Arndt Klocke: „Sie wollen an den Grundpfeilern unseres Staatswesens sägen“

Antrag der "AfD" zum WDR

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Tritschler, Sie haben eben mit Ihrer Rede einen Beleg dafür gebracht, warum es heute Morgen die Aussprache zur Frage der Bedrohung von Demokratie und Personen des öffentlichen Lebens gebraucht hat.
Sie haben ein Negativbeispiel dafür abgegeben, wie man eben nicht im öffentlichen Raum über Politikerinnen und Politiker, über Journalistinnen und Journalisten, über Menschen, die Verantwortung übernehmen, reden sollte.
Sie haben hier Namen genannt. Sie haben Menschen vorgeführt. Sie haben versucht, Stimmung zu machen. Sie haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dargestellt, den WDR als „Rotfunk“ bezeichnet und von einem Sumpf gesprochen, den man trockenlegen muss.
Sie waren ein Beispiel dafür, wie man in diesem Land versucht, Stimmung zu machen und Menschen vorzuführen. Sie sollten sich für Ihren Auftritt schämen und die Gelegenheit nutzen, in einer zweiten Runde hierzu Stellung zu nehmen und klarzumachen, dass das eigentlich nicht Ihre Absicht war.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es ist eben schon mehrfach gesagt worden, dass die Debatte um das „Umweltlied“ zum Jahreswechsel für Sie nur der Aufhänger ist. Ich bin ja Mitglied des Kultur- und Medienausschusses und weiß, dass Sie keine Möglichkeit auslassen, um Stimmung gegen Journalistinnen und Journalisten zu machen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorzuführen. Dies ist für Sie ein willkommener Anlass, um das noch einmal aufzugreifen.
Sie wollen an den Grundpfeilern unseres Staatswesens sägen. Zu diesen Grundpfeilern des Staatswesens gehört unser Rundfunk, gehören die Menschen, die für uns Nachrichten bringen, für uns recherchieren. Einem Menschen mit einer persönlichen politischen Haltung gefallen manche Kommentare und manche Recherchen besser als andere. Aber es gehört zur Toleranz, zur Akzeptanz, zu den Grundlagen unseres Staates, dass wir in solchen Momenten nicht auf Menschen, die für uns unterwegs sind und recherchieren, eindreschen. Das machen Sie hier zum wiederholten Male. Das zeigt die Haltung der AfD in dieser Frage ganz klar. Sie sollten sich dafür schämen und sollten das zurücknehmen, Herr Kollege Tritschler.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist alles gespielte Empörung, was Sie hier vorbringen und bei jeder Gelegenheit wieder herausholen.
Ein paar Sätze zum Ministerpräsidenten und zu dem, was der SPD-Antrag aufgreift: Eigentlich ist es untunlich, einen Antrag der AfD aufzuwerten, indem wir diese Debatte hier noch weiterführen.
(Helmut Seifen [AfD]: Das ist typisch für Sie!)
Aber es gibt ja keine weiteren Anträge. Ich hätte mir schon gewünscht, dass der Ministerprä- sident – nun war er schon letzte Woche nicht im Ausschuss – wenigstens jetzt die Gelegenheit ergreift, um Stellung zu nehmen und ein paar klarstellende Sätze zu finden.
Man muss nicht gleich die Grundhaltung des Ministerpräsidenten infrage stellen, aber die Frage ist: Was ist passiert? Er hat mit seinen Tweets zum Jahreswechsel in einer sich immer mehr aufschaukelnden Debatte eindeutig Stellung bezogen. Als der Punkt erreicht war, dass vor dem WDR Rechtsradikale aufmarschierten,
(Sven Werner Tritschler [AfD]: Und Linksradikale!)
dass Menschen, die in dem Sender arbeiten, persönlich bedroht wurden – in Ihrer Rede eben, Herr Tritschler, fehlten nach der Namensnennung nur noch die Adressen, um die Menschen weiter aufzuwiegeln –, hätten wir uns schon gewünscht, dass der Ministerpräsident die Chance sieht, klarzustellen, dass er eindeutig hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht und dass er nicht Stimmung machen wollte.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese Chance hat er nicht genutzt. Wenn er sich regelmäßig in Debatten einmischen, Satire bewerten und Haltungsnoten vergeben würde, dann wäre das etwas anderes. Ich habe mich im letzten Jahr mehrfach über Dieter Nuhr geärgert, der in den öffentlich-rechtlichen Medien, auch im WDR doch sehr …
