Mehrdad Mostofizadeh: „Wir müssen bewusst vorleben, dass es anders geht und unsere Lebensbedingungen besser werden können“

Große Anfrage der SPD-Fraktion zu "Diabetes"

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dann gehen Sie doch mal alle wieder zum Arzt und gucken nach, ob Sie Diabetes haben. – Interessanter Appell, ist nicht ganz falsch.
Für die Große Anfrage möchte ich mich einerseits bei der SPD-Fraktion ausdrücklich bedanken, die sich sehr viel Mühe bei der Fragestellung gemacht hat, natürlich auch bei der Landesregierung, wobei man bei dem einen oder anderen Punkt über den Enthusiasmus der Behandlung einzelner Stellen sicherlich diskutieren kann. Aber wir sind ja dazu da, dass wir das auch auswerten können.
Die wesentlichen Befunde möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen. Einer der wesentlichsten Befunde – er ist nicht ganz neu –, der durch diese Dokumentation noch einmal sehr klar offengelegt, ist:
Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Lebensstil, Armut und Krankheitsneigung. Die Prävalenz steigt in den Stadtteilen, in denen die Leute ärmer sind, und in den Stadteilen, in denen die Leute bewegungsunfreundlicher sind. Die städtebauliche Situation hat also offensichtlich unmittelbaren Einfluss auf die Diabetesprävalenz.
Als Grüne haben wir immer gepredigt: Wir brauchen ganzheitliche Ansätze. – Heute haben wir viel über den Umgang mit Diabetes gesprochen. Eigentlich alle haben gesagt, dass der wesentliche Faktor die Prävention, also die Vorbeugung von Diabetes sei.
Was heißt das übersetzt? – Das sind ganz einfache Dinge: Ernährt euch so, dass es nicht zu Diabetes führt. Bewegt euch so, dass ihr ein gesünderes Leben habt.
Welche Bedingungen finden wir vor? – Der Schulweg der meisten Kinder wird mit dem Auto zurückgelegt. Die Ernährung ist in den allermeisten Situationen dem Zufall überlassen.
Es wird aber gesagt, dass man dafür sorgen muss, dass das in den Schulen und in den Elternhäusern gelehrt wird. Das können wir alles predigen. Aber die Konsequenz daraus wäre ein Umsteuern; das gilt nicht nur für Diabetes.
Diabetes ist mit immerhin fast 10 % Betroffenen in den Großstädten – im Alter umso mehr – die Volkskrankheit Nummer eins. Ähnliche Prävalenzen haben wir auch bei anderen Krankheiten, die aufgrund unseres Wohlstandes und unserer Situation entstanden sind.
(Zuruf von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales)
– Völlig richtig, Herr Minister.
Deswegen kann ich nur sagen: Wenn wir uns damit wirklich systematisch auseinandersetzen wollen, müssen wir einen Schritt weitergehen.
Wenn gesagt wird, wir sollten uns bewusst ernähren, man aber auf den Verpackungen der – aus meiner Sicht nicht ganz günstigen, aber vorgefertigten – Lebensmittel nicht nachlesen kann, welche Zusammensetzung sie haben und wie sie hergestellt wurden, kann man nur an Frau Klöckner appellieren:
Handeln Sie. Sorgen Sie für Prävention und sagen Sie den Menschen, wie sie selbstbestimmt handeln können. Verpflichten Sie die Produzentinnen und Produzenten, auf die Verpackungen zu schreiben, wie viel Zucker und Fett enthalten sind.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Punkt wäre eine Städtebaupolitik, die nicht das Auto, sondern die Bewegung des Menschen ins Zentrum stellt. Sie muss bewusste Bewegung, auch an den Schulen, möglich machen.
Dritter Punkt. Warum, Herr Minister, ist die öffentliche Hand kein Vorbild? Warum sind unsere öffentlichen Kantinen keine Vorreiter und haben das beste Essen? – Sie könnten beispielsweise dafür sorgen, dass Kinder mit kochen bzw. das Essen mit produzieren. So könnten sie selbst feststellen, was das Essen macht.
Die beste Vorbeugung gegen Diabetes und viele andere Krankheiten ist, die Menschen stark und selbstbewusst zu machen und sie selbst entscheiden zu lassen, was sie essen, was sie konsumieren und wie sie es konsumieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Mein letzter Punkt. Beim Umgang mit Diabetes gibt es ganz unterschiedliche Schulen. Eben ist klar gesagt worden, dass man nicht so viel Zucker und Ähnliches konsumieren darf.
Das Schwierigste – das haben auch Frau Lück und in Teilen Frau Schneider angedeutet – ist aber die immense psychische Belastung der Menschen, die Diabetes haben. Viele Menschen wissen, warum sie Diabetes haben. Das gilt zumindest für Typ 2; bei Typ 1 ist es eine ganz andere Situation.
Die Leute kommen ja nicht deswegen nicht da raus, weil sie blöd sind. Gott sei Dank bin ich nicht betroffen, aber ich bin ein gutes Beispiel. Ich wusste auch schon vor einem Jahr, wie gute Ernährung aussieht. Bis man es aber umsetzt und wirklich macht, muss man sich disziplinieren und manche Dinge einfach tun.
Die allermeisten Menschen haben nicht so einen Weg vor sich, sondern müssen in ihrem Tagesablauf nur an kleinen Stellschrauben drehen. Das muss ihnen aber auch ermöglicht werden.
Deswegen würde ich mir auch vom Gesundheitsminister ein klares Wort wünschen. Wir müssen die Lebensbedingungen in den Städten ändern, denn arme Menschen in benachteiligten Stadtteilen und Schulen sind stärker davon betroffen.
Die öffentliche Hand ist Vorreiter und Vorbild und muss dafür sorgen, dass Diabetes nicht nur in Zusammenhang mit einer Großen Anfrage und dem Ausschuss im Bewusstsein ist.
Wir müssen bewusst vorleben, dass es anders geht und unsere Lebensbedingungen besser werden können.
Wir möchten, dass die Menschen in unserem wunderschönen Land Nordrhein-Westfalen gesünder, länger und erfreuter leben – da ist die Umweltministerin sicherlich auf unserer Seite.
– Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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