EU- und Landesmittel einzusetzen“
– also das fortzusetzen, was Rot-Grün gemacht hat –,
„um hier den Ausbau zu erreichen. Entsprechende neue Referate in den Ministerien mit der Zuständigkeit sind geschaffen.“
Da ist also nichts Besonderes Neues passiert. Sie haben nur neue Referate in der Landesregierung geschaffen. Ansonsten setzen Sie das fort, was SPD und Grüne begonnen haben, und loben sich dafür.
Nun können Sie mir ja übel nehmen, dass ich das für keine besondere Leistung Ihrer Partei halte. Aber es ist in der Tat so, dass es keine besondere Leistung darstellt.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE] – Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
Meine Damen und Herren, ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir zwei Punkte gefunden haben, bei denen man tatsächlich darüber nachdenken kann, ob sie Verbesserungen bringen. Das Erste – das habe ich eben gesagt – ist die Onlinebeantragung, also der Ausbau dieser Möglichkeiten, und das Zweite ist die Frage des Basisregisters.
Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Wenn Sie sich an dieser Stelle nach über zweieinhalb Jahren – nachdem im November 2019 im Bund dieses Gesetz beschlossen worden ist, das auf ein Gesetz, das noch kommen soll, verweist – dazu entscheiden, den Bund aufzufordern, das zu beschleunigen, dann ist das wohlfeil, aber keine besondere Leistung für den Mittelstand.
Auch wir sind selbstverständlich für die Überweisung. Dann werden wir die wenigen Punkte, die tatsächlich Substanz haben, herauskristallisieren. Vielleicht können wir uns auch darauf verständigen, dem Ganzen zusammen noch etwas mehr Substanz zu geben. Dann hätten der Mittelstand und das Handwerk tatsächlich etwas davon. Aber so bleibt es doch in Ihrem Antrag weitestgehend beim erfolglosen Selbstlob. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)