(Zuruf von Arne Moritz [CDU])
– Es ist Satire, deswegen will ich es nicht bewerten. Auf jeden Fall hat er sich über „Fridays for Future“ und Greta Thunberg auf eine Art und Weise geäußert, die ich schon ziemlich herabwürdigend fand. Das wäre auch ein Punkt gewesen, an dem der Ministerpräsident hätte twittern und sagen können, was er davon hält.
Er hat sich in einer Situation, in der sich die verschiedenen Seiten schon aufgeschaukelt hatten, auf eine Seite gestellt. Ich meine, der Ministerpräsident ist in der Rolle, Debatten auszugleichen, sich ganz klar vor den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stellen und klarzumachen, dass Satire alles darf. Satire ist nicht dafür da, eine Meinungsäußerung kundzutun, sondern Satire ist eine Kunstform.
Ob es glücklich war, dass hier ein Kinderchor sang, das würde ich auch in Abrede stellen. Ich hätte es viel origineller gefunden, wenn ein Seniorenchor dieses Lied gesungen hätte, wenn man es denn hätte singen wollen. Das hätte Witz gehabt und Spaß gemacht.
Dass daraus die Debatte geworden ist, die es dann geworden ist, dass es mehrere Demonstrationen gab, dass mehrfach Rechtsextreme vor den Sender gezogen sind, Stimmung gemacht und Angestellte des WDR bedroht haben, das wäre nicht nötig gewesen.
In dieser Situation hätten wir uns gewünscht, dass der Ministerpräsident eine klare Haltung zeigt. Er hätte die heutige Sitzung nutzen können, um klarzumachen, dass er eine eindeutige Haltung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zur Rundfunkfreiheit, zur Freiheit von Journalistinnen und Journalisten hat. Die Chance hat er sich entgehen lassen. Das bedauern wir Grüne sehr. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zeite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine erneute Meldung geht in dieselbe Richtung wie diejenige des Kollegen Nückel. Ich hätte mir gewünscht, dass wir, die vier demokratischen Fraktionen, miteinander diese Debatte genutzt hätten, um klarer deutlich zu machen, dass wir den Vorstoß der AfD eindeutig ablehnen und zurückweisen. Ich bin mir auch völlig sicher, dass das der Fall ist.
Es handelt sich um einen Versuch der Stimmungsmache gegen einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Journalismus, und es ist auch nicht der erste, sondern ein wiederholter Vorgang.
(Beifall von den GRÜNEN)
Alles, was Herr Strotebeck und Herr Tritschler geäußert haben, macht doch deutlich, um was es hier eigentlich geht.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Deswegen finde ich es etwas bedauerlich – vielleicht gelingt es uns, das im Ausschuss zu korrigieren –, dass es in der Debatte um SPD-Medienholdings oder um andere Dinge geht. Auch darüber kann man diskutieren – genau wie über Gebührenerhöhungen, über die KEF, über Empfehlungen etc.
Ich bin mir völlig sicher, dass wir hier einer Meinung sind, aber für die Öffentlichkeit, für die Zuhörerinnen und Zuhörer und für das Protokoll wäre es wünschenswert gewesen,
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
dass wir alle miteinander klar sagen, dass wir diesen Vorstoß und dieses Ansinnen klar zu- rückweisen. Wir stellen uns hinter unabhängige Journalisten, wir stellen uns hinter den WDR. Nur das wollte ich sagen.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Herr Minister Reul, ich habe persönlich keinen Zweifel, dass der Ministerpräsident an dieser Stelle eine klare Haltung hat – oder der Staatssekretär –, aber nachdem er die „ZEIT“, den
„SPIEGEL“ und Twitter genutzt hat, um sich zu der Sache zu Wort zu melden, wäre es zu- mindest schön und wünschenswert gewesen, wenn er die Plenarsitzung des heutigen Tages,
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE] und Wolfgang Jörg [SPD])
wo er doch offensichtlich im Lande ist, genutzt hätte, um diese klare Haltung, die uns frakti- onsübergreifend mit Ausnahme der AfD verbindet, deutlich zu machen.
Ich hoffe, im Ausschuss diskutieren wir das Ganze klarer und sachlicher, als es uns in dieser Debatte gelungen ist. – Danke für die Aufmerksamkeit.

